Lilienthal. Die meisten werden sich kaum noch daran erinnern: 26 Jahre ist es her, dass es in Lilienthal schon einmal eine Carsharing-Station gab. Mangels Nachfrage musste sie wieder geschlossen werden. „Wir waren mit diesem Angebot einfach viel zu früh dran“, sagt Kerstin Homrighausen vom Anbieter Cambio. Die Zeiten haben sich geändert: Lilienthal ist gewachsen, die Straßenbahn ist da und auch die Einstellung vieler Menschen zum Thema Mobilität und Besitz hat sich gewandelt. Grund genug für das Bremer Unternehmen, jetzt in Lilienthal einen neuen Anlauf zu nehmen.
Auf dem Parkplatz der Diakonischen Behindertenhilfe an der Moorhauser Landstraße befindet sich die neue Station, die mit zwei silbernen Ford Fiesta bestückt ist. Mit dem Lilienthaler Ableger will der Carsharing-Betreiber die Station entlasten, die es schon länger in Borgfeld gibt. Die Nachfrage aus Lilienthal nach den Autos an der Borgfelder Station hat sich nach Angaben von Cambio in diesem Jahr spürbar erhöht. "Es ist an der Zeit, den 80 Kunden, die wir jetzt schon in Lilienthal haben, entgegen zu kommen und ihnen lange Anfahrtswege zu den Cambio-Autos zu ersparen. Wir rücken jetzt näher an sie heran“, sagt Lasse Schulz, Prokurist und Stationsnetzentwickler der Cambio Stadtauto Bremen Carsharing GmbH.
Angebot kam von der Behindertenhilfe
Cambio war schon auf der Suche nach einem passenden Standort in Lilienthal, als der Anruf der Diakonischen Behindertenhilfe kam: Deren Geschäftsführer Christoph vom Lehn hatte sich nämlich unabhängig davon überlegt, dass es der Gemeinde Lilienthal gut zu Gesicht stünde, wenn es dort auch Carsharing gebe. Und weil abzusehen war, dass ein Standort an zentraler Stelle nur schwer zu finden sein würde, bot er Cambio die beiden Parkplätze vor dem Verwaltungsgebäude an der Moorhauser Landstraße 3b an.
„Wir sehen uns als Gestalter der Gemeinde“, sagt der Chef der Behindertenhilfe. Ökologische Nachhaltigkeit sei ein großes Thema in der Einrichtung mit ihren 500 Mitarbeitern. Und so sei es naheliegend gewesen, sich auch mit der Idee vom geteilten Auto zu befassen. Das neue Angebot vor der Haustür sieht der Chef der Diakonischen Behindertenhilfe auch als einen Baustein an, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Mitarbeiter hätten so die Gelegenheit, bei Bedarf nach der Arbeit auf die Cambio-Autos zurückzugreifen. Doch es geht nicht nur um die Freizeit: Die Diakonische Behindertenhilfe plant, die Cambio-Autos künftig auch für Dienstfahrten zu nutzen. Eine endgültige Entscheidung dazu steht laut vom Lehn noch aus. Bei Cambio wäre man ziemlich erfreut, einen solchen „Ankermieter“ zu bekommen. Denn der gewähre unter der Woche eine regelmäßige, fest kalkulierbare Auslastung.
Cambio-Geschäftsführerin Kerstin Homrighausen ist angesichts der Entwicklung Lilienthals in den vergangenen Jahren überzeugt, dass die Zeit reif ist für ein solches Carsharing-Angebot im Ort. "Die Gemeinde Lilienthal wächst stark und verfügt mit der Straßenbahn über eine sehr gute ÖPNV-Anbindung. Ein Leben ohne eigenes Auto oder Zweitwagen wird unter diesen Voraussetzungen auch im ländlichen Raum für viele Menschen denkbar“, sagt sie. Wenn Menschen dazu kämen, ihren Zweitwagen abzuschaffen oder ihr schlecht genutztes Auto abzustoßen, um auf Carharing umzusteigen, sei die Mission des Unternehmens erfüllt. "Teilen statt besitzen ist unser Ansatz", sagt sie.
Die beiden Ford Fiesta hat das Unternehmen ausgewählt, weil dieses Kleinwagen-Modell nach allen Erfahrungen bei den Kunden gut ankomme, berichtet Lasse Schulz. Zum einen reiche der Platz den meisten für die vorgesehenen Fahrten aus, zum anderen gelten vergleichsweise günstige Tarife für diese Fahrzeugkategorie. Um eine möglichst hohe Verfügbarkeit insbesondere an den Wochenenden zu gewährleisten, sind gleich zwei Autos dieses Modells in Lilienthal stationiert worden.
Wer Carsharing in Anspruch nehmen will, muss sich bei Cambio registrieren lassen. Übers Internet, per Telefon oder App können sich die Kunden die Autos stunden- oder auch gleich tageweise reservieren. Was sie am Ende zu zahlen haben, richtet sich zum einen nach der Nutzungsdauer, aber auch nach den Kilometern, die mit dem Auto zurückgelegt werden. Das Einchecken jedenfalls funktioniert denkbar einfach: Die Kundenkarte wird vor einen Sensor an der Windschutzscheibe gehalten, dann öffnet sich das Fahrzeug. Im Handschuhfach befinden sich dann die Schlüssel und ein Bordcomputer. Sobald die Daten erfasst sind, kann der Wagen ganz normal gestartet werden. Kilometer und Fahrzeit werden automatisch registriert und später abgerechnet.
Cambio hat nach eigenen Angaben fast 16 000 Kunden in Bremen und Bremerhaven und verfügt über insgesamt 340 Autos an 98 Stationen.