Landkreis Osterholz. Alle angehenden Erstklässler eines Jahrgangs durchlaufen im Landkreis Osterholz die sogenannten Schuleingangsuntersuchungen. Frauke Nitzschke und ihre vier Kolleginnen aus dem Kreisgesundheitsamt geben dabei zu jedem Kind eine Empfehlung für die Erziehungsberichtigen ab, ob die Kinder aus ärztlicher Sicht schulreif sind. Die Allgemeinmedizinerin leitet den kinder- und jugendärztlichen Dienst, der als eine Pflichtaufgabe der Kreisbehörde gilt. Und für die Eingangstests gibt es eine gesetzliche Teilnahmepflicht.
Im Sozialausschuss des Kreistags informierte Nitzschke jetzt über Ergebnisse und Erkenntnisse aus den Untersuchungen, für die etwa eine Stunde pro Kind zu veranschlagen sind. Demnach wurden im vergangenen Jahr 527 Jungen und 475 Mädchen begutachtet; am Ende wurde für 957 Kinder die Einschulung und für 45 Kinder eine Zurückstellung empfohlen.
"Wir schreiben die Eltern vorher an und erhalten außerdem auch die Einschätzungen aus den Kindergärten und Grundschulen", so Nitzschke. Dabei gehe der Dienst schulweise vor. Üblicherweise besuchen die Grundschullehrkräfte lange vor dem ersten Schultag die Kitas, um die sogenannte Lernausgangslage der jeweiligen Entlassjahrgänge zu ermitteln.
Bei den eigenen Untersuchungen im Gesundheitsamt nutzt Nitzschkes Team dann ein standardisiertes Verfahren, das vor zehn Jahren fürs Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen entwickelt wurde. Zu den Entwicklern dieses sozialpädiatrischen Screenings zählt der Bremer Psychologie-Professor Franz Petermann. Nach dessen Worten solle die frühe Erkennung von Entwicklungsrisiken möglichen negativen Schulerfahrungen vorbeugen.
Nach den Daten, die einmal jährlich ans Landesgesundheitsamt übermittelt werden, waren 747 der im Vorjahr untersuchten Kinder ohne Migrationshintergrund, bei 94 wurde im Erhebungsbogen keine Angabe gemacht und 161 besaßen einen beidseitigen Migrationshintergrund. Auf Nachfrage der Abgeordneten bestätigte Nitzschke, dass auch bei deutschstämmigen Kindern Sprachprobleme festgestellt würden. Altersgemäß beherrschten 942 Kinder die deutsche Sprache, davon 28 mit leichten Fehlern. Je 27 wurden als "mit erheblichen Fehlern" oder "radebrechend" eingestuft, fünf Kinder sprachen gar kein Deutsch. Insgesamt handele es sich nicht um dramatische Zahlen, so die Einschätzung der Medizinerin. Die Ausschussvorsitzende Marianne Grigat (SPD) äußerte Genugtuung: Von Zuwanderungsgegnern werde ja oft etwas anders behauptet.
Erhoben werden medizinische Daten wie Größe und Gewicht, Hör- und Sehfähigkeit sowie Impfstatus und die Einträge im U-Heft der Vorsorgeuntersuchungen. Die Amtsärztin betonte, entgegen der landläufigen Meinung gebe es keinen sehr hohen oder zunehmenden Anteil übergewichtiger Kinder. Die Fünfjährigen im Kreisgebiet seien zu mehr als 80 Prozent normalgewichtig, die übrigen gelten zu ungefähr gleichen Teilen als über- oder als untergewichtig. Die Hör- und Sehtests zeitigten ebenfalls positive Ergebnisse: zu mehr als 90 Prozent bestünden keine Auffälligkeiten, bei den übrigen Kindern bestehe ärztlicher Klärungsbedarf, wobei sich etliche auch bereits in Behandlung befanden.
Zufrieden zeigte sich Nitzschke auch mit der Impfquote: Je nach Krankheit waren rund 30 Kinder unvollständig geimpft. Rund 80 Prozent der Mädchen und Jungen gelten hingegen als durchgeimpft. Am höchsten lag die Quote mit jeweils weit mehr als 800 Kindern bei Polio, Diphterie und Tetanus; in mehr als 100 Fällen fehlten zwar die Impfbücher, trotzdem sprach Nitzschke von einem sehr guten Ergebnis. "Oft liegt die Auffrischung erst kurz vor der Einschulung und manche Untersuchungen finden Monate vorher statt, wenn die Kinder gerade erst fünf geworden sind." Der kinder- und jugendärztliche Dienst berate auch eingehend zu den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission.
Nur an der U 9 hapert es
Ärgerlicher sei da schon die Sache mit dem Vorsorgestatus, wo mehr als 25 Prozent des Jahrgangs noch nicht die sogenannte U 9-Untersuchung absolviert hatten. Dies liege wohl zum Teil an dem engen Zeitfenster, wonach die U 9 zwischen dem 60. und 64. Lebensmonat stattfinden soll. Doch ausgerechnet dieser oft letzte Arzt-Termin vor der Einschulung sei zugleich auch der einzige, an die Eltern nicht mehr eigens vom Staat erinnert werden. "Von der U 5 bis zur U 8 gibt es Hinweiskärtchen vom Landesamt für Soziales, Jugend und Familie", sagte Nitzschke. Der Sozialausschuss bat die Kreisverwaltung darum, eine entsprechende Anregung an das Landesamt zu schicken, dass die Erinnerungen auch auf die U 9 ausgedehnt werden.
Ob ein Kind vorzeitig eingeschult wird, liegt ganz allein bei den Eltern. Es gibt dabei im engeren Sinne keine Kann-Kinder mehr: Inzwischen gilt dafür die sogenannte Flexi-Regelung; demnach ist für eine vorzeitige Aufnahme kein Antrag mehr nötig, den eine Schule gegebenenfalls auch ablehnen kann. Eine entsprechende Beratung halte sie auch nicht für eine Aufgabe des kinderärztlichen Dienstes, bekannte Nitzschke. Wenn umgekehrt eine Zurückstellung empfohlen werde, dann gehe es in der Regel darum, das Kind noch in der Kita zu fördern, um ihm einen guten Schulstart zu ermöglichen.