Ritterhude. Etwa 1400 Stunden im Jahr wird der Stadionplatz am Moormannskamp bespielt. So die Rechnung der Gemeideverwaltung. Schule, Fußballer und American-Football-Spieler tragen täglich ihre Wettkämpfe um Tore und Goals auf der Fläche aus. Seit Langem ist klar, dass das für die Naturrasenanlage zu viel ist. Immer häufiger muss sie gesperrt, müssen Heimspiele auswärts ausgetragen werden. Nach Jahren der Planung soll dem sportlichen Elend nun ein Ende bereitet werden. Der Ritterhuder Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport sprach sich für den Bau eines Kunstrasenplatzes sowie die Sanierung der Leichtathletikanlage aus. Das eigentliche Problem ist damit nicht gelöst: „Wir haben zu wenig Plätze; auch wenn der Kunstrasenplatz gebaut ist, brauchen wir einen weiteren Platz“, sagte Jürgen Ahlers (Bürgerfraktion/FDP-Gruppe).
Die Verwaltung hatte die Politiker um eine richtungweisende Entscheidung gebeten: Kunstrasen- oder Naturrasenplatz? Hintergrund: Im Sommer hatte die Gemeinde vom Bund Fördermittel in Höhe von 1,4 Millionen Euro für die Sanierung des Moormannskamp-Stadions in Aussicht gestellt bekommen. Wenn Ritterhude diese beanspruchen will, muss die Gemeinde bis zum 6. November einen Antrag stellen. „Sehen sie es mir nach, aber den schreibe ich nicht in vier Tagen“, erklärte die zuständige Verwaltungsmitarbeiterin Stefanie Dunkel während der Sitzung, in der auch Vertreter örtlicher Vereine gehört wurden.
Eigentlich hatten die Politiker die Entscheidung für einen Kunstrasenplatz bereits im Dezember 2017 getroffen. Schon damals ging es darum, Fördermittel einzuwerben. Doch dann ging Ritterhude bei der Vergabe zunächst leer aus. Laut Bürgermeisterin Susanne Geils aus heutiger Sicht ein Glücksfall. Hätten sie die Gelder erhalten, hätte Ritterhude nun wahrscheinlich eine der inzwischen umstrittenen, da umweltschädlichen Kunstrasenplatz-Varianten mit Granulat. Dieser Wandel in der ökologischen Beurteilung der Materialien sowie die zwischenzeitlich stark gestiegenen Baukosten haben das Thema zurück auf die politische Agenda gebracht. Der als Referent eingeladene Fachmann Martin Thieme-Hack, Professor an der Universität Osnabrück, beschrieb die Entscheidung, vor der die Politiker nun stünden daher auch salopp „als die Wahl zwischen SUV und E-Auto“.
Hohe Folgekosten
Neue Kostenschätzungen hätten ergeben, dass die Sanierung des Platzes als Kunstrasen-Variante inklusive Leichtathletikanlage und Flutlicht heute 1,875 Millionen Euro koste. Da der in Aussicht gestellte Förderbetrag bei 1,4 Millionen Euro gedeckelt ist und nicht alle Ausgaben förderfähig sind, verblieben 456 800 Euro bei der Gemeinde. Auch müsste die Kommune nach zehn bis 15 Jahren mit rund 250 000 Euro Folgekosten für die Entsorgung und Erneuerung des Kunstrasenplatzes rechnen. Zudem müssten für die Pflege der Kunstrasenanlage Maschinen im Wert von bis zu 25 000 Euro angeschafft sowie Mitarbeiter in deren Nutzung geschult werden. Würde die Gemeinde noch eine Auffangrinne samt Rigolen bauen, um zu verhindern, dass das nach wie vor durch den Abrieb entstehende Mikroplastik vom Regen in Boden und Gewässer gespült werde, fielen weitere 100 000 Euro an, erfuhr das Gremium.
Für den gleiche Sanierungsumfang – aber mit Naturrasenplatz – liegt der Gemeinde eine Kostenschätzung von 1,3 Millionen Euro vor. Davon müsste Ritterhude 170 000 Euro selbst zahlen. Die Geräte für die Pflege wären vorhanden. Die mögliche Anschaffung eines Mähroboters samt Ladestation würde 20 000 Euro kosten. Auch fiele beim Naturrasen kein Mikroplastik an, dafür gäbe es aber lange Erholungsphasen.
Für André Hilbers (Grüne) sprach daher alles für einen modernen Naturrasenplatz. Der, so hatte Thieme-Hack betont, sei nicht mit dem existierenden Rasenplatz vergleichbar. Das Geld, das der Kunstrasen mehr kosten würde, sähe Hilbers lieber in die Ertüchtigung der übrigen drei Plätze auf dem Moormannskamp-Gelände investiert. So könnten die intensiver fürs Training genutzt, könnte eine Überspielung des großen Platzes entschärft werden. Außerdem solle eine neue Beregnungsanlage angeschafft werden. Diese Technik, so hatte Stefanie Dunkel erläutert, war in den Kosten bislang nicht enthalten. Sie würde aber nicht nur für einen Naturrasen, sondern auch für den Kunstrasen benötigt.
Dem ASV Ihlpohl fehlte bei all diesen Ausgaben ein Finanzierungskonzept. Der Verein, der zwei eigene Plätze hat, fürchtet, dass der Gemeinde kein Geld mehr bleibt, um den anderen Vereinen in der Not unter die Arme zu greifen. Und wenn dann auch noch der ASV zum Moormannskamp müsste, verschärfe sich die Situation dort weiter. Ähnliche Bedenken äußerte die SG Platjenwerbe. Während die Vertreter des TuSG und die Haupt- und Realschule Moormannskamp sich nachdrücklich für einen Kunstrasenplatz aussprachen, da dieser belastbarer sei und es weniger Ausfallzeiten gebe.
Auch der Mehrheit der Politiker fehlte der Glaube, dass ein moderner Naturrasenplatz in drei bis vier Jahren nicht wieder genauso kaputt und unbespielbar wäre, wie es der Rasen heute ist. Bis auf André Hilbers hoben sie daher alle die Hand für den Kunstrasenplatz.