Blockland. Harje Kaemena kennt Menschen, die keinen Käse mögen, sagt er. Aber jemanden, der kein Eis mag? Fehlanzeige. Kein Wunder also, dass der Biobauernhof Kaemena 2005 in die Speiseeisproduktion gegangen ist und ein Café auf dem Gelände eröffnet hat. Die Idee sei aufgekommen, da sich der Familienbetrieb mitten in einem Naherholungsgebiet befinde. „Niemand hat damit gerechnet, dass es so voll wird“, sagt er.
Im gleichen Jahr habe der Hof auf Bio umgestellt. „Ökologischer Landbau ist der richtige Weg für uns.“ Mit dem studierten Agraringenieur ist da gerade die nächste Generation auf den Hof gekommen. Der reguläre landwirtschaftliche Betrieb und die Eisproduktion würden gut zusammen funktionieren, sagt er. Jeweils einzeln könnten die Standbeine die mittlerweile vier Generationen der Kaemenas nicht ernähren. Mit seiner Frau Birte hat er vierjährige Zwillinge. Seine Eltern und sogar Großeltern leben mit ihnen auf dem Hof. „Meine Großeltern sind beide noch gesund“, erzählt er. Es sei eine große Herausforderung, vier Generationen unter einen Hut zu bekommen. „Aber wir ziehen alle an einem Strang und sind darauf stolz.“
Für die Eisproduktion brauchte die Familie neue Gerätschaften. „Das war eine große Investition, da hatten wir natürlich Bedenken.“ Es sei aber die richtige Entscheidung gewesen. Sie hätten eine Eisfachschule in Iserlohn besucht, um die Grundlagen zu lernen: Wie gehen Fruchteis und Milchspeiseeis, eigene Rezepturen. Das war eine super Grundlage, sagt er. Anschließend hätten sie sich bei Herstellern über verschiedene Maschinen informiert und ihre eigene Produktion zusammengestellt. Heute sind drei Festangestellte in die Eisproduktion eingebunden. Auch Birte verbringe viel Zeit damit. In der Saison helfen zudem 29 Kräfte auf 450-Euro-Basis aus.
„Es war klar, dass wir unsere eigene Milch verarbeiten“, sagt er. Angesichts negativer Meldungen aus der Massentierhaltung legten die Kaemenas besonderen Wert auf Transparenz. Die Stalltüren seien stets offen. Was die Zutaten angeht, würden sie sich an saisonalen Früchten orientieren und bei regionalen Bauern einkaufen. Aktuell bieten die Kaemenas Eis mit Holunderblütengeschmack an. Es stammt aus eigenen Anbau und soll so in keiner anderen Eisdiele zu finden sein, sagt er.
Regionale Zutaten
Da Beerenzeit ist, führt er auch Heidelbeeren im Sortiment. Die Erdbeerzeit höre langsam auf, aber Brombeeren kämen demnächst. Dann stünden Pflaumen und Zwetschgen auf dem Speiseplan. Im Mai sei Rhabarber sehr beliebt gewesen. Ein besonderes Projekt soll noch folgen: Eis mit dem Geschmack sibirischer Kiwis. Ein befreundeter Bauer in Martfeld baue die exotische Frucht an und erwarte die erste Ernte.
Kaemena ist ein Traditionsunternehmen. Seit 1802 bewirtschaften Bauern die heutige Hofstelle. Die Kaemenas verfügen über 77 Kühe. Gut die Hälfte ihres Milchertrages gehe mittlerweile in die hauseigene Milch- und Käseverarbeitung. Rund 30 000 Kilogramm Eis werden im hofeigenen Café im Sommer zu Kugeln geformt.
Eine Entscheidung, die bald ausgezeichnet werden könnte: Harje Kaemena ist im Rennen für die Auszeichnung „Landwirt des Jahres 2018“ des deutschen Landwirtschaftsverlags. Der sogenannte Ceres-Award ist nach der römischen Göttin des Ackerbaus benannt und mit 10 000 Euro Preisgeld dotiert. Am 18. Oktober steht fest, ob der Preis an den 37-jährigen Milchbauern im Blockland geht. Die Jury des größten landwirtschaftlichen Fachverlags aus München zeigte sich besonders von den kurzen Wegen beeindruckt: „Nur 100 Meter sind es von der Kuh bis zur Eismaschine“, heißt es im Juryentscheid der Vorrunde. In der Sparte „Geschäftsidee“ gehören die Kaemenas bereits zu den Favoriten aus ganz Bremen und Niedersachsen. Ein dritter Fachkategorie-Preis ist de Familienbetrieb schon sicher.
Er ist Agraringenieur und hat Groß- und Einzelhandelskaufmann gelernt. Seine kaufmännischen Kenntnisse seien auf dem Hof häufig gefragt. Birte Kaemena ist Bauingenieurin und selbst auf einem Hof in Schleswig-Holstein aufgewachsen. Kürzlich erst stand sie vor der Kamera: Eine Folge der neuen NDR-Serie „Die Heimatküche“ wurde auf ihrem Hof gedreht. Als Gastgeberin hat sie fünf andere Bauern aus dem norddeutschen Raum den Familienbetrieb gezeigt und sie bekocht. Als Dessert servierte sie ihr Speiseeis. Sie hat sich für Vanilleeis entschieden, das passe am besten zur roten Grütze. „Vor laufender Kamera zu kochen war aufregend“, erzählt sie. Ihre Gäste mussten jedoch selbst Hand anlegen und sich ihr Dessert eigenhändig herstellen – das gehört zum Konzept der Sendung. Die Teilnehmer besuchen sich gegenseitig auf ihren Höfen, tauschen sich aus und arbeiten mit. Auf ihrem Hof wurde die zweite von sechs Folgen gedreht. Davor war sie auf einem Spargel- und Erdbeerhof Richtung Hapstedt. Dort musste sie Spargel stechen. „Das habe ich noch nie in meinem Leben gemacht“, sagt die 35-Jährige, „es ist gar nicht so einfach.“
Um ihren Gästen regionale Spezialitäten zu servieren, hat sie sich für eine Zutat entschieden, die früher weit verbreitet war, heute jedoch in Vergessenheit geraten ist: den Bremer Scheerkohl. „Das ist eine ganz alte Gemüseart. Es ist eine Unterart des Rapses“, sagt sie. Im Bremer Umland gebe es nur noch zwei oder drei Betriebe, die Scheerkohl anbauen. Die Scheerkohlsoße gab es zu Tafelspitz und Sesamkartoffeln. Als Vorspeise kochte sie Bremer Knipp. Als Zwischengang hat Kaemena Pralinen serviert – natürlich aus der hauseigenen Rohmilch.