Tanja S. (Name der Redaktion bekannt) ist in einer Kleinstadt im Westen der Ukraine aufgewachsen und lebt seit 20 Jahren in Osterholz-Scharmbeck. "Ich dachte, ich höre nicht richtig“, war ihre erste Reaktion, als sie am Donnerstagmorgen von den Nachrichten über das Ausmaß der russischen Invasion überrascht wurde. Sie sieht ihre Familie in dem umkämpften Gebiet nahe der Grenze zu Belarus, aus dem sie stammt, in großer Gefahr. Sie konnte schon mit einigen Angehörigen in Verbindung treten. „Die stehen natürlich alle unter Schock!“ Der Bruder der 40-Jährigen hat schon im Donbass-Krieg gekämpft und will nun dem Aufruf folgen, sich der Freiwilligenarmee anzuschließen.
Tanja S. arbeitet als Sozialpädagogin und ist dankbar, „dass die Kolleginnen und Kollegen dafür gesorgt haben, dass ich gleich wieder nach Hause gehen durfte“. Über die sozialen Netzwerke steht sie mit vielen Ukrainerinnen und Ukrainern im In- und Ausland im engen Austausch. In der russisch-orthodoxen Gemeinde in Bremen-Hemelingen hat sie viele russische Freundinnen und Freunde gewonnen. Am Nachmittag fuhr sie mit Freundinnen nach Bremen, um gegen den Überfall des großen Nachbarn zu demonstrieren. „Was können wir denn sonst noch tun?“
„Wir haben große Angst“, sagt auch Natalia W. Sie hat schon mit ihrem Schwiegervater telefoniert, der wie auch ihre Eltern in der Nähe von Lwiw (früher Lemberg) lebt, und erfahren, dass ihrem Heimatort, in dem Militär stationiert ist, eine Munitionsfabrik unter Feuer genommen und explodiert ist. Der Sohn von Natalia W., der vor sechs Jahren mit den Eltern nach Osterholz-Scharmbeck gekommen, hat in Erfahrung gebracht, dass „die Menschen auf der Flucht und alle Läden geschlossen sind“.
