Lilienthal. Um ihren Unmut über die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zu bekunden, haben sich an den vergangenen beiden Montagen jeweils 40 bis 50 Menschen in Lilienthal an sogenannten Spaziergängen beteiligt. Der nächste Protest dieser Art dürfte an diesem Montag vor dem Rathaus folgen, was die beiden großen Gruppen im Lilienthaler Gemeinderat dazu veranlasst hat, ein parteiübergreifendes "Bündnis für Demokratie" ins Leben zu rufen.
Die Initiatoren sind überzeugt davon, dass neben den Bürgern, die ihre Kritik an der Corona-Politik loswerden wollen, auch einzelne unterwegs sind, die mit Demokratie nichts im Sinn haben. "Wir haben es nach unserer Einschätzung mit einem in Teilen professionell gesteuerten Netzwerk und rechten Strukturen zu tun", heißt es in der Erklärung, die von Mitgliedern der Ratsgruppe von Bündnis 90/Die Grünen und Linken sowie der Ratsgruppe aus CDU, SPD und FDP ("Gemeinsam stark für Lilienthal") unterzeichnet ist. Ihr Anliegen ist es, den rechten Kräften die Stirn zu bieten, die nach ihren Erkenntnissen unter dem Deckmantel der Corona-Kritik aktiv sind. Dabei setzen sie darauf, dass sich auch andere Bürger oder Vertreter von Vereinen, Kirchen, demokratischen Parteien und Verbänden dem Bündnis anschließen.
"Mögen es zunächst Bürgerinnen und Bürger gewesen sein, die gegen Einschränkungen ihrer individuellen Freiheiten bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie bekämpft haben, folgen der straff organisierten und koordinierten neuen Sammlungsbewegung neben Verschwörungstheoretikern und Esotherikern auch Antisemiten, Reichsbürger und Neonazis", heißt es in der Erklärung, die die Gemeinderatsmitglieder unterzeichnet haben. Sie befürchten, dass die Proteste ein politisches Ziel bekommen. Worum es gehe, so sagen die Ratsleute, ließen die Märsche auf die Rathäuser erkennen. Sie seien die "Herzkammer der kommunalen Selbstverwaltung", heißt es in dem Anschreiben, das die Ratsleute erhalten haben.
Dem "Bündnis für Demokratie" nicht anschließen wird sich Ratsmitglied Claus Tietjen von den Wegbereitern. In einer Stellungnahme der Gruppierung, die bis vor Kurzem noch als "Querdenker" firmierte, weist deren Sprecher Ingo Wendelken darauf hin, dass man "trotz akribischer Recherche" unter den sogenannten Spaziergängern keine Links- oder Rechtsextremen, Islamisten, Antisemiten, Reichsbürger, gewaltbereite Extremisten oder Coronaleugner gefunden habe. Vielmehr handele es sich bei den Teilnehmern um einen Querschnitt durch die Lilienthaler Bürgerschaft. Die Wegbereiter hätten Wendelken zufolge großes Verständnis dafür, dass Menschen ihren Unmut auf friedvolle und stille Art zu Protest bringen: "Statt sie zu beschimpfen und ihnen extremes Gedankengut zu unterstellen, täte die Politik gut daran, auf die Menschen zuzugehen."