Ein Hahn will krähen und er darf es auch. Zumindest jener Gockel, der aus Sicht von Anwohnern in Worphausen für Unruhe gesorgt hat. Weil die Nachbarn das Krähen des Tieres "unzumutbar" beeinträchtigt habe, trafen sie sich mit den Eigentümern nun vor dem Amtsgericht in Osterholz-Scharmbeck. Der Hahn musste zwar draußen bleiben – aber er bekam recht. Er darf auch weiterhin leben und krähen, das Gericht wies die Klage ab.
Kläger und Beklagte streiten in dieser Sache schon eine ganze Weile. Schon Mitte 2021 hatte es ein Schiedsverfahren gegeben. In dem Zivilprozess vor dem Amtsgericht forderten die in einem allgemeinen Wohngebiet lebenden Kläger nun abermals, dass ihr Nachbar die durch die Geräusche entstehenden Beeinträchtigungen zu unterlassen habe. Verursacht werde der Lärm durch das auf dem Grundstück befindliche Hühnervolk und eben den Hahn. Hahn- und Hühnerbesitzer wiederum beantragten, die Klage abzuweisen, weil nach ihrer Auffassung vom Hahn keine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht. Um der Sache auf den Grund zu gehen, hat das Gericht ein Sachverständigengutachten eingeholt, auch auf Wunsch der beiden Kontrahenten.
Dieser Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die Geräusche der Hühner und des Hahnes die in der sogenannten „Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm“ hinterlegten Werte nicht überschreiten. In der auch als Lärmfibel bezeichneten "TA Lärm" ist unter anderem aufgeführt, wie hoch die Immissionsrichtwerte und die Immissionsgrenzwerte am Tag und in der Nacht in allgemeinen Wohngebieten sein dürfen. Demnach dürfen die Richtwerte am Tag 55 Dezibel und in der Nacht 40 Dezibel betragen. Die Grenzwerte liegen am Tag bei 59, bei Nacht bei 49 Dezibel. Zum Vergleich: Die sogenannte Zimmerlautstärke liegt zwischen 30 und 40 Dezibel.
Hinzugezogen worden war ein Diplomphysiker und Sachverständiger für Lärmimmission, Bau- und Raumakustik. Sein Gutachten, das der Redaktion vorliegt, umfasst 26 Textseiten mit 13 Seiten Anhang und 38 Abbildungen. Aus der Arbeit geht hervor, dass der Sachverständige am 4. April 2024 eine Dauermessstation im Garten der Kläger aufgebaut und in Betrieb genommen hat. Ein dort platziertes Mikrofon war auf das Grundstück der Hahn- und Hühnerbesitzer gerichtet. Gut drei Wochen später, am 29. April, sei die Station wieder abgebaut worden.
Hahn und Hühner haben sich in dieser Zeit offenbar anständig verhalten. Zumindest lässt der Sachverständige in seinem Gutachten wissen, dass die Schallimmissionen des Hahnes im Rahmen der Messdaten tagsüber um mindestens sechs Dezibel, nachts um mindestens ein Dezibel, größtenteils jedoch um mehr als acht Dezibel unter den Immissionsrichtwerten der TA Lärm gelegen haben. Relevante Schallimmissionen am Immissionsort seien „praktisch durchgehend“ auf Fremdgeräusche zurückzuführen. „Der Richtwert der TA Lärm für kurzzeitige Geräuschspitzen wird sowohl tagsüber als auch nachts ebenfalls unterschritten.“
Hahn und Halter kam dieses Ergebnis entgegen, denn auch Zivilrichterin Kyra Wilde kam zu dem Schluss, dass das Gutachten in sich schlüssig und nachvollziehbar sei. Daher sei entgegen der Auffassung der Kläger kein weiteres Gutachten zum subjektiven Empfinden der Geräusche einzuholen. „Auf das subjektive Empfinden des Gestörten kommt es grundsätzlich nicht an“, so Wilde im Zuge der Verhandlung. Daher wies sie die Klage ab. Der Kläger hat inzwischen allerdings beim Landgericht in Verden Berufung gegen das Urteil eingelegt. Insofern ist der endgültige Ausgang noch offen.