Lilienthal. „Die Lage ist super, direkt an der Straßenbahnhaltestelle“, sagt Karen v. Grote von der Teilhabeberatung für Menschen mit Behinderungen. Mit dem Umzug vom Neuenkirchener Weg mitten ins Zentrum von Lilienthal sei die Hemmschwelle gesunken, freut sich die Juristin und Sozialpädagogin, die jetzt von Christiane Stöckler unterstützt wird. Die Psychologin kümmert sich um die Peer-Beratung, eine Beratung von Betroffenen für Betroffene. Am Freitag, 6. September, feiert die Einrichtung die offizielle Eröffnung im „Lilienhuus“ an der Hauptstraße 82.
Mit dem gläsernen Fahrstuhl geht es hoch in den zweiten Stock des markanten Neubaus. Über einen Außenbalkon führt der Weg vorbei am Aufenthaltsraum in das Büro der Teilhabeberatung Aller-Weser-Wümme. Ein runder Tisch lädt zum Gespräch ein. Am Tisch sitzt Christiane Stöckler. Die 38-Jährige ist vom Hals an querschnittsgelähmt. Ein Unfall hat sie mit 20 Jahren an den Rollstuhl gefesselt. Christiane Stöckler hat nicht aufgegeben, sondern studiert, um anderen zu helfen. Stöckler: „Ich weiß, welche Erfahrungen Menschen mit Behinderungen machen, kenne die Barrien. Umso besser kann ich mich in ihre Lage versetzen und umso schneller kann ich Vertrauen aufbauen.“
„Die Hürden für Behinderte sind nach wie vor hoch“, sagt Karen v. Grote. „Der gesetzliche Anspruch auf Teilhabe ist zwar da, aber häufig fehlt die Infrastruktur.“ Genau da setzt die Teilhabeberatung an. Sie zeigt Möglichkeiten zur Teilhabe auf, hilft bei Anträgen und Formularen, übersetzt Behördenbriefe. Ganz besonders schwierig sei die Situation für Menschen mit psychischen Problemen wie Angststörungen oder Depressionen. Diese beträfen mehr und mehr auch junge Leute, weiß v. Grote: „Das ist ein gesellschaftliches Problem. Menschen halten den Belastungen nicht mehr stand und zerbrechen daran.“
Mehr als 220 Beratungen haben v. Grote und Stöckler in den vergangenen Monaten durchgeführt. Dabei ging es vor allem um Themen wie Pflege, Arbeit, aber auch Mobilität. So sei es gar nicht so einfach, eine Unterstützung für einen Behindertentransport zum Theater zu bekommen, weiß v. Grote. Die Behörden seien da sehr restriktiv, auch wenn es einen Anspruch auf Teilhabe am kulturellen Leben gebe, sei nicht alles bezahlbar. „Das ist manchmal frustrierend“, sagt die Beraterin.
Ein großes Thema in der Beratung ist das sogenannte persönliche Budget. Menschen mit Behinderung, die das Budget erhalten, müssen davon alle Kosten für Betreuung und Pflege bestreiten. Das ist die Theorie. In der Praxis seien die Betroffenen nicht selten überfordert, so v. Grote. „Das Budget bedeutet maximale Selbstbestimmung, aber auch maximale Verantwortung“, so die Beraterin. Sie findet es richtig, dass finanzielle Hilfen nicht länger an eine Einrichtung gezahlt werden, sondern direkt an die Betroffenen gehen.
Besonders sind die beiden Beraterinnen von Eltern beeindruckt, die für die Rechte ihrer Kinder eintreten. „Wer ein Kind mit Behinderung hat, muss sich meist ein Leben lang darum kümmern“, so v. Grote. Sie hat Mütter und Väter erlebt, die immer wieder kämpfen mussten, vom Kindergarten über die Schule bis zur Ausbildung. „Die sitzen dann hier und sind einfach froh, dass es endlich eine Anlaufstelle gibt.“ Offenbar, so v. Grote, sei man hierzulande bei der Inklusion, auch an den Schulen, noch ganz am Anfang.
Die Teilhabeberatung Aller-Weser-Wümme ist kostenlos und unabhängig. Sie hilft bei der Beantragung von Leistungen für Menschen mit Behinderungen, macht aber keine Rechtsberatung. Die Einrichtung wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert, um das Recht auf Teilhabe vor Ort umzusetzen.
Weitere Informationen
Die Teilhabeberatung im Lilienhuus in der Hauptstraße 82 in Lilienthal ist dienstags von 16 bis 18 Uhr und donnerstags von 15 bis 17 Uhr geöffnet. Telefonisch sind die Beraterinnen von dienstags bis donnerstags von 9 bis 17 Uhr zu erreichen, Telefon 04298/9310185 oder 0157/80576522. Die E-Mail-Adresse lautet info@eutb-osterholz.de.
In Osterholz-Scharmbeck findet die Beratung an jedem dritten Mittwoch im Monat von 10 bis 11.30 Uhr, in Ritterhude an jedem zweiten Dienstag im Monat von 16 bis 17.30 Uhr und in Hambergen alle zwei Monate am ersten Dienstag im Monat von 15 bis 16.30 Uhr statt. Die Beratung in den Außenstellen erfolgt im jeweiligen Rathaus.