Wie genau die Ornamente oder Bilder in Messing, Aluminium und Kupfer kommen, will Andrea Otten nicht verraten. Klar ist, sie werden geätzt. Wie das exakt geht, sei das „Betriebsgeheimnis“, so die Künstlerin.
Ihr Betrieb ist das Fat Rat Syndicate, das seit einigen Monaten im Kunstzentrum Alte Molkerei in Worpswede ansässig ist. Klingt ein wenig nach Motorradclub, und das ist durchaus gewollt, denn Biker machen rund 80 Prozent ihrer Kunden aus. Deren Maschinen, so sie denn noch viele freiliegende Metallteile wie Kupplungs- oder Tankdeckel haben, bieten sich an für individuelle Designs.
Worpswede ist nicht unbedingt das Mekka der Bikerszene – abgesehen von gelegentlichen Ausfahrten zur Eisdiele im Sommer. Auch mit ihrer speziellen Kunstform ist Otten relativ allein auf weiter Flur. Und eigentlich hat sie auch nur der Zufall vor zweieinhalb Jahren ins Künstlerdorf verschlagen. Sie lebte in Bremen und hatte sich zwei Hunde von einer Tierrettungsinitiative zugelegt. Die wuchsen und gediehen unerwartet gut, irgendwann war das Leben in der Stadt mit ihnen nicht mehr wirklich angenehm. Alle drei wollten aufs Land. Worpswede kannte Andrea Otten noch von Ausflügen aus Kindertagen. Außerdem betreibt dort ihr Schwager Knut Schakinnis das Theater und hatte in der Alten Molkerei noch Wohnraum frei. Für Mensch wie Hunde ein Glücksfall.
Für den Nachbarn ein Volltreffer
Auch für Martin Matut, ihren neuen Nachbarn, ein Volltreffer. Der 55-Jährige wohnte und arbeitete schon länger in dem Kunstzentrum und freute sich über die Belebung. Er betätigt sich hauptsächlich als Bildhauer, ist aber in diversen Genres aktiv. Mit der gleichaltrigen Otten war er sofort auf einer Wellenlänge und hat ihr bei Entwürfen und der Umsetzung am Computer helfen können. Beide verbindet eine Art Kreativgemeinschaft. Das dritte Rad am Gespann ist sozusagen der Bülstedter Speedy Alder, der in seiner Werkstatt Custombikes, also Motorräder, nach individuellen Kundenwünschen herstellt. Er öffnete die Tür in die Motorrad-Szene, und für die Ausgestaltung vieler seiner Bauteile kommt er auf die Worpsweder Metall-Veredler zu.

Beim "Ausschneiden" ganzer Teile kommt ein Laser zum Einsatz.
Das ätzende Syndikat arbeitet auf jeglichen Metallen, kann aber beispielsweise auch auf Leder seine Spuren einprägen. Salze spielen dabei ein Rolle, so weit lässt sich Otten in die Karten schauen, und man brauche keine gefährlichen Chemikalien. „Da hätte die Gewerbeaufsicht auch gar nicht mitgespielt“, sagt sie. Das Ätzen sei ein bisschen wie Tätowieren. Hier wie dort bringen die Kunden meistens sowohl die „Haut“ als auch das Motiv mit. Sollte es sich dabei um urheberrechtlich geschützte Designs handeln oder gar um Symbole, die verfassungsfeindlich oder aus anderen Gründen verboten sind, lehnt sie dankend ab. Ist das Copyright unklar, muss der Kunde per Unterschrift die Haftung für mögliche Forderungen übernehmen.
Gitarren und Kühlschränke
Laufpublikum, das zufällig am Atelier vorbeikommt und sich ein Teil kauft, sei eher die Ausnahme. Die meisten Teile passen ja auch nur an ein bestimmtes Motorrad, allerdings gibt es auch Stühle oder Tische, Lampen und alle möglichen anderen Gegenstände. Im Atelier steht gerade eine alte Jukebox, ihrer Verkleidung entledigt. Das seien recht hässliche Plastikteile gewesen, berichtet Andrea Otten. Nun baut sie neue aus Metall, auf denen sie ihrer Kreativität freien Lauf lassen kann. Genauso auf der ebenfalls gerade fehlenden Tür des Uralt-Kühlschranks gegenüber. An der Wand hängen Gitarren mit sehr ausgefallenen Pickquards. So heißen die meistens aus Kunststoff bestehenden Platten, die unter dem Schlagloch oder den Tonabnehmer angebracht sind, damit das Holz des Corpus' beim Spielen an den am meisten belasteten Stellen nicht abgeschubbert wird. Die Original-Pickquards lassen sich durch Spezialanfertigungen ersetzen. Das ist vor allem Matuts Metier, denn hier müssen die Metallteile millimetergenau nachgeformt werden. Das passiert, wie anderes auch, am PC.

Andrea Otten hat sich in der Alten Molkerei niedergelassen.
Otten findet die Vorstellung, dass sie den ganzen Tag mit der Feile herumwerke, doch entschieden zu romantisch. Manchmal notwendige Laserarbeiten werden von anderen Fachfirmen übernommen. Und es ginge ihr auch nicht darum, sich „frei töpfern“ zu wollen. Für sie steht der Spaß am Gestalten im Mittelpunkt, nicht so sehr das Handwerkliche. Schon immer habe sie freiberuflich gearbeitet, in ganz verschiedenen Bereichen. Irgendwann kam dann eine Freundin auf der Suche nach einem besonderen Geschenk zu ihr. Ein bestimmtes Logo sollte es schon tragen, also fand die 55-Jährige einen Weg, es unwiderruflich ins Metall zu bringen. Die Autodidaktin experimentierte weiter, verfeinerte die Technik und wagte dann den Schritt in die Selbstständigkeit. Eines der gerade frei gewordenen Ateliers in der Molkerei ist jetzt ihr Showroom. Gleichzeitig stellt sie bei vielen Bikertreffen, auf Festivals und Fachmessen aus und versucht, ihre Werke im Internet bekannt zu machen. Ihr Atelier ist nach Vereinbarung (Telefon: 0 17 6 / 29 49 699) geöffnet, Infos unter www.f-r-s-one.de.