Landkreis Osterholz. In zwei Jahren endet für die ersten Windkraftanlagen die Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Sie stehen vor allem in den Landkreisen Aurich, Wittmund, Friesland und Wesermarsch, wo relativ früh auf Windenergie gesetzt wurde. Die meisten dieser älteren Mühlen werden nach dem Ende der Einspeiseverträge nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben sein: Wenn sich keine neuen Vermarktungsfelder auftun, dürfte der erzielbare Strompreis ohne Subventionen kaum noch die Betriebs- und Instandhaltungskosten decken.
Niedersachsens Landesregierung schätzt, dass aus diesem Grund jede vierte der momentan 6277 Anlagen in absehbarer Zeit abgebaut werden wird. Wenn ein Teil der wegfallenden Spargel durch größere und leistungsstärkere ersetzt wird, könnte die Erzeugungskapazität unterm Strich trotzdem steigen. Umweltminister Olaf Lies (SPD) geht davon aus, aber nicht alle sind so optimistisch. Der Bundesverband Windenergie warnt, dass bis zum Jahr 2023 bundesweit rund 14 000 Megawatt auf der Kippe stünden – mehr als ein Viertel der installierten Leistung.
All diese Effekte werden früher oder später auch die noch etwas jüngeren Windparks im Landkreis Osterholz erreichen. Erste Vorboten würden im Kreishaus bereits jetzt registriert, sagt Verwaltungssprecher Malte Wintjen auf Nachfrage der Redaktion. So seien zuletzt im Windpark Lange Heide über sogenanntes Repowering bereits vier ältere Anlagen durch zwei neu gebaute ersetzt worden. Im größeren Stil wurde auch schon an der Unterweser im Westen der Stadt Geestland (Landkreis Cuxhaven) um- und nachgerüstet.
Dabei sei es durchaus möglich, mit weniger Anlagen unterm Strich mehr Leistung zu erzielen, sagt Wintjen. „Die Altanlagen hatten in der Regel eine Nennleistung von unter einem Megawatt (MW)“, erläutert er. Moderne Anlagen hätten heute oft Nennleistungen von drei MW und mehr. Damit könne der Landkreis also auch dem selbst gesteckten Ziel der Energiewende 2030 ein Stück näher kommen. Es wurde vor zehn Jahren ausgerufen und bedeutet, dass der Energiebedarf im Kreisgebiet bis zum Jahr 2030 bilanziell zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gedeckt wird.
Als Genehmigungsbehörde steht der Kreis Osterholz zugleich vor der Aufgabe, etwaige Nutzungskonflikte zu entschärfen. Zu den Abwägungskriterien zählen die Folgen für Menschen, Tiere und Pflanzen sowie fürs Landschaftsbild. Wintjen zufolge könne es im Einzelfall durchaus vorkommen, dass wenige große Anlagen, deren Räder sich auch langsamer und leiser drehen, besser geeignet sind als viele kleine. Andererseits wachse mit der Anlagenhöhe aber auch die mögliche Beeinträchtigung etwa durch Schattenwurf, sodass Repowering Nachbarschaftsprobleme sowohl lösen und als auch schaffen kann.
Für Investoren und Betreiber haben genehmigte Windpark-Standorte meist den Vorteil einer größeren Akzeptanz in der Öffentlichkeit, sagt Christian Schnibbe von der Firma WPD. „Wenn die Anlagen erst mal gebaut sind, gewöhnen sich die Menschen auch daran“, so seine Erfahrung. Solange sich ein Projekt noch im Planungsstadium befinde, seien die Vorbehalte ungleich größer, was ja auch verständlich sei: „Es ist die Angst vorm Unbekannten.“
Sein Unternehmen hat inzwischen fast 2100 On- und Offshore-Anlagen im In- und Ausland errichten lassen, darunter sieben Räder im Windpark Hambergen sowie fünf im Bereich Lange Heide. Die Anlagen gingen im Jahr 2016 in Betrieb, sind also vorerst kein Nachrüstungsfall. Die Technologie – Schnibbe vergleicht sie mit einem Jahreswagen auf dem Automarkt – ist längst nicht überholt: 186 Meter hoch sind die Spargel in Hambergen und Lübberstedt, jeder leistet gut drei Megawatt. An der Langen Heide sind fünf mal 2,3 Megawatt in gut 179 Meter Gesamthöhe installiert.
„Repowering räumt die Landschaft auf“, wirbt Schnibbe; dieser Effekt sei nicht zu unterschätzen. Die Windmüller müssten rechtzeitig an Rücklagen für Rückbau oder Repowering denken. Im Einzelfall sei ein Weiterbetrieb auch ohne EEG-Förderung denkbar, aber das komme auf die Betreiber und ihre Ziele an. Beim Repowering, so der WPD-Sprecher weiter, müsse auch geklärt werden, ob die vorhandene Infrastruktur am Einspeisepunkt größere Strommengen aufnehmen kann oder nicht. „Und natürlich müssen Abstandsregeln und Naturschutzauflagen berücksichtigt werden“, setzt Schnibbe hinzu. Inzwischen arbeite sein Haus mit sehr flexiblen Lösungen wie beispielsweise auch Abschaltzeiten.
Strombedarf wächst weiter
Dabei werde der Strombedarf in Zukunft eher wachsen, unter anderem durch den Vormarsch der Elektroautos und der Wärmepumpen. Und da Atom- und Kohlestrom als Auslaufmodelle gelten, gehöre Windkraft und Fotovoltaik die Zukunft, da ist sich der Sprecher des Bremer Projektierers sicher. Problem: Während Brüssel und Hannover ehrgeizige Ausbauziele verkünden – Lies möchte bis zum Jahr 2025 einen Zuwachs von bis zu 4000 Megawatt – hat der Bund mit den neuen Ausschreibungsverfahren über die Netzagentur den Vormarsch der Windenergie seit 2017 eher gebremst. Bei den Herstellern hat der Arbeitsplatzabbau bereits begonnen, wie beim Branchentag in Bremen beklagt wurde.
Um Maß und Mitte wird der Landkreis Osterholz bei der Ausweisung der sogenannten Vorranggebiete im Regionalen Raumordnungsprogramm ringen. Bei der nun beginnenden Neuauflage des RROP hat die Verwaltung es nach Angaben von Malte Wintjen mit einem Erlass zu tun, der darauf hinausläuft, möglichst für weitere Potenzialflächen zu sorgen: gut 600 Hektar sollen es am Ende insgesamt sein, das entspricht etwa einem Prozent der Landkreisfläche. Theoretisch sind Anlagen zurzeit auf rund 500 Hektar möglich. Die planerische Abwägung wird zeigen, ob der Landkreis genügend Raum für die Windenergie vorsehen kann. Wintjen äußert sich zurückhaltend: „Der Windenergieerlass des Landes dient uns als Orientierungshilfe.“