Hambergen. „Was machst du da?“ zählt zu den Fragen, die kleine Kinder ihren Eltern wohl am häufigsten stellen. Mit dieser Frage klettern sie auf Küchentische und schauen beim Kartoffelschälen zu oder folgen in die Garage und beobachten die Versuche eines Erwachsenen, den Rasenmäher wieder in Gang zu bringen. Schön wäre es dann, wenn sich die Großen die Zeit nehmen könnten, den Kindern zu erklären, was sie dort gerade tun. Doch nicht selten hindern Zeitdruck oder gefährliches Handwerkszeug die Eltern daran, den Kindern Einblick zu gewähren.
Die Neugier und das Antworten will die Waldorfinitiative Morgenstern aufgreifen, die nun die alte Grundschule Ströhe als Kindertageseinrichtung übernommen hat. „Wir werden den Kindern die Möglichkeit bieten, alltägliche Handlungsabläufe nicht nur zu beobachten, sondern auch mitzumachen“, erläuterte am Rande der Einweihungsfeier die Leiterin der Kindertageseinrichtung, Liane Lütjen. Beim morgendlichen Frühstück lernen die Kinder unter Anleitung den richtigen Umgang mit Besteck, auch mit Messern, mit denen sie zum Beispiel Gemüse schneiden. Der Tisch wird gemeinsam gedeckt, die Lebensmittel werden vor- und zubereitet, und nach dem Frühstück wird alles von den Kindern und den Betreuern wieder abgeräumt.
„Bei uns wird jeden Morgen mit den Kindern gefrühstückt. Zusätzlich bieten wir ein Mittagessen an; die Zutaten dafür kommen von der Hofgemeinschaft Verlüßmoor und vom Gärtnerhof Kronacker", erläuterte Liane Lütjen. Von der Hofgemeinschaft beziehe die Kita Joghurt, Quark, Milch und Eier in Demeter-Qualität, die Gärtnerei Kronacker versorgt sie mit frischem saisonalen Gemüse.
Ströhe statt Verlüßmoor
Liane Lütjen hat ihre Ausbildung zur Erzieherin gemacht, nachdem die eigenen Kinder schon groß waren. Zu gerne hätte sie die Kindertagesstätte direkt auf dem eigenen Hof in Verlüßmoor eröffnet. „Aber dafür hatten wir dann doch nicht genug Räumlichkeiten“, sagt sie bedauernd. Nachdem sich andere Standortoptionen nicht als geeignet erwiesen hatten, sei das Gebäude der ehemaligen Grundschule in Ströhe in den Fokus gerückt.
Samtgemeindebürgermeister Reinhard Kock sagte in seinem Grußwort, dass nicht das Waldorf-Konzept der Kindertagesstätte für die Zustimmung der Gemeinde ausschlaggebend gewesen sei, sondern die Tatsache, dass damit die Samtgemeinde weitere 35 Betreuungsplätze bereitstellen konnte. „Mit dem Wissen, dass ab dem Betreuungsjahr 2019/2020 keine ausreichende Anzahl von Regel- und Krippenplätzen zur Verfügung gestanden hättn und die Realisierung von Kindertagesstätten-Neubauten frühestens im zweiten Halbjahr 2020 möglich ist, hat sich die Gemeindeverwaltung dazu entschlossen, den Ratsmitgliedern die Errichtung von 25 Regel- und zehn Krippenplätzen im früheren Grundschul-Gebäude in Ströhe vorzuschlagen“, sagte Kock. Er sei froh, dass die Ratsmitglieder die entsprechenden Beschlüsse gefasst hätten, „obwohl wir dafür die Zuständigkeitsregelungen ein wenig umgangen haben“.
Besonders dankbar zeigte sich Reinhard Kock dafür, dass mit der Hofgemeinschaft Verlüßmoor ein Träger gefunden werden konnte, der nicht nur zur Übernahme der Trägerschaft ab August 2019 bereit war, sondern der auch die Bereitschaft zeigte, einen zunächst auf zwei Jahre befristeten Versorgungsvertrag mit der Samtgemeinde abzuschließen.
Das Umbauziel sei ebenfalls durchaus sportlich gewesen, wie Kock rückblickend feststellte. „Erste Kostenschätzungen für den Umbau lagen zur Jahreswende 2018/2019 vor.„ Die Baugenehmigung sei am 22. Mai erteilt worden “Am 29. August erfolgte die Bauabnahme, sodass Frau Lütjen hier zum 2. September mit ihrem Team starten konnte“, schilderte Kock. Sein besonderer Dank gelte denjenigen, die sich um die zügige Realisierung des Projekts gekümmert hatten: Den Beschäftigten im Rathaus und beim Landkreis, dem Ritterhuder Planungsbüro HWB und natürlich den mit dem Umbau befassten Handwerksbetrieben. Die Gesamtkosten hätten bei 200 000 Euro betragen, so Kock weiter.
Die beiden Geschäftsführer der Trägereinrichtung, Johann Lütjen und Rainer Merkt, freuten sich, den Kindern über die Kindertagesstätte einen unverfälschten Einblick in die Produktion von Lebensmitteln geben zu können. „Es ist angedacht, mit den Kindern auch Ausflüge zu den Höfen zu unternehmen und ihnen zu zeigen, wo die Ausgangsprodukte für unsere täglichen Lebensmittel her kommen“, berichtete Liane Lütjen. Im nächsten Jahr solle ein Beet angelegt werden, in dem die Kinder Getreide und andere Pflanzen ansäen können. Das Getreide solle dann von den Kindern auch geerntet, gemahlen und zu Brot verarbeitet werden, versprach Liane Lütjen.
Doch bis dahin dauert es noch. Genug Zeit also, sich im Garten der Kindertagesstätte im Laub zu wälzen oder den Sandhügel runterzurollen. „Das gehört auch zu unserem Konzept: Die Kinder dürfen sich schmutzig machen oder mal nass werden“, so Lütjen.