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Für bessere Ausbildungschancen Vorschlag für zusätzliches Schuljahr

Haupt- und Realschüler sollen freiwillig ein Jahr länger zur Schule gehen können. Für diesen Vorschlag spricht sich die Grasberger SPD-Politikerin Elke Schnakenberg aus.
03.02.2021, 09:00 Uhr
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Von Undine Mader

Grasberg. Die niedersächsische SPD will aufgrund der Corona-Pandemie ein zehntes Schuljahr für Hauptschüler und ein elftes Schuljahr für Realschüler vorschlagen. Auch die Grasberger SPD-Vertreterin Elke Schnakenberg spricht sich dafür aus. Über 40 Jahre hat sie Haupt- und Realschüler unterrichtet und bleibt im Ruhestand der Bildung treu, als Vorsitzende des Ausschusses für Schule und Bildung im Gemeinderat und in zwei SPD-Arbeitsgemeinschaften für Bildung auf regionaler Ebene und auf Landesebene.

Dort wird derzeit über die Verlängerung der Schulzeit für Haupt- und Realschüler um ein Jahr diskutiert. Elke Schnakenberg begründet dieses Angebot mit der Sorge um die Qualität der Abschlüsse. Ein zusätzliches Schuljahr könne die jungen Leute entlasten. Diese Empfehlung wolle sie daher in den Arbeitsgemeinschaften abgeben. Das Resultat der innerparteilichen Beratungen werde anschließend an den niedersächsischen Kultusminister herangetragen.

Ohne Makel des Sitzenbleibens

„Die Jugend soll das Recht haben, ein Jahr länger die Schule zu besuchen, ohne den Makel des Sitzenbleibens“, sagt Schnakenberg und betont, dass die Verlängerung freiwillig sein soll. Damit steht sie nicht alleine. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, kritisierte automatische Versetzungen oder den generellen Verzicht auf Notenvergaben und Sitzenbleiben in der Corona-Pandemie gegenüber dem Berliner „Tagesspiegel“ als ein Herumdoktern an Symptomen. Meidinger fordert seit Monaten, dass lernschwachen Schülern bundesweit ein Angebot gemacht werden solle, das Schuljahr freiwillig zu wiederholen. Genau wie die Grasbergerin Schnakenberg betont er, dass dieses Jahr nicht als Sitzenbleiben gewertet werden dürfe.

Schulschließungen, Wechselunterricht, Online-Unterricht, verlängerte Ferien – die Infektionsschutz-Maßnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie greifen massiv in den Schulalltag ein. Der Unterrichtsausfall sei hoch, sagt Schnakenberg. „Der Digitalunterricht kann das nicht auffangen.“ Gerade Kinder aus bildungsfernen Familien hätten Schwierigkeiten. Es genüge nicht, Tablets auszugeben. „Man muss auch den Zugang schaffen“, betont Schnakenberg. Hinzu komme: „Schule ist mehr als die Vermittlung von Stoff.“

Elke Schnakenberg zählt dazu auch die Berufsorientierung und Praktika ab der siebten und achten Klasse sowie deren Begleitung durch die Lehrer, Gruppenarbeiten, Präsentationen vor den Eltern oder die Arbeit in den Schülerfirmen dazu. All das entfällt pandemiebedingt und Digitalunterricht könne dies nicht ersetzen, genauso wenig wie den fehlenden Schulsport, ein Experiment in Chemie oder das Zusammensein in der Gruppe. Aber auch diese Jahrgänge sollen die Chance bekommen, in Ruhe herauszufinden, welche Ausbildung sie machen wollen.

Um das Angebot an Ausbildungsplätzen sorgt sich Schnakenberg ebenfalls. Es sei fraglich, ob und wie viele Azubis die Unternehmen in diesem Jahr ausbilden. Vor diesem Hintergrund sei es besser, wenn Haupt- und Realschüler ein Jahr länger lernen könnten, um ihre Abschlüsse zu bekommen oder zu verbessern. Sind es doch „genau diese Jugendlichen, die immer mehr ins Hintertreffen geraten“.

Betriebe zurückhaltend

Schon ohne Pandemie würden viele Hauptschüler nach der Schule „für ein Jahr in der BBS geparkt“, danach verschwänden sie in „irgendwelche Jobs“, ohne vernünftige Ausbildung. Nun fürchtet sie: „Die sozial Schwachen werden abgehängt.“ Ein für alle verpflichtendes zusätzliches Schuljahr sei darum noch besser, so Schnakenberg, auch wenn sie eines der möglichen Gegenargumente kennt: den Lehrermangel.

Dass es derzeit keine Praktika gibt, bedauert die Qualifizierungsberaterin bei der IHK Stade, Sonja Tiedemann. Über die Lage am Ausbildungsmarkt lasse sich noch wenig sagen. „Viele fahren mit angezogener Handbremse.“ Es gebe Branchen wie die Gastronomie oder den Reisesektor, die zurückhaltend seien. An anderer Stelle hingegen werden „händeringend Azubis gesucht“, etwa im Lebensmittel-Einzelhandel. Um Firmen und Auszubildende im Elbe-Weser-Raum zueinander zu bringen, organisieren die IHK, Arbeitsagenturen und Jobcenter gemeinsam vom 22. bis 26. März ein Online-Azubi-Speeddating (Informationen demnächst unter www.stade.ihk24.de). Ab 8. Februar können sich Unternehmen dafür anmelden, so Tiedemann. „Dann können wir sagen, wer tatsächlich noch Azubis sucht.“

IHK und die Arbeitsagenturen wollen die jungen Leute bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz unterstützen. Ziel sei, dass diese weiterhin alle Möglichkeiten haben, sich zu orientieren. Denn: „Die Chancen stehen gut für Haupt- und Realschüler.“ Erst wenn alles ausgeschöpft sei, sollte man über ein weiteres Schuljahr nachdenken, sagt Sonja Tiedemann, und gibt zu bedenken, dass keiner wisse, wie es mit Corona weiter geht. „Wenn sich die Schulsituation nicht ändert, was hätte man durch dieses eine Jahr gewonnen?“

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