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Geschäftsbericht: Türöffner in Adolphsdorf Herr Engelken knackt jedes Schloss

Wer beruflich Türen öffnet, die anderen verschlossen bleiben, der kann einiges erzählen. Der Adolphsdorfer Wilfried Engelken ist so einer. Mit seinem Schlüsseldienst hilft er Menschen oftmals aus höchster Not.
20.09.2021, 12:00 Uhr
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Von Irene Niehaus

Grasberg. Es ist eine Sache von Sekunden. Die Tür ist zu, der Schlüssel drinnen, der Mensch draußen. Meist folgen Wut und Verzweiflung. Wenn andere aufgeregt sind, bleibt Wilfried Engelken vom Schlüsseldienst aus Adolphsdorf ruhig. Er kriegt einfach alles auf - er ist Spezialist, wenn es um Türen und Tresore geht. Erfahrung, Fingerfertigkeit, Gefühl und sein Werkzeug - das hilft ihm als Türöffner.

Seine Kundschaft sind Privatleute, Polizei und Firmen. Manchmal dauert es einen Wimpernschlag, bis eine Tür aufgeht, manchmal Stunden. Mal benutzt er seinen Spezialdraht, mal die Flex. Es gibt Routineeinsätze, und es gibt kuriose Geschichten, von Menschen, denen Engelken aus der Klemme helfen konnte. Da war die Frau, die nach dem Duschen nicht mehr aus dem Bad konnte, weil die Türklinke abgefallen war. Sie musste durchs Fenster, rief Engelken, der wiederum auf demselben Weg ins Bad gelangte und die Tür mit Werkzeug von innen öffnen konnte. Und dann war da ein Kunde, der neue Türen bekommen hatte. Zu spät stellte er fest, dass die Fabrik die Schlösser verkehrt herum eingebaut hatte. Wilfried Engelken konnte auch hier helfen.

Nicht fragen

Nicht immer mag er seinen Job, nicht immer weiß er, was hinter einer verschlossenen Tür wartet. "Ich frage nicht nach, warum ich sie öffnen soll." Einmal war es eine hilflose Person, einmal ein natürlich Verstorbener, und dann jemand, der sich selbst ein Ende gesetzt hatte. Das jedoch seien Ausnahmen, sagt Engelken. Aber er half auch schon bei der Verbrecherjagd. Ausgerechnet an seinem Geburtstag bat ihn die Polizei, eine Haustür zu öffnen, hinter der sie Einbrecher wähnte. "Da hatte ich keine Angst, die kam dann später", erinnert sich Engelken. In einem anderen Fall sorgte er dafür, dass die Beamten mit einer Hundestaffel in ein Firmengebäude hineinkamen, in dem Kriminelle vermutet wurden. Fünf bis sechs Mal im Jahr beauftragt die Polizei den gelernten Schlosser, der sich im Jahr 2005 selbstständig machte.

Er habe gut zu tun, sagt er, manchmal schon zu viel. Er und andere ortansässige Kollegen genießen einen guten Ruf. Doch Schlüsseldienste gelten allgemein als Abzocker mit miesem Image. "Es gibt viele schwarze Schafe in der Branche", weiß der 71-Jährige und kennt ein Beispiel. Einmal hatte sich eine ältere Frau aus ihrer Wohnung selbst ausgesperrt. Sie beauftragte einen Schlüsseldienst. Der Mitarbeiter wechselte das Schloss aus und berechnete fast 1000 Euro. Die Frau zahlte, doch das neue Türschloss war dilettantisch montiert. Sie rief Wilfried Engelken an, der erkannte auf den ersten Blick  den Pfusch und bügelte den Schaden aus. Weil der Preis in einem Missverhältnis stand zur Leistung, schaltete er die Polizei ein.

Nachts das Doppelte

40 Euro kostet tagsüber sein Einsatz beim Türöffnen, plus Anfahrtspauschale, nachts nimmt er 80 Euro. Für seine moderaten Preise hat er einen Grund. "Arbeit und Dienstleistungen müssen bezahlbar sein, es muss alles im Rahmen sein." Für manche seien seine Pauschalen aber immer noch zu hoch, sagt der Grasberger.

Drinnen in seiner Werkstatt hängen und liegen eine Fülle verschiedener Schlüssel. Rohlinge und Bartschlüssel, alte und neue, große und kleine. Mit dem Original als Muster kann er an seiner Fräsmaschine Schlüssel nachmachen. Schlösser und Schlüssel faszinieren den 71-Jährigen. Er nimmt sie gerne unter die Lupe, liest Fachbücher, belegte Lehrgänge, interessiert sich auch für den Mechanismus von Türschlössern aus früheren Jahrhunderten und bewundert das alte Handwerk und alte Technik.

Drehen, tasten, fühlen

Tresore sind zwar nicht sein Hauptarbeitsbereich, aber so manchen Panzer musste er schon knacken. Dabei ist sein Ehrgeiz groß, den Mechanismus zu überlisten und hinter das Geheimnis des widerspenstigen Verschlusses zu kommen. Er ertastet vorsichtig den Widerstand im Schließzylinder und bringt ihn in die richtige Position. Bei den Tresoren heißt es dann drehen, tasten, fühlen. Und wenn es dann nach Stunden geklappt hat, lächelt er stolz und sagt sich "Ich weiß ja doch noch was."

Spezialisiert hat sich Engelken neben Schließanlagen und Türöffnungen auch auf Brandschutz und sicherheitstechnische Produkte. Er ist geprüfte Fachkraft für Rauchwarnmelder. Der Brandschutz, sagt er, sei wohl entstanden aus seinem Engagement für die Feuerwehr. Er ist seit vielen Jahrzehnten bei den Adolphsdorfern aktiv und auf Kreisebene Ausbilder.

Zur Sache

Wenn man ausgesperrt ist

Wer sich ausgeschlossen oder seinen Schlüssel verloren hat, sollte einen kühlen Kopf bewahren. Am besten sei es, einen Ersatzschlüssel bei Nachbarn zu hinterlegen, empfiehlt die Polizei. Sie rät, in der Not nicht den erstbesten Schlüsseldienst zu beauftragen, weder aus den Gelben Seiten noch bei Internetverweisen, sondern einen ortsansässigen. Seriöse Anbieter würden für eine Türöffnung werktags zwischen 8 und 18 Uhr bis zu 120 Euro nehmen, in den  Abendstunden und zur  Nachtzeit sowie an Wochenenden höchstens rund 200 Euro. Am besten sei es, die Rufnummer eines Schlüsseldienstes im Handy zu speichern oder bei Nachbarn zu deponieren. Die Kunden sollten bei der Arbeit des Türöffners auf unnötige Dienste und Leistungen achten (etwa Tausch von Schloss oder Schließzylinder), den Arbeitsvorgang beobachten, ob Abläufe notwendig und zeitangemessen sind, und auf Rechnung bezahlen und damit eine Sofortzahlung vermeiden. Zudem sollten Rechnungen nicht ungeprüft unterschrieben werden (Kleingedrucktes lesen); Leistungen und Preise sollten vorher besprochen und vereinbart werden. Im Zweifel sollte die Polizei unter 110 informiert werden.

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