Nach dem Buch "Als die Hoffnung starb" des Heimatvereins und der großen Ausstellung im Bremer Focke-Museum schien das Leben und Schicksal der jüdischen Fotografenfamilie Frank aus Lilienthal aufgearbeitet zu sein. Doch wie sich jetzt zeigt, zieht die Geschichte weitere Kreise: In Kleinmachnow nahe Berlin soll am 24. September ein Stolperstein verlegt werden, der an Eduard Frank erinnert. Er wurde 1877 in Lilienthal als ältester Sohn von Julius Frank senior geboren, der sich im Ort als Fotograf niedergelassen hatte und an der Hauptstraße sein Geschäft betrieb. Sohn Henry übernahm den Laden später und machte sich als Porträtfotograf einen Namen. Sein Bruder Eduard schlug andere Wege ein, absolvierte eine Lehre zum Verkäufer und Dekorateur in Bremen, wurde zum Militär eingezogen, ging danach zunächst nach Stendal und kam 1939, ausgegrenzt und drangsaliert von den Nationalsozialisten, für ein halbes Jahr in Kleinmachnow unter.
Dort engagiert sich eine örtliche Stolpersteingruppe dafür, dass der Leidensweg von Eduard Frank nicht in Vergessenheit gerät. Bei ihren Recherchen hat die Initiative auch Kontakt zum Focke-Museum aufgenommen, zudem hakte sie auf der Suche nach weiteren Details beim Heimatverein nach. Harald Kühn und Peter Richter haben bei der Arbeit an ihrem Buch über die Franks vor allem den Fotografen-Zweig der Familie in den Blick genommen. Sie war ebenfalls der Ausgrenzung und Verfolgung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt, was dazu führte, dass Julius Frank junior das vom Vater übernommene Geschäft an der Hauptstraße aufgeben musste und 1936 in die USA flüchtete. Dass Henry Frank noch Geschwister gehabt haben könnte, hatten die beiden Autoren geahnt, diese Spur aber nicht weiter verfolgt. Umso mehr ist Harald Kühn jetzt erfreut, dass die Kleinmachnower dieses Kapitel der Familiengeschichte zusammengetragen haben.
Ist das Rätsel des alten Fotos gelöst?
Auch wenn es zunächst nicht so aussah, können die Heimatforscher aus Lilienthal der Initiative aus Brandenburg vielleicht sogar weiterhelfen. Als die Frage nach einem Foto aufkam, auf dem Eduard Frank abgebildet ist, erinnerte sich Harald Kühn an das Titelbild des Buches, das etwa 1929 entstanden ist. Es zeigt sechs Personen, die in vertrauter Atmosphäre am Haus an der Hauptstraße zusammen sind. Bis auf einen Mann und eine Frau konnte der Heimatverein alle aus der Runde zuordnen. Vieles spricht aus Sicht von Harald Kühn dafür, dass es sich bei dem unbekannten Paar um Eduard und dessen Frau Hermine Sophie gehandelt haben könnte. Vom Zeitpunkt der Aufnahme her könnte es passen, die Ähnlichkeit mit Henry spräche dafür, das mutmaßliche Alter der beiden, aber auch die Tatsache, dass es sich um niemanden handelt, der zum ortsbekannten Freundeskreis der Franks gehörte. Gewissheit gebe es nicht, aber immerhin einen Ansatz, sagt Harald Kühn.
Eduard Frank hatte in Stendal im Textilkaufhaus Gustav Dobrin zunächst als Schaufenster-Dekorateur gearbeitet, später als Einkäufer. 1938 wurde das Kaufhaus laut der Recherchen der Stolpersteingruppe "arisiert", der jüdische Eigentümer musste aufgeben. Die Belegschaft mit rund 60 Mitarbeitern sei bis auf Eduard Frank komplett übernommen worden. Das Arbeitsverhältnis des leitenden Angestellten sei nach 37 Jahren aufgrund der jüdischen Herkunft aufgelöst worden. Frank wurde im Zuge der Novemberpogrome 1938 von der Gestapo verhaftet und in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert und dort laut Stolperstein-Initiative schwer misshandelt.
Nach der Entlassung folgten Arbeitslosigkeit, Arbeitsverbote und Verpflichtungen zur Zwangsarbeit. Auf behördliche Anordnung musste er sich im April 1939 von seiner Frau und den drei Kindern trennen. Eduard Frank wechselte danach häufig den Wohnort, die Stolpersteingruppe Kleinmachnow nimmt an, dass er ein Leben im Untergrund führte, um der Verfolgung durch die Nazis entgehen. Bis zum Einmarsch der Alliierten und dem Kriegsende lebte er für rund zwei Monate versteckt in einem Haus von Verwandten. Frank starb am 1. Mai 1960. "Um Entschädigungen musste er bis an sein Lebensende kämpfen", schreibt Cordula Persch-von Lange aus Kleinmachnow.
Im Bremer Focke-Museum begrüßt man es, dass sich die Gruppe in Brandenburg aufgemacht hat, an Eduard Frank als Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. Die Recherchen seien Zeugnis einer weiteren Initiative, der Familie Frank Gerechtigkeit zu kommen zu lassen, sagt Karin Walter, die Kuratorin der Frank-Ausstellung.
Auch Harald Kühn vom Lilienthaler Heimatverein findet es enorm wichtig, die Erinnerung wachzuhalten, und dies auch vor dem Hintergrund der jüngsten Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen. Der Kreis schließt sich für ihn auch insoweit, als vor dem Haus der Franks 2014 ebenfalls Stolpersteine verlegt worden sind, die an Julius Frank und dessen Bruder Ludwig erinnern. Er war 1938 verhaftet und ins KZ Oranienburg gebracht worden und wanderte später, traumatisiert von dem Erlebten, nach Kanada aus.