Ritterhude. Es ist der Garant für hitzige Debatten unter Ritterhuder Politikern: das Thema Gewerbeflächen-Entwicklung. Die Ratssitzung am Donnerstagabend war ein Beispiel dafür. Auf die Tagesordnung hatte das Thema es durch einen Antrag der Grünen geschafft. Sie forderten Informationen, um Kriterien festlegen könnten, welche der fünf möglichen Gewerbeflächen wann und wie realisiert werden sollen.
Die Gruppe Bürgerfraktion/FDP hatte ihrerseits Fragen zum geplanten Gewerbegebiet Heidkamp-Nord: Was würde die Entwicklung der Fläche die Gemeinde kosten? Würde der Aufwand im Verhältnis zum Nutzen stehen? Welche Firmen interessierten sich für Ritterhude? Die allgemeine Aussage der Verwaltung, sie habe ständig Anfragen, reichten FDP und Bürgerfraktion nicht mehr. Aber weder im Bauausschuss, noch im Verwaltungsausschuss hätten sie Antworten bekommen, so Waldemar Orthmann (FDP).
SPD und CDU teilten den Informationshunger nicht. Sie verwiesen auf die jahrelange Debatte zu den potenziellen Flächen. „Wir haben in unseren Reihen darüber gesprochen – ganz intensiv“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Jürgen Kuck. Es gebe wohl „unterschiedliche Wahrnehmungen“. „Wenn sie von Reihung und Priorisierung sprechen: Die hat längst stattgefunden“, stimmte ihm Bürgermeisterin Susanne Geils zu. Giselher Klinger, Fraktionsvorsitzender der CDU, empfahl daher der Gemeinde, „möglichst schnell Gewerbeflächen zu beschließen, um endlich wieder neues Gewerbe anzusiedeln“.
Dass sich Kritiker und Befürworter nicht einen Millimeter aufeinander zu bewegten und beide Anträge mit einer Mehrheit aus SPD und CDU von 17 zu zehn Stimmen abgeschmettert wurden, hat offensichtlich eine Vorgeschichte, die nachwirkte.
So stieg der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Wolfgang Hädrich, sogleich scharf – für manchen Verwaltungsvertreter und Politiker zu scharf – in die Thematik ein. Luftbilder von Ritterhude zeigten, dass „überall dort, wo Gewerbe möglich wäre, Wohnhäuser entstanden sind“. Die heutigen Gewerbeflächen und diejenigen, die es werden sollen, seien dagegen „Kleckergebiete“. Hädrich sprach von einer planlosen Entwicklung: „So wollen wir nicht weitermachen.“ Es gehöre zu den Hauptaufgaben des Rates, zu entscheiden, wie diese Flächen am sinnvollsten genutzt werden können. Die Bürgermeisterin sähe das anders: Sie bestimme gern selbst, teilte der Grüne gegen Susanne Geils aus. Kurz: Sie bräuchten die Informationen zur Priorisierung.
Bauamtsleiter Michael Keßler verwahrte sich dagegen, dass die Gemeinde planlos gearbeitet habe: „Das ist historisch gewachsen.“ Zudem fand er, dass das Gemeindeentwicklungskonzept, das überarbeitet wird, das richtige Instrument sei, um über die Flächen zu entscheiden. Es sei kein Thema, das vom Rat isoliert betrachtet werden sollte. Und Geils sprach in Richtung Hädrich von Polemik und dass sie sich – zusammen mit ihren Vorgängern – respektlos behandelt fühle: „Ich wünsche mir mehr Wertschätzung.“
„Ich habe das Gefühl, dass wir von den Grünen, der Bürgerfraktion und der FDP immer Bremsen eingebaut bekommen“, kritisierte Klinger. Jürgen Kuck stimmte ihm zu, indem er erklärte, er halte den Antrag für einen Taschenspielertrick, der dazu diene, sie am Vorankommen zu hindern. Schließlich habe Wolfgang Goltsche (Grüne) in einer Sitzung gesagt, dass sie – die Grünen – gar keine neuen Gewerbegebiete wollten.
500 000 Euro für Erschließungsstraße
Goltsche konnte darauf nichts erwidern: Er fehlte entschuldigt. Seine Fraktion bezeichnete die Bemerkung als legitime private Meinung. Und: „Natürlich sind wir auf die Gewerbesteuern angewiesen“, sagte André Hilbers (Grüne). Aber die Entwicklung solcher Flächen sei kein Selbstzweck. Sie bräuchten daher mehr Informationen. Hilbers: „Wir würden uns gern überzeugen lassen.“
Im Laufe der Diskussion kristallisierte sich heraus, dass schnelle Verfügbarkeit als ein Hauptkriterium für die Entwicklung einer Fläche gilt. Die von Bürgerfraktion und FDP favorisierten größeren Flächen seien in der Hand von bis zu 60 Personen. Das damit einhergehende Umlegungsverfahren würde mehr als sieben Jahre beanspruchen, vermutete Keßler. Dass eine andere Potenzialfläche aus dem bestehenden Landschaftsschutz genommen werde, hielt die Verwaltung für unwahrscheinlich. Geils: „Wir sollten das machen, was sich schnell umsetzen lässt; das ist meine Meinung.“ Es seien schließlich die Gewerbesteuereinnahmen, die eine Gemeinde am Leben und handlungsfähig hielten.
Wie schon zuvor erhielt die Gruppe erneut keine Antwort auf ihre Fragen. Das gehe auch nicht, erklärte Keßler: Der alles entscheidende Faktor dabei seien die Kosten für den Ankauf der Flächen. Keßler sprach von ein bis drei Millionen Euro. Die 500 000 Euro für die Erschließungsstraße seien da eher nachrangig. Nun über Kosten zu sprechen, sei Kaffeesatzleserei. „Drei bis vier Millionen Euro – das holen wir nicht mal in 30 Jahren wieder rein“, stand daraufhin für Jürgen Ahlers (Bürgerfraktion) fest.