Osterholz-Scharmbeck. Es ist nur ein einziges Wort, das Oliver Schilling beim Blick auf die Tabelle einfällt: „Schrott!“ Und das ist sogar fast noch untertrieben. Absolut grandioser Schrott würde es besser treffen, was die Fußballer des VSK Osterholz-Scharmbeck bislang geleistet haben – punktetechnisch wohlgemerkt. Es gibt wohl keine andere Mannschaft in der Bezirksliga Lüneburg 3, bei der die gezeigten Leistungen so extrem mit der Punkteausbeute in Widerspruch stehen.
Erst am vergangenen Wochenende war es wieder so, da kam Bassens Trainer Uwe Bischoff zu Oliver Schilling und drückte sein absolutes Unverständnis über den bisherigen Saisonverlauf der Kreisstädter aus: „Ihr habt eine so tolle Mannschaft mit so starken Spielern, was ist bei euch kaputt, dass ihr da unten drin steht“, fragte Bischoff seinen Trainerkollegen. Und das wohlgemerkt nach einer 1:7-Niederlage des VSK. Tja, was ist kaputt bei den Grün-Weißen? Was läuft da schief, wenn eine Mannschaft – bis auf ganz wenige Ausnahmen – vom Gegner immer wieder Lob bekommt und trotzdem punktemäßig kein Bein auf den Boden kriegt?
Die Antwort auf diese Frage suchen auch Oliver Schilling und dessen Co-Trainer Frank Müller seit einigen Wochen vergeblich. Und wie es häufig in solchen Fällen ist: Die eine, die alles klärende Antwort gibt es ohnehin nicht. Viel mehr kommen bei den Kreisstädtern viele Faktoren zusammen. Zum einen die bereits bekannte Personalsituation. Mit Lokman Abdi und Hussain Taha musste Schilling kurz vor Wechselfrist seinen Mittelfeldregisseur sowie seinen Abwehrchef ziehen lassen. Mit beiden hatte der VSK-Coach eigentlich für diese Saison geplant. Ebenso wie mit Felix Gartelmann. Und Juri Kiekhöfer.
Es fehlt der stürmende Knipser
Der junge Kiekhöfer hatte letzte Saison in nur 17 Saisoneinsätzen immerhin acht Tore erzielt, weilt aber wohl bis zum Ende der Saison auf großer Australien-Reise. Felix Gartelmann spielt nach internen Querelen derzeit nur noch in der zweiten VSK-Mannschaft. Ob die Kreisstädter mit diesem Quintett besser dastehen würden, ist spekulativ. Dass es die Struktur des Kaders durcheinandergebracht hat, ist unbestritten. Denn plötzlich mussten andere Akteure in die Rolle von Leistungsträgern rücken. Spieler, die sich in der Bugwelle der etablierten Akteure vermutlich sonst ganz anders hätten entwickeln können.
Doch nun sind Dean Leskow, Björn Husmann, Maximilian Dohme und Tjerk Johannsen gleich in ihrem ersten richtigen Herrenjahr seit etlichen Wochen Stammspieler. „Und sogar Leistungsträger“, unterstreicht Oliver Schilling die Bedeutung der ehemaligen A-Junioren. „Es ist eine große Freude, mit den Jungs zu arbeiten und zu sehen, wie sie sich von Woche zu Woche entwickeln“, fügt der VSK-Coach hinzu. Aber zu einer gesunden und nachhaltigen Entwicklung gehören eben auch Erfolge. Und deshalb macht sich Schilling mehr und mehr Gedanken über die Situation – und etwaige Konsequenzen.
„Die Stimmung ist immer noch wirklich gut, wir haben einen Beteiligung von 17, 18 Mann beim Training, die Jungs ziehen super mit. Aber sie müssen sich eben auch mal belohnen für diesen Aufwand“, berichtet Schilling. Dabei überrascht es den Trainer fast ein wenig, wie unbefangen der Großteil der Mannschaft mit der aktuellen Situation umgehe: „Die Jungs machen sich da gar nicht mal so einen Kopf.“ Natürlich sei es niemandem egal, ob er am Ende absteige. Aber so richtig greifen könne das Team die Gefahr des Abstiegs eben auch nicht. Noch nicht.
Sechs Punkte beträgt der Abstand auf das rettende Ufer. Doch dass dieser bei den anstehenden Spielen in Etelsen und gegen Ippensen bis Weihnachten wettgemacht werden kann, scheint fraglich. „Das sind Spiele, in denen wir nichts zu verlieren haben und eigentlich nur positiv auffallen können“, sagt Schilling, der an der grundsätzlichen Qualität seiner Schützlinge keine Sekunde zweifelt: „Es muss einfach mal der Knoten aufgehen.“ Einmal in dieser Saison ist das bisher geglückt. Beim 8:0-Heimsieg über den TSV Achim spielten sich die Kreisstädter nach dem 2:0 in einen regelrechten Rausch und nahmen den Gegner nach allen Regeln der Kunst auseinander. Dennoch stehen die Achimer mit mehr als doppelt so vielen Punkten auf einem Mittelfeldplatz der Tabelle.
„Natürlich hinterfragt man sich auch immer selbst“, sagt Oliver Schilling, der die Kreisstädter in seiner starken Premierensaison immerhin auf Platz fünf geführt hatte. Ob und wann der Zeitpunkt kommt, an dem Trainer und/oder der Verein die Reißleine ziehen, spiele derzeit absolut keine Rolle. „Von Spiel zu Spiel denken“, sagt Schilling, „das ist ohnehin unser Motto.“