Die Gemeinde Ritterhude lehnt den Entwurf des Landkreises Osterholz für das Teilprogramm Windenergie im laufenden Verfahren des Regionalen Raumordnungsprogramms als "nicht hinreichend durchdacht" ab. Dabei geht es hauptsächlich um den de-facto-Ausschluss des westlichen Sankt Jürgenslands bei der Ausweisung der Potenzialflächen für Windkraftanlagen. Dieser wird im erwähnten Entwurf unter anderem mit einem Hinweis des Landes begründet, dass dort Blässgänse zu rasten pflegen. Dem folgt der Landkreis.
"Auf der einen Seite wird eine potenzielle Windenergiefläche wie Sankt Jürgensland (West) in der zweiten Stufe der Beurteilung herausgenommen und nicht weiterverfolgt, weil Konflikte mit den dort vermuteten Gastvögeln bestehen können. Auf der anderen Seite werden Windenergieflächen in Wäldern wie Schmidts Kiefern geplant", heißt es in der von der Ritterhuder Gemeindeverwaltung erarbeiteten Stellungnahme, die vom Landkreis Osterholz im Zuge des – inzwischen in der Öffentlichkeitsbeteiligung angelangten – Verfahrens angefordert wurde. Die große Mehrheit der Mitglieder im Ausschuss für Bau, Planung, Umwelt und Verkehr schloss sich dem Positionspapier der Gemeinde jetzt an. Denn: Naturschutzfachlich liege in der Aufnahme von Schmidts Kiefern "eine gewisse Unwucht und Widersprüchlichkeit, da durch Windenergieanlagen in Wäldern nicht nur Vögel, sondern auch andere Waldbewohner sowie die Bäume als wichtige CO2-Speicher beeinträchtigt, gefährdet und zerstört werden".
Unterschiedliche Meinungen
Den vorgetragenen Argumenten "nicht so ganz folgen" vermochte allerdings Grünen-Fraktionschef Wolfgang Goltsche, der stattdessen eine "großräumigere" Denkweise empfahl, so wie zuvor schon von Dominik Vinbruck vorgeschlagen. Der Kreisdezernent war zusammen mit seinem Mitarbeiter Markus Kampmann ins Ritterhuder Rathaus gekommen, um zu erklären, wie die Landkreise als Träger der Regionalplanung bei der Umsetzung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes vorgehen. Für den Landkreis Osterholz, berichtete Kampmann, sei das Erreichen eines Teilflächenziels von 0,92 Prozent der Landkreisfläche bis 31. Dezember 2027 sowie das Erreichen eines Teilflächenziels von 1,18 Prozent der Landkreisfläche bis 31. Dezember 2032 verbindlich festgelegt.
Für die Identifizierung der Potenziale gibt es eine lange Liste von Ausschlusskriterien, wie Kampmanns ausführlicher Vortrag verriet. Übrig bleiben in einem komplizierten Abwägungsprozess schließlich jene Bereiche, deren Nutzung durch die Windenergie den geringstmöglichen Schaden für Mensch und Umwelt verursachen. Vinbruck: "Für das Gelingen der Energiewende ist die Nutzung von Windenergie ein wichtiger Baustein. Aber das Gesicht des Landkreises wird sich dadurch verändern."
Was den Westen des Sankt Jürgenslandes angeht, so hatte die Grünen-Fraktion im zuständigen Fachausschuss des Kreistags bereits im vergangenen Jahr den ökologischen Wert des Gebietes gerühmt, das in der Gemeinde Ritterhude zwischen der Wümme und den Kreisstraßen K 43 der K 8 liegt, und eine "Ausklammerung" aus dem Bestand der Potenzialflächen gefordert. Seinerzeit war man damit aber nicht durchgedrungen. In der Sitzung des Ritterhuder Ausschusses für Bau, Planung, Umwelt und Verkehr wurden dagegen nun auch die wirtschaftlichen Vorteile wie Steuereinnahmen angesprochen, von denen der Haushalt nicht profitiert, wenn in der Kommune wenig bis keine Windenergie produziert wird. Weitere Potenzialflächen gibt die Gemeinde Ritterhude nach Landkreis-Expertise nur im Landschaftsschutzgebiet Bremer Schweiz nordöstlich von Stendorf her. Dort könnte die Errichtung von drei Anlagen möglich sein.
"Besser als die Alternativen"
In ihrer Stellungnahme für den Landkreis empfiehlt die Gemeinde Ritterhude, Sankt Jürgensland (West) als Windenergie-Potenzialfläche "vordringlich weiter zu verfolgen". Die Kommune sei sich der zukünftigen Entwicklungen im Wärme- und Strombereich bewusst und wolle ihre Planungen danach ausrichten. Das betreffende Gebiet sei "entscheidend, um in Zukunft bezahlbare Energie in den Sektoren Strom, Wärme und Mobilität sicherstellen zu können."
Aber auch aus ökologischer Perspektive sei der Standort eindeutig besser geeignet als seine Alternativen: Die Blässgänse könnten durch Anti-Kollisionssysteme geschützt werden. Außerdem werde im westlichen Sankt Jürgensland weniger Fauna und Flora beeinträchtigt als in einem Waldgebiet. Schließlich bieten die Ritterhuder einen Kompromiss an. Sie fragen: Wäre es nicht auch möglich, die Fläche Sankt Jürgensland (West) so zu verkleinern, dass sie wirtschaftlich noch tragfähig wäre, aber nicht gänzlich entfiele? "Die Auswirkungen wären dann nochmals geringer als bei der bisher geplanten Fläche. Beispielsweise könnten die Flächen so zugeschnitten werden, dass lediglich zwölf bis 15 Windkraftanlagen entstehen statt der möglichen 25." Eine Konzentration der Windenergieproduktion im Sankt Jürgensland erscheine unter den geschilderten Bedingungen möglich und sinnvoller als im Landschaftsschutzgebiet Bremer Schweiz oder in Waldflächen.