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Interview mit School-Lab-Leiter Dirk Stiefs „Der Mond ist immer noch für Überraschungen gut“

Beim Raumfahrttag in Osterholz-Scharmbeck können Besucher das All mit einer Virtual-Reality-Brille erleben. Dirk Stiefs, Leiter des Bremer DLR-School-Lab, äußert sich kritisch über Kolonien im Weltall.
10.06.2019, 10:51 Uhr
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Von Michael Schön

Herr Stiefs, Amazon-Gründer Jeff Bezos will 2024 wieder Menschen auf den Mond bringen, das würde dann mehr als 50 Jahre nach der letzten Landung auf dem Erdtrabanten geschehen. Ist das die Träumerei eines Weltall-Nerds, wenn auch eines milliardenschweren?

Dirk Stiefs: Die Pläne, zum Mond zurückzukehren, sind nicht neu. Auch der Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA, Jan Wörner, wirbt schon länger für seine Vision eines Mond-Dorfes. Der ambitionierte Zeitplan, bis 2024 wieder Menschen auf den Mond zu bringen, stammt von der Trump-Regierung. Das ist deutlich schneller, als es die NASA zuvor geplant hat, aber von Träumerei würde ich nicht sprechen. Die Fortschritte gerade in der privaten Raumfahrt sind beachtlich.

Man will sogar erreichen, dass Erdbewohner den Mond kolonisieren, ihn quasi zu einem achten Kontinent machen?

Ich persönlich gehe davon aus, dass es erst mal eine Forschungsstation auf dem Mond geben wird. Denkbar ist auch, dass der Mond als Zwischenstation für Reisen tiefer ins Weltall, zum Beispiel zum Mars, genutzt wird. Die Vorstellung einer Kolonie finde ich zwar faszinierend, aber man sollte sich erst mal gut überlegen, ob das wirklich sinnvoll ist.

Wo liegen die Hauptschwierigkeiten?

Eine Schwierigkeit ist, dass die bei der Mondlandung vor 50 Jahren eingesetzte Technik heute nicht mehr nutzbar ist und neu entwickelt werden muss. Also eine Rakete, die stark genug ist, um eine Landefähre mit Menschen auf den Mond zu bringen. Auch die Landefähre selbst und eine geeignete Raumkapsel müssen neu entwickelt werden. Hier gehen die Entwicklungen anscheinend schnell voran. Auch Bremen ist übrigens an der Produktion der neuen Raumkapsel, der NASA-Orion, beteiligt. Zu guter Letzt betreten wir ja mit einer Mondstation auch technisches Neuland. Ein großer Unterschied zur Internationalen Raumstation besteht darin, dass es viel aufwendiger sein wird, Nachschub dorthin zu liefern. Am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Bremen forschen wir zum Beispiel an Gewächshäusern, mit denen sich Astronauten vor Ort mit frischen Nahrungsmitteln versorgen können. Das ist sehr effizient und dient gleichzeitig der Aufbereitung von Wasser und Sauerstoff.

Im sogenannten Shackleton-Krater soll eine riesige Menge Eis gebunden sein. Wie ist es entstanden? Es wird doch immer behauptet, der Mond sei staubtrocken?

Ja, der Mond ist für die Forschung immer noch sehr interessant, und die Entdeckung von größeren Mengen Wassereises in den tiefen Kratern zeigt: Der Mond ist immer noch für Überraschungen gut. Es ist nicht mal klar, wo das Wasser auf der Erde herkommt. Eine neue wissenschaftliche Veröffentlichung erklärt, dass das Wasser durch einen gewaltigen Zusammenstoß mit einem riesigen Himmelskörper vor über vier Milliarden Jahren auf die Erde gekommen ist. Auf diese Weise ist nach gängiger Theorie auch der Mond entstanden. Vielleicht ist das ja auch der Ursprung des Wassereises auf dem Mond.

Warum sind eigentlich so lange keine bemannten Flüge mehr zum Mond unternommen worden?

Es ist schlichtweg sehr teuer.

USA und Sowjetunion lieferten sich im Kalten Krieg einen erbitterten Wettlauf zum Mond. Ist die Zukunft der bemannten Raumfahrt bei den privaten Unternehmen besser aufgehoben?

Sicher ist mir eine zivile Nutzung lieber als ein militärischer Wettstreit. Aber die privaten Raumfahrtunternehmen werden auch in Zukunft militärische Aufträge bekommen. Die Visionen von Weltraumtouristen und von Kolonien im Weltall sollten indes auch unter ökologischen Gesichtspunkten kritisch betrachtet werden.

