Landkreis Osterholz. Allen Unkenrufen zum trotz: Elektromobilität hat eine Zukunft, auch im ländlichen Raum. Das hat eine Studie ergeben, die jetzt für den Amtsbezirk Lüneburg vorgelegt wurde. Die Gutachter-Büros EBP Deutschland und PTV Transport Consult hatten die elf Landkreise zwischen Elbe und Weser unter die Lupe genommen. Ergebnis: Die Elektromobilität wird sich in den stadtnäheren Gebieten etwas schneller entwickeln als in den ländlicheren Regionen. Hoch sind die Abweichungen nach den Prognosen der Experten jedoch nicht.
Der Anteil der Elektroautos bei den Neuwagen werde im Jahr 2035 je nach Szenario zwischen 22 und 58 Prozent liegen, sagen die Forscher. Als realistisch gelten für den ehemaligen Regierungsbezirk 170 000 Elektrofahrzeuge im Jahr 2035, was 37 Prozent der Neuwagen entspräche. Steigende Reichweiten von 400 oder 500 Kilometern sowie eine bessere Ladetechnik bei sinkenden Batterie- und Betriebskosten werden die E-Fahrzeuge schon in den nächsten Jahren deutlich attraktiver machen; damit werde allerdings auch der Strombedarf bis 2035 spürbar steigen - um bis zu 550 Gigawattstunden (GWh). Zum Vergleich: Produziert werden heute 9400 GWh.
Aufbau der Infrastruktur
Ein Ausbau der erneuerbaren Energien sei daher ratsam, zumal der Bedarf nach 2035 weiter steigen werde. Geladen werden die E-Autos in Zukunft voraussichtlich vor allem nachts an den sogenannten Wallboxen der privaten Wohnhäuser. Wichtig bleiben daneben öffentliche Stationen sowie Schnellladesäulen an Autobahnen und bei Arbeitgebern. Neben dem Versorgungsproblem könnte die steigende Elektromobilität aber auch den Öffentlichen Personennahverkehr schwächen, warnen die Autoren.
Sie konstatieren: In der Region Lüneburg gibt es bislang weder flächendeckende Infrastruktur noch einen strategisch ausgerichteten Plan zu deren Aufbau. Die beteiligten Kreise wollen daher mithilfe der Studie Strategien entwickeln, um den öffentlichen Raum für die Elektromobilität zu erschließen und "die sukzessive Adoption von Elektrofahrzeugen durch verschiedene Nutzergruppen" zu fördern.
"In ländlichen Regionen ist der eigene Pkw nach wie vor auf Platz 1", heißt es in der Studie. Die Unterschiede zwischen den Landkreisen seien dabei nicht sehr groß. Mehr als 90 Prozent aller Fahrten gingen über maximal 50 Kilometer. Gut ein Viertel aller Fahrten entfalle auf den Arbeitsweg und sonstige Dienstfahrten, und die Aufenthaltsdauer am Arbeitsplatz liegt in mehr als 50 Prozent der Fälle bei mehr als acht Stunden. Das wirke sich unmittelbar aufs Stromtanken aus.
Auf der anderen Seite sind Fahrten zu Einkaufs- oder Freizeitzielen mit mehr als 60 Prozent ein weiterer wichtiger Faktor. Die Aufenthaltsdauer ist dabei aber erheblich kürzer: Beim Einkaufen beträgt die Standzeit bei mehr als der Hälfte aller Besucher weniger als eine Stunde. An Freizeitzielen halten sich gut 80 Prozent der Besucher länger als eine Stunde auf, ein Drittel länger als drei Stunden. Auch dort biete das Laden mit höheren Leistungen und Smartcharging-Systemen (für mehrere Fahrzeuge) gleichzeitig Anreize und einen Ausweg.
Landrat Bernd Lütjen zeigte sich erfreut über das Zustandekommen der Studie, für die sich vor allem die Landkreise Harburg und Osterholz stark gemacht hatten. Die Untersuchung hat 200 000 Euro gekostet und wurde zu 80 Prozent aus EU-Mitteln finanziert. Lütjen sagte, er sehe darin eine wichtige Grundlage für den weiteren Ausbau von Elektromobilität. "Die Studie liefert interessante Anknüpfungspunkte und Hinweise", so der Landrat. Die Kreisverwaltung beabsichtige daher, die Ergebnisse in den kommenden Monaten auch in den zuständigen Kreistagsgremien zu behandeln.
Insgesamt 18 Maßnahmen werden in der Studie näher beschrieben, darunter auch die Sicherung einer nachhaltigen Mobilität im ländlichen Raum. Eine Kurz- und eine Langfassung der Untersuchung, an der ein Jahr lang gearbeitet wurde, ist im Internet abrufbar unter www.arl-lg.niedersachsen.de.
Aus Sicht der Lüneburger Behörde für regionale Landesentwicklung hat die Studie auch gezeigt, dass Wirtschaftsbetriebe, Energieversorger, Kreise und Kommunen noch einige Hausaufgaben zu machen haben. Darum trommelt das Landesamt die Akteure aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung zusammen. Auf einer Konferenz am Donnerstag, 16. August, soll auch über zusätzliche Förderung der E-Mobilität und ihre Finanzierung gesprochen werden soll.