Lilienthal. Der Zirkus ist in der Stadt. Dabei handelt es sich nicht um irgendeinen Zirkus, sondern um den Circus Belly. Dieser ist bekannt durch den Menschenaffen Robby, um dessen artgerechte Unterbringung die Tierrechtsorganisation Peta jahrelang vor Gericht gekämpft und am Ende verloren hat. Zirkusdirektor Klaus Köhler ließ sich sein „siebtes Kind“ nicht nehmen, ging durch alle Instanzen. Robby darf nun weiterhin in der Zirkusfamilie leben und arbeiten. Der Affengreis nimmt den Rummel um seine Person gelassen. Er ist geschätzte 48 Jahre alt und wird am Donnerstag in Lilienthal auftreten.
Die bernsteinfarbenen Augen funkeln im ergrauten Fell. Vorsichtig nimmt Robby Kontakt mit der Besucherin in seinem Zirkuswagen auf. Ja, Robby hat einen eigenen Wagen mit Hochbett und Tauen zum Hangeln. Langsam steckt Robby die Hand durch das Gitter und reicht sie zögerlich zum Gruß. Die lederne Haut, die dunklen Fingernägel, der Primat hat so viel Ähnlichkeit mit einem Menschen und ist doch keiner. „Er fühlt sich wie ein Mensch“, ist sich sein Besitzer, Zirkusdirektor Klaus Köhler, sicher. Robby schaut auf und beginnt sanft die ihm gereichte Hand zu streicheln. Kaum vorstellbar, dass Schimpansen in freier Wildbahn durchaus gefährlich sind.
„Drei Jahre war Robby alt, als er zu uns kam“, erzählt Köhler. Der Affe sei mit der Flasche aufgezogen worden und habe sich an Menschen gewöhnt. „In einer Auffangstation mit anderen Affen wäre er vor Heimweh gestorben“, ist sich der Zirkusdirektor sicher. Robby lauscht den Erzählungen und gießt sich erst einmal eine Milch ein. Er konzentriert sich ganz und gar darauf, nichts zu verschütten. Dann kommt Ted daher. Der junge Pudel-Labrador-Mischling will einfach nur spielen und schon fließt die Flüssigkeit über den Strohteppich im Außengehege. Hund und Affe nehmen es mit Humor. Robby mag Hunde. Das kann man sehen. In der Manege wird er zusammen mit Königspudeln auftreten. „Er braucht den Auftritt, sonst wird ihm langweilig“, lacht der Zirkusdirektor. Vier Stunden am Tag beschäftigt er sich mit Robby.
Die Tierrechtsorganisation Peta indes findet die Unterbringung von Robby ganz und gar nicht komisch. Der Schimpanse leide unter der Isolation und zeige Verhaltensstörungen, schreibt Pressereferentin Lisa Kienzle in einer E-Mail an die Redaktion. „Es ist empörend, dass diese tierschutzwidrige Haltung von Robby weiterhin geduldet wird“, meint die Biologin und Fachreferentin für Tiere in der Unterhaltungsbranche bei Peta, Yvonne Würz. „Er wird vermutlich bis zu seinem Lebensende im Zirkus bleiben müssen, ohne noch einmal Zeit mit anderen Schimpansen verbringen zu dürfen.“ Sie fordert das Veterinäramt des Landkreises Osterholz auf, wenigstens die Erweiterung des Geheges anzuordnen. Mindestens 400 Quadratmeter verlangt Peta. Tatsächlich ist Robbys Auslauf etwa so groß wie ein Kinderzimmer.
In der Natur, so Peta, lebten Schimpansen in Gruppen mit einer komplexen Sozialstruktur. Menschen seien für sie keine adäquaten Sozialpartner. Das sieht Zirkusdirektor Köhler anders: „Robby gehört zur Familie.“ Dass da was dran ist, zeigt die Begegnung mit Köhlers Enkel Roberto. Der fast Vierjährige spielt gern mit dem Affen, der wahrscheinlich der letzte Menschenaffe in einem deutschen Zirkus ist. Nach wie vor sind in Deutschland alle Tierarten in der Manege erlaubt, solange nicht gegen das Tierschutzgesetz verstoßen wird. Im Fall von Robby schauen die Amtsveterinäre jedoch genau hin. Köhler zeigt seine umfangreiche Dokumentation über Robbys Gesundheitszustand. Jeden Monat lässt er eine Speichelprobe auf das Stresshormon Cortisol untersuchen, um nachzuweisen, dass Robby nicht zu aufgeregt für die Zirkusvorstellung ist. „Hier“, sagt Köhler und zeigt auf einen erhöhten Wert in der mittleren Spalte. „Das war die Vorfreude auf den Saisonbeginn.“
Am Donnerstag wird sich der Vorhang für Robby in Lilienthal öffnen. Zusammen mit den Königspudeln zeigt der Zirkusdirektor eine neue Affen-Nummer. Köhler ist der Senior in der 25-köpfigen Belly-Truppe, davon gehören 18 tatsächlich zur Familie. 45 Tiere haben die Zirkusleute im Gepäck, wenn sie mit ihren bunten Wagen durch Niedersachsen tingeln, darunter Pferde, Kamele, Lamas, Schlangen und Alligatoren. Früher war Köhler auch Dompteur von Raubkatzen. „Löwen und Tiger sind zu teuer“, bedauert er. „Die brauchen jede Woche eine Kuh zum Fressen.“ Für Köhler gehören gezähmte Tiere dazu. Ihm geht das Herz auf, wenn er das Staunen in den Augen des Publikums sieht.
In der Pause können die Gäste Robby besuchen. Ein Zaun sorgt dafür, dass das Publikum genug Abstand zum Gehege hält. An der Barriere hat Köhler Informationstafeln angebracht. Sie erzählen von einem glücklichen Schimpansen in einer fröhlichen Zirkuswelt. Zum Abschied gibt Robby der Besucherin noch einen Handkuss.
Weitere Informationen
Circus Belly gastiert vom 15. bis 18. August in Lilienthal, Moorhauser Landstraße 43. Die Vorstellungen beginnen jeweils um 17 Uhr, am Sonntag um 11 Uhr. Schulanfänger haben am Sonnabend freien Eintritt.