Lilienthal. Im Zeitalter des Internets und der Smartphones wirkt sie wie ein Relikt aus vergangenen Tagen. Doch die Sirene hat als Warnsignal längst noch nicht ausgedient. Die Feuerwehren brauchen sie im Alltag zur Alarmierung ihrer Einsatzkräfte zwar nicht mehr, dafür aber spielen sie im Konzept für den Katastrophenschutz eine wichtige Rolle. Wie schafft man es, die Bevölkerung bei drohenden Gefahren flächendeckend und auf direktem Weg zu warnen? Darüber macht sich auch die Lilienthaler Verwaltung ihre Gedanken und kommt zu dem Schluss: An der klassischen Sirene kommt man nicht vorbei. Sie gilt als zuverlässiges Mittel, das seinen Zweck erfüllt, wenn es darauf ankommt.
„Es geht darum, vorbereitet zu sein für den Fall, der hoffentlich nie eintritt“, sagt Jürgen Weinert, der im Rathaus unter anderem für die Gefahrenabwehr im Gemeindegebiet zuständig ist. Er gehört zu einem dreiköpfigen Team, das den Katastrophen- und Zivilschutz in Lilienthal wieder verstärkt in den Blick nimmt. Dazu gehört auch, dass die Gemeinde im kommenden Jahr Notstromaggregate anschaffen will, damit ein Krisenstab der Verwaltung und die Feuerwehren im Notfall arbeitsfähig bleiben. Mit hinein spielen aber auch die Sirenen: Die Gemeinde will sich genau ansehen, was noch da ist und was nötig wäre, damit die Bevölkerung im Fall der Fälle schnell Bescheid weiß. Für das kommende Jahr plant sie daher erst einmal eine umfassende Untersuchung der Sirenen-Landschaft, für die 15 000 Euro im Haushalt bereit gestellt werden sollen. Mit diesem Thema werden sich am Dienstag, 3. Dezember, die Politiker im Ausschuss für Bürger- und Innere Dienste befassen, wenn sie ab 18 Uhr im Rathaus zusammenkommen.
Acht Sirenen in den Ortsteilen
Wie überall in Deutschland wurden nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Wegfall der Kriegsbedrohung auch in Lilienthal Sirenen abgebaut. In der Ortsmitte und in Falkenberg gibt es schon viele Jahre keine mehr, auch weil die Feuerwehr sie mit der Einführung der Meldeempfänger für alle Feuerwehrleute nicht mehr für die Einsatz-Alarmierung benötigte. Was kaputt ging, wurde nicht mehr erneuert. Und so kam es, dass es jetzt nur noch Sirenen in den Ortsteilen Lilienthals gibt. Acht sind es insgesamt, zwei in Sankt Jürgen, zwei in Seebergen, eine in Heidberg und drei in Worphausen. Dass sie alle noch funktionstüchtig sind, zeigen sie mindestens einmal im Monat, wenn überall im Landkreis Osterholz der reguläre Probealarm ansteht und sonnabends um 12 Uhr der typische Heulton zu hören ist. Das Ganze ist zentral über die Leitstelle gesteuert, der Digitalfunk macht es möglich. Die Lilienthaler Sirenen sind bei der Umstellung mit Empfängern ausgestattet worden, mit denen sie auf Knopfdruck angesteuert werden können.
Ob neue Masten aufgestellt werden müssen, ob die vorhandenen Sirenen so aufgerüstet werden, dass auch Warnansagen über sie rausgeschickt werden können, all das wird noch zu klären sein. Unterschiede bei der technischen Ausstattung innerhalb der Gemeinde soll es nicht geben. „Man muss zusehen, dass alles einheitlich ist“, sagt Jürgen Weinert. Prognosen über die finanziellen Auswirkungen sind im Moment kaum möglich und lassen sich erst konkreter fassen, wenn die Ergebnisse der Untersuchung vorliegen. Bliebe es bei den klassischen Schall-Sirenen, müsste lediglich im Ortskern nachgerüstet werden, bei der Sprachlösung müsste man dagegen alle Sirenen umrüsten. Auch die Vorgaben des Bundes spielen eine Rolle. 2020 soll es laut Jürgen Weinert einen Erlass zu dem Thema geben. Im Rathaus erwartet man, darin konkrete Hinweise zu Technik, Ausstattung und Kostenträgerschaft zu erhalten. Eine Rechnung mit vielen Unbekannten, deshalb ist auch die Zahl, die in der Finanzplanung für 2021 genannt wird, mit Vorsicht zu genießen. Vorgesehen ist demnach eine Investition von 240 000 Euro. „Die Summe ist derzeit eher als Erinnerungsposten anzusehen, denn verlässliche Aussagen zu den finanziellen Auswirkungen sind noch nicht möglich und hängen auch davon ab, welcher Bedarf sich durch die Untersuchung ergibt und welche Technik zum Zuge kommt“, sagt Weinert.
Landkreis empfiehlt Sirenen
Die Gemeinde setzt auf die Sirenen, auch wenn es andere technische Lösungen gibt: Man könnte sicher auch über Lautsprecherwagen nachdenken oder Warn-Apps. Doch das ist der Verwaltung zu unsicher. „Nicht alle haben eine solche App auf dem Handy, und die Frage ist auch, ob das Ganze überhaupt noch funktioniert, wenn auf einmal Hunderttausende Menschen darauf zugreifen wollen. Zudem würde man nur einen Bruchteil der Bevölkerung informieren können“, sagt Weinert. Allein auf Radiodurchsagen könne man sich auch nicht verlassen. Die Gemeinde Lilienthal ist mit ihren Aktivitäten nicht allein. Der Landkreis Osterholz, der für den Katastrophenschutz zuständig ist, sobald die Gemeinden mit eigenen Bordmitteln nicht mehr weiterkommen, hat seine Planungen ebenfalls forciert. Die Osterholzer Behörde hat den Gemeinden empfohlen, dass sie Sirenen betreiben beziehungsweise nachrüsten sollen. „Sirenen sind ein wichtiges Medium, um die Bevölkerung bei größeren Schadensereignissen und auch im Katastrophenfall zu warnen“, sagt Landkreis-Sprecherin Jana Lindemann. Mit einer Sirenenwarnung sei es möglich, sehr schnell sehr viele Anwohner zu erreichen und so auf weitere Informationskanäle wie Fernsehen, Radio oder das Internet hinzuweisen. „Das ist der große Vorteil“, so Lindemann.
Für die tägliche Arbeit der Feuerwehr spielen die Sirenen keine Rolle mehr. Gemeindebrandmeister Andreas Hensel verweist darauf, dass die einzelnen Feuerwehrleute schon lange mit Meldeempfängern ausgestattet sind, über die sie bei Bedarf alarmiert werden.