Lilienthal. Bei der Polizei werden 18 bis 24 Jahre alte Autofahrer als Risikogruppe geführt. "Junge Leute fahren riskant, wenn sie allein oder mit Gleichaltrigen unterwegs sind", weiß Helge Cassens, Sprecher der Polizeiinspektion Verden/Osterholz. 2016 und 2017 registrierten die Beamten je zehn Unfälle mit Schwerverletzten. Zwei der jungen Unfallopfer kostete es das Leben. Doch es gibt einen Weg, das Anfängerrisiko zu senken: begleitetes Fahren ab 17. Schon ein halbes Jahr vorher können sich Jugendliche bei der Fahrschule anmelden. Nach bestandener Prüfung dürfen sie ein Jahr lang Auto fahren, wenn neben ihnen ein erfahrener Erwachsener sitzt. "Das gibt es in Niedersachsen seit 14 Jahren, und es ist eine Erfolgsgeschichte", sagt Horst Beiermann, pensionierter Polizist und Vorsitzender der Lilienthaler Verkehrswacht.
An diesem Montag, 9. April, bietet die Fahrschule Rudi Meyer in Lilienthal, Hauptstraße 75, ab 19 Uhr einen Info-Abend zum begleiteten Fahren ab 17 an. Doch auch bei allen anderen Unternehmen der Branche können Jugendliche und ihre Eltern mehr erfahren. "Dort wird man beraten. Wir sind den Fahrschulen sehr dankbar dafür, dass sie das tun", sagt Beiermann der Redaktion.
Niedersachsen war 2004 Vorreiter bei der Einführung des Führerscheins auf Probe. Bis 2008 zogen alle anderen Bundesländer nach. "Zehn Jahre haben wir dafür gekämpft", sagt Roswitha Bothe, Mitarbeiterin der Landesverkehrswacht in Hannover. Sie erinnert sich noch an die Wochen und Monate nach der Einführung: "Da klingelten die Telefone ständig." Besorgte Bürger schimpften über die Neuregelung und prophezeiten noch mehr Unfälle.
Passiert ist das Gegenteil. "Das war die beste Maßnahme, die jemals für diese Altersgruppe eingeführt wurde", schwärmt Roswitha Bothe. Nach Angaben der Landesverkehrswacht ging das Unfallrisiko der Fahranfänger schon in den ersten Jahren um 20 Prozent zurück. 2013 meldete das Statistische Bundesamt mit 26,7 Prozent den stärksten Rückgang bei den Todesopfern.
Warum das Unfallrisiko in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen so hoch ist, haben Wissenschaftler erforscht, wie die vom Bundesverkehrsministerium geförderte Kampagne "Begleitetes Fahren ab 17" im Internet unter www.bf17.de erklärt. Ein Grund ist das Anfängerrisiko, das unabhängig vom Alter besteht. Wer wenig Erfahrung hat, schafft es kaum, die Verkehrssituation zu überblicken, plötzlich auftauchende Gefahren zu erkennen und dann richtig zu reagieren. Dazu kommt das Jugendlichkeitsrisiko, eine verhängnisvolle Kombination von Risikobereitschaft und Selbstüberschätzung.
"Na klar, die jungen Leute sind leichtsinnig", sagt Horst Beiermann, der Verkehrswächter. "Die wollen ihre Muskeln spielen lassen und drücken das Gaspedal tiefer durch. Die wollen zeigen, was sie können. Ganz klar, die überschätzen sich. Sie haben ja noch keine Erfahrung." Der 77-Jährige erinnert sich an seine ersten Fahrten mit dem Vater auf dem Beifahrersitz. "Er wollte sehen, wie ich fuhr. Da wollte ich Gas geben, aber mein Vater sagte: 'Bleib' mal ein bisschen ruhig!'"
Unfallanalysen zeigen nach Angaben der Kampagne "Begleitetes Fahren ab 17", dass die größte Gefahr in den ersten Tagen und Wochen des Alleinfahrens droht. Mit zunehmender Fahrdauer sinkt das Unfallrisiko, nach neun Monaten ist es nur noch halb so hoch. "Diese Zahlen zeigen, wie wichtig Fahrpraxis für sicheres Autofahren ist", betont die Kampagne. Was zählt, ist Erfahrung. Erwachsene Bremser auf dem Beifahrersitz geben Jugendlichen Sicherheit.
Die Vorteile des begleiteten Fahrens liegen auf der Hand: Jugendliche dürfen ein Jahr früher Auto fahren, haben dabei aber stets eine erfahrene Person neben sich. Das kann nicht jeder Erwachsene sein. Die Begleitperson, die in der Prüfungsbescheinigung der Fahrschule aufgeführt ist, muss mindestens 30 Jahre alt und seit mindestens fünf Jahren im Besitz eines Führerscheins sein. Sie darf höchstens einen Punkt in der Verkehrssünderkartei des Kraftfahrtbundesamtes in Flensburg haben. "Erwachsene, die Jugendliche begleiten, müssen sauber sein", erklärt der Polizeisprecher Helge Cassens. Alkohol oder Drogen sind tabu, auch auf dem Beifahrersitz. "Sie sollen ja Vorbilder sein", betont Cassens.
Inzwischen hat die Fahrerlaubnis auf Probe mit dem Führerschein gleichgezogen. 2016 erwarben bundesweit etwa 36 Prozent aller Führerscheinprüflinge die Fahrerlaubnis mit 17 Jahren. Etwa 38 Prozent erhielten den Führerschein im Alter von 18 bis 24 Jahren, 26 Prozent waren noch älter. Auch im Kreis Osterholz kommt das begleitete Fahren gut an. "Hier gehen bereits seit der Einführung des Modellprojekts eine Vielzahl von entsprechenden Anträgen ein", berichtet Jana Lindemann, Sprecherin des Landkreises. "Die Möglichkeit, den Führerschein vor dem Mindestalter zu erwerben, wird gerne angenommen."