Alexander Gerst, Stargast beim Tag der Luft- und Raumfahrt in Osterholz-Scharmbeck am 13. Juni, hat als „unser Mann im All“ mit seinen sehr sympathischen Medien-Auftritten die Raumfahrt in Deutschland wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gebracht. Registrieren Sie als Leiter des DLR-School-Lab ein wachsendes Interesse an dem, was sie tun?

Zu uns kommen Kinder ab der dritten Klasse bis zum Ende der Schullaufbahn. Raumfahrt ist für die meisten ein spannendes Thema. Gerade bei den Jüngsten merkt man die Begeisterung. Wir haben einen Astro-Alex-Pappaufsteller im Schülerlabor. Viele Schülerinnen und Schüler rufen wie Fans: „Schau mal, da ist Alexander Gerst!“

Das Schüler-Labor des DLR hat für die Informations- und Ausbildungsmesse Experimente angekündigt, in die der Besucher direkt einbezogen wird. Welche werden das sein?

Wir bringen eine Virtual-Reality-Brille mit. Damit können die Besucher virtuell die Internationale Raumstation besuchen und sogar wie Alexander Gerst einen Weltraumspaziergang machen. Zudem kann man bei uns Experimente mit einer Infrarotkamera machen. Wenn man das nicht kennt, kommt einem das wie Zauberei vor. Es hat aber einen direkten Bezug zur Forschung des DLR. Zudem präsentieren Schüler ihre eigenen Forschungsprojekte. Ich finde es sehr beeindruckend, was Schüler schon alles auf die Beine stellen.

Auf Ihrer Homepage ist zu lesen, dass die Jugendlichen im School-Lab sogar eine komplette Mars-Mission im Team durchführen können – vom Raketenstart über die Landung auf dem roten Planeten und die Robotersteuerung bis zur Probenanalyse. Diese Jugendlichen müssten es noch erleben, dass eine echte bemannte Landung auf dem Mars gelingt.

Ich hoffe es! Wir sprechen übrigens inzwischen von bemenscht oder astronautisch. Es könnte ja auch eine Frau sein, die als erste den Mars betritt.

Auf Ihrer Homepage steht auch, dass das Weltraumwetter auch für die Erde wichtig ist. Warum?

Mit Weltraumwetter bezeichnet man den Einfluss von Strahlung aus dem Weltraum. Die kommt zum einen von der Sonne, zum anderen von außerhalb unseres Sonnensystems und ist mal mehr und mal weniger stark. Unsere Atmosphäre und das Magnetfeld schützen uns davor. In Flugzeugen und im Weltall stellt sie aber eine potenzielle Gefahr da. Flüge müssen unter Umständen umgelenkt werden und Astronauten sich in Schutzkapseln begeben. Auch empfindliche Elektronik auf der Erde kann durch die Strahlung gestört werden oder kaputt gehen. Ein schöner Effekt des Weltraumwetters sind die Polarlichter.

Zum Schluss noch eine etwas privatere Frage. Sie haben ja einen sehr interessanten Job. Haben Sie schon als Kind in diese berufliche Richtung gestrebt? Oder wollten Sie eigentlich Astronaut werden und würden jetzt gerne mit Alexander Gerst tauschen?

(lacht) Nein, daran habe ich nie gedacht. Mir wird schon schlecht, wenn ich im Bus hinten sitze. Da muss ich nicht in eine Rakete steigen. Aber Sie haben recht: Ich liebe meinen Beruf!

Mit Dirk Stiefs sprach Michael Schön.

Zur Person

Zur Person

Dr. Dirk Stiefs (39)

leitet seit 2011 das DLR-School-Lab Bremen, ein Schülerlabor des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Der gebürtige Wilhelmshavener studierte in Oldenburg Physik und promovierte in Oldenburg und Amsterdam. Zwei Jahre stand er in Diensten des Max-Planck-Instituts für Physik komplexer Systeme.

Info

Zur Sache

„Astro-Alex“ hält Vortrag

Etwa 25 Unternehmen, Verbände und Vereine wollen anlässlich der Messe zum Tag der Luft- und Raumfahrt am Donnerstag, 13. Juni, in der Stadthalle Osterholz-Scharmbeck dem interessierten Publikum Einblicke in ihre Arbeit gewähren. Zu den Ausstellern zählt neben Firmen wie Airbus, OHB, Ariane Space, der Deutschen Flugsicherung und der Bundeswehr auch das von Dirk Stiefs geleitete Schülerlabor des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Als Stargast hälz Alexander Gerst, im vergangenen Jahr Kommandant der Internationalen Raumstation (ISS), einen Vortrag.

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