Graubraun gefiederte Feldgänse tragen dazu bei, dass zwei große Bereiche im St. Jürgensland vom Landkreis Osterholz nicht als Vorranggebiete für Erzeugung von Windenergie vorgesehen sind. Wegen der Bedeutung für die Vogelwelt sind Flächen im Westen und Osten des Landstrichs durchs Raster gefallen und tauchen in dem frisch vorgelegten Entwurf der Kreisbehörde für das Regionale Raumordnungsprogramm (RROP) nicht mehr auf. Übrig geblieben ist ein Bereich in Oberende rings um die bereits vorhandenen Windräder. Bleibt es dabei, fällt Lilienthals Beitrag zur Energiewende deutlich kleiner aus als gedacht. Das letzte Wort ist darüber aber noch nicht gesprochen.
Dass das St. Jürgensland für Zug- und Rastvögel und andere Vogelarten bedeutsam ist, hatten die Fachleute der Kreisbehörde bereits auf dem Zettel. Sie sahen die zuvor festgelegten Ausschlusskriterien als erfüllt an. Als sei es eine Bestätigung dieser Einschätzung, gab der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) auf den letzten Drücker noch den Hinweis, dass das St. Jürgensland insbesondere als Rastgebiet für die Blässgans von nationaler Bedeutung ist. Die Information erreichte das Kreishaus so spät, dass dieser Aspekt in dem Entwurf nicht mehr untergebracht werden konnte. Die Unterlagen waren schon verschickt. Im Nachgang sollen sie aber überarbeitet werden.
Landwirt macht Druck
Die Nachricht, dass St. Jürgen West und Ost als Suchgebiete entfallen sollen, hat sich in der Gemeinde schnell herumgesprochen. Bei der Sitzung des Lilienthaler Gemeinderates am Dienstagabend nutzte Hermann Meyer die Gelegenheit, in der Einwohnerfragestunde bei Bürgermeister Kim Fürwentsches nachzuhaken. Meyer ist einer der Grundstückseigentümer der Flächen, auf denen der Baywa-Konzern einen großen Windpark errichten will. Der Landwirt aus Oberende machte aus seiner Enttäuschung keinen Hehl. Sollten sich die Pläne tatsächlich zerschlagen, würden der Gemeinde jährlich Einnahmen von mehr als einer Million Euro entgehen, die die Betreiber der Windparks als Abgabe zu entrichten hätten, sagte er in der großen Runde im Ratssaal. Auch den kleineren landwirtschaftlichen Betrieben würden die Windparks guttun. Meyer unterstrich am Tag nach der Ratssitzung, dass er von der Gemeinde erwarte, dass sie nun beim Landkreis Druck macht, damit die Flächen im neuen RROP doch noch als Vorranggebiete ausgewiesen werden.
Bürgermeister Kim Fürwentsches will die Unterlagen des Landkreises und die Argumente für den Ausschluss der beiden Flächen im St. Jürgensland prüfen. Auch er sei überrascht gewesen, als er erfuhr, dass die beiden Bereiche nicht mehr berücksichtigt werden sollen. "Wir werden uns die Begründung anschauen und dann abwägen, ob wir mitgehen können oder nicht", sagte Fürwentsches am Mittwoch auf Nachfrage. Es sei auf der einen Seite klar, dass jede Fläche, die nicht für die Erzeugung von Windenergie entwickelt werden könne, nicht zur Energiewende beitragen können. Auf der anderen Seite gebe es aber auch naturschutzrechtliche Argumente, die gegen den Bau von Windrädern sprächen. "Windenergie nach dem Motto, koste es, was es wolle, kann nicht der Weg sein", sagte Fürwentsches. Der Bürgermeister will die Angelegenheit unter die Lupe nehmen. Dabei wird er sich mit den Fachleuten im Rathaus auch noch einmal mit dem Gutachten des Fraunhofer-Instituts auseinandersetzen, das landesweit die potenziellen Standorte für Windenergie herausgearbeitet hatte und dabei zumindest auch St. Jürgen West als grundsätzlich geeignet eingestuft hatte. Grund zur Eile sieht der Bürgermeister nicht: Bis November habe die Gemeinde Zeit, im Zuge des vorgesehenen Beteiligungsverfahrens eine Stellungnahme abzugeben.
Auch Heudorf entfällt
Erst einmal wird sich die Kreispolitik mit dem Entwurf befassen: Am Mittwoch, 5. Juni, wird sich der Ausschuss für Umwelt und Planung erstmals mit dem Entwurf des Teilprogramms Windenergie zum RROP auseinandersetzen. Stimmt die Politik dem Fahrplan zu, soll der Entwurf öffentlich ausgelegt werden und dann im Juli ein Beteiligungsverfahren starten, das im Herbst abgeschlossen sein soll. Der Landkreis rechnet damit, dass die Auswertung einige Zeit in Anspruch nehmen wird und schätzt, dass sich die Politik frühestens im zweiten Quartal 2025 mit den Ergebnissen befassen wird. Der Landkreis plant zudem für den Herbst öffentliche Informationsveranstaltungen. Entfallen sind übrigens nicht nur die beiden Flächen im St. Jürgensland, gestrichen worden ist auch der Suchraum in Heudorf wegen seiner internationalen Bedeutung als Rastplatz für Kraniche.