Viel Platz benötigen sie heute nicht. Volker Bohnert beschränkt sich auf die Hälfte des Strafraums, als er seine bunten Markierungen in regelmäßigen Abständen aufstellt. Das Training findet dieses Mal lediglich zu dritt statt. Nebenan scheinen die Wümme-Tigers, eine Freizeit-Gruppe, personell gesehen im schieren Überfluss zu leben. Sie können gleich vier Mannschaften bilden und bestreiten zwei Spiele parallel. Davon ist die Walking Football-Gruppe des SV Lilienthal-Falkenberg noch weit entfernt. Aber aller Anfang ist bekanntlich schwer, und das neue Angebot gibt es im Verein schließlich erst seit Kurzem.
Dabei waren sie zwischenzeitlich schon einmal zu siebt, lässt Volker Bohnert nicht unerwähnt. Er ist einer der Initiatoren von Walking Football bei den Blau-Gelben. Über 40 Jahre spielte der 70-Jährige bei den Wümme-Tigers, bis er merkte, dass er doch in die Jahre gekommen war, wie er selbst sagt. "Der Fußball hat mich aber nie losgelassen", erzählt der Lilienthaler. Volker Bohnert wollte dem runden Leder treu bleiben und erkundigte sich, wie er dies am besten anstellen könnte.
Er landete ziemlich schnell bei Walking Football. Was ihm auf Anhieb gefiel: dass es kein starres Regelwerk gibt. Es wird alles freier gehandhabt. Es kann in 5er, 6er oder 7er-Teams gespielt werden. Das Spielfeld kann von den offiziellen 21x42 Meter abweichen. Und die Tore sind normalerweise zwar drei Meter breit und einen Meter hoch, dürfen im Training oder bei Turnieren aber ebenfalls anders ausfallen. Ebenso sind Frauen erlaubt, um nicht zu sagen: In Lilienthal sind sie ausdrücklich erwünscht. "Uns ist es wichtig, dass auch Frauen mitmachen können. Es tut dem Spiel gut, es ist dadurch nicht so ruppig", erzählt Ulrich Wahl, ein Teilnehmer der ersten Stunde.
Ruppig kann es beim Walking Football dabei eigentlich gar nicht zugehen, denn Körperkontakt ist schlicht nicht erlaubt. Und natürlich ist das prägnanteste Merkmal die Geschwindigkeit. Sie ist deutlich reduziert, weil ein Fuß – analog zum Gehen – immer Bodenkontakt haben muss. Das einzuhalten, fällt nicht immer leicht. "Unser zwei gegen eins von eben war eigentlich schon grenzwertig", sagt Volker Bohnert. Die Trainingsform erfordert doch etwas mehr Bewegung als vorgesehen.
Trotzdem geht es beim Walking Football wesentlich moderater zu. Das ist es, was Detlef Rese daran gereizt hat. Früher spielte er für die TSG Wörpedorf-Grasberg-Eickedorf, nun hat er ein neues Hüftgelenk und über seinen Schwiegersohn erfahren, dass beim SV Lilienthal-Falkenberg "Fußball im Gehen" angeboten wird. Da er von seinem Arzt striktes Kontaktsportverbot bekommen hat, bot sich Walking Football direkt an. Ulrich Wahl spielte bis zuletzt in der Ü65 des SV Lilienthal-Falkenberg, aber er sei für das Spiel zu verletzungsanfällig geworden, sagt er. Auf Fußball komplett verzichten, wollte aber auch der 81-Jährige nicht.
2011 in England entstanden
Die Lilienthaler sind sicher, dass Walking Football auch für andere eine interessante Alternative darstellt. Die Sportart erfreut sich seit ihren Anfängen 2011 in England wachsender Beliebtheit – auch in Deutschland. "Fußball im Gehen ist die perfekte Alternative für alle, die gerne Fußball spielen und sich mit dem Ball bewegen möchten, denen der reguläre Fußball jedoch zu schnell, zu körperbetont oder zu intensiv ist oder die eine eingeschränkte Mobilität haben und sich daher im klassischen Ü-Fußball nicht wiederfinden", sagt Claas Reckmann aus dem Vorstand des SV Lilienthal-Falkenberg.
Walking Football soll im Verein weiter wachsen. Das ist das Ziel. Noch ist es ein loses Angebot in der Fußball-Sparte, aber soll schon bald fest etabliert sein. "Die Mitgliedschaft ist schon ausgehandelt. Wir zahlen 50 Prozent weniger, weil wir nicht am Spielbetrieb teilnehmen und deswegen weniger Kosten verursachen", erklärt Volker Bohnert. Und wer weiß? Vielleicht schafft es die Gruppe, auf zwölf Spieler und Spielerinnen anzuwachsen. "Dann könnten wir sechs gegen sechs spielen", sagt Ulrich Wahl. Dann bräuchten sie schon mehr Platz als einen halben Strafraum.