Ritterhude. Zum 31. Dezember 2023 sollte die Schlossbrücke für den Verkehr gesperrt, abgerissen und anschließend an gleicher Stelle neu gebaut werden. Sie ist eines der Haupteinfallstore nach Ritterhude. Doch die Betonung liegt auf "sollte". Der Abriss wird verschoben. Ritterhudes Bürgermeister Jürgen Kuck ist verärgert: "Ich finde es eine Vollkatastrophe, dass die planenden Behörden so etwas nicht vorher abstimmen können." Es fehle an Kommunikation und Synchronisation. "Da haben wir hier einen Totalausfall." Und der hat noch immer das Potenzial, eine Verkehrskatastrophe in Ritterhude zu verursachen.
Durcheinandergewirbelt hat die Pläne die Deutsche Bahn AG. Der Konzern muss wegen eines neuen elektronischen Stellwerks in Bremen-Burg unter anderem eine Reihe von Bahnübergängen zwischen Bremen und Bremerhaven erneuern. Davon betroffen ist der Übergang im Verlauf der L151 (Neue Landstraße / Fergersbergstraße) in Ritterhude. Wie eine Sprecherin der Bahn mitteilt, wird er vom 15. April bis 17. Mai 2024 komplett gesperrt. Der Neubau der Schlossbrücke werde daher auf Juni 2024 verschoben, ergänzt die zuständige Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr in Stade.
Klarheit seit Sommer 2023
Dazu befragt, sagt Friederike Wöbse, Leiterin dieses Stader Geschäftsbereichs, dass die Landesbehörde vom Kreis Osterholz erst im Frühjahr 2022 erfahren habe, dass die Bahn mehrere Bauvorhaben auf der Strecke Bremen-Bremerhaven plane. Seit Dezember 2022 wüssten sie, dass diese in die Zeit des Schlossbrücken-Baus fielen. Und "seit Mitte dieses Jahres ist bekannt, dass der Umfang der Baumaßnahme am Bahnübergang keine Möglichkeit vorhält, einen zeitgleichen Neubau der Schlossbrücke zu ermöglichen." Noch Anfang 2023 hatte die Landesbehörde Stade den Ritterhudern mitgeteilt, dass die Schlossbrücke Ende 2023, Anfang 2024 abgerissen werden soll. Bereits diese Nachricht kam für die Ritterhuder unerwartet. Sie waren davon ausgegangen, dass zunächst die benachbarte Dammbrücke erneuert würde.
Jürgen Kuck betont, dass er von den Bahn-Plänen auch erst im Sommer erfahren habe: "Ich habe daraufhin Alarm geschlagen." Es sei zu einem Krisentreffen beim Landkreis gekommen. Das Ergebnis: zwei Prüfaufträge. So sollte die Bahn schauen, ob sie die Arbeiten am Bahnübergang nach hinten verschieben könne. Außerdem sollte die Landesbehörde prüfen, ob die Brücke überhaupt länger befahren werden darf. Schließlich habe ihm Friederike Wöbse vor gut zwei Jahren glaubhaft versichert, dass die Schlossbrücke keinen Aufschub dulde, so Kuck: „Es hieß, der Abriss sei nicht länger aufschiebbar.“ Was die Prüfaufträge ergeben haben, sei ihm nicht bekannt: "Neuere Informationen habe ich nicht." Dass die Bahn an ihrem Zeitplan festhält, erfahre er nun durch die Redaktion.
"Aufgrund der längeren Umbaumaßnahmen an den Bahnübergängen, die die Bahn nicht verschieben kann, und dem Anliegen, die Gemeinde Ritterhude nicht mehr als notwendig verkehrstechnisch zu belasten, kann nur der Neubau der Schlossbrücke verschoben werden", erklärt Wöbse und kommt damit auf das Kernproblem: Würden Bahn und Landesbehörde ihre Bauprojekte gleichzeitig durchziehen, wäre das ein Desaster für Ritterhude. Ein Gau. Denn der Ortskern von Alt-Ritterhude ist für Lkw und landwirtschaftliche Fahrzeuge nur über die L151 zu erreichen. Dazu müssen diese allerdings entweder – von der B74 kommend – über den Bahnübergang Neue Landstraße oder – von der anderen Seite kommend – über die Schlossbrücke fahren. Alle übrigen Straßen, die die Bahnstrecke queren, sind weder von Lastwagen noch von landwirtschaftlichen Fahrzeugen passierbar. Kurz, die Geschäfte könnten bei gleichzeitiger Schließung des Bahnübergangs und Abrisses der Brücke nicht mehr beliefert werden. Mindestens ein Landwirt säße im Ortskern fest.
Die wenige Meter von der Schlossbrücke entfernte Dammbrücke ist keine Lösung. Sie hat seit Jahren eine Gewichtsbegrenzung auf 3,5 Tonnen. Ihr Neubau steht fest und das länger als der der Schlossbrücke. Trotzdem wird die Schlossbrücke vorgezogen. Die Landkreisbehörde, in deren Zuständigkeit die Dammbrücke fällt, erklärte die Entscheidung Anfang 2023 damit, dass sie lange davon ausgegangen sei, das Land Niedersachsen werde die Schlossbrücke nur sanieren. Als sie erfahren habe, dass es ein Neubau wird, sei zu wenig Zeit geblieben, die Dammbrücke vorzuziehen. Daran habe sich nichts geändert, teilt die Kreisverwaltung nun auf Nachfrage mit.
Mit einer Sonderprüfung wollen die Stader in den nächsten Wochen den aktuellen Zustand der Schlossbrücke ermitteln, bestätigt Friedericke Wöbse den beim Krisentreffen beschlossenen Prüfauftrag. Aus den gewonnenen Erkenntnissen würden Maßnahmen abgeleitet, die erlaubten, die Brücke für einen "überschaubaren Zeitraum" zu nutzen. "Üblich wären eine deutliche Geschwindigkeitsreduzierung, Einrichtung einer Ampelanlage für einspurigen Richtungsverkehr sowie eine weitere Senkung des zulässigen Gesamtgewichts auf der Brücke", erläutert sie. "Die Tonnagebegrenzung wäre der Worst Case", räumt sie ein: "Die versuchen wir, zu vermeiden; aber es wäre nicht seriös, diese Möglichkeit nicht zu erwähnen."
In einem Punkt konnte die Bahn aber ihre Pläne doch denen der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr anpassen. "Die Arbeiten am Bahnübergang Bremer Straße werden vor der Neuen Landstraße durchgeführt. Die Straßensperrung ist für die Zeit 26. Februar bis 12. April geplant", teilt die Bahn mit. Dies ist vor allem für die Landwirte wichtig, die während des Brückenneubaus kilometerweit fahren müssen, um über die Brücke bei Tietjens Hütte zu ihren Flächen jenseits der Hamme zu gelangen. Der Bahnübergang Bremer Straße in Osterholz-Scharmbeck ist Teil der dafür ausgearbeiteten Umleitung.
Jürgen Kucks Sorgenfalten sind damit nicht geglättet. Er wartet mit Spannung auf das Ergebnis der Sonderprüfung. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass die Autobahn GmbH Arbeiten an der Brücke über die Lesum im Verlauf der A27 plant. Kück: "Ursprünglich hieß es, das solle nach dem Neubau der Dammbrücke passieren; jetzt habe ich gehört, beginnen die Arbeiten bereits 2025."