Ritterhude. Die Haltung der Bürgerfraktion/FDP-Gruppe im Rat der Gemeinde Ritterhude ist so klar wie einfach: „Wir wollen keine weiteren Gewerbeflächen in Ihlpohl“, sagt Jürgen Ahlers (Bürgerfraktion). Auf die Bevölkerung bezogen habe dieser Ortsteil von Ritterhude die meisten Flächen. Waldemar Orthmann (FDP) nickt: „Wir haben deshalb immer dagegen gesprochen.“ Das wüssten die Bürger. Wahrscheinlich hätten sie sich deshalb an sie gewandt, als das Thema nun wieder aktuell wurde, vermuten die Ratsherren.
Hintergrund: Eine Mehrheit der Ratsmitglieder stimmte im Juni 2018 zunächst im Fachausschuss, dann im Verwaltungsausschuss (VA) dafür, die sogenannte Fläche „Heidkamp-Nord“ zum Gewerbegebiet zu entwickeln. Darauf aufbauend traf nun der Verwaltungsausschuss die Entscheidung, dass der Vorentwurf in die frühzeitige Beteiligung öffentlicher Träger und Bürger gehen soll. Die Fraktion der Grünen brachte daraufhin das Vorhaben Anfang Juli im Rat öffentlich zur Sprache (wir berichteten) und auch die Gruppe hakte nach.
An diesem Abend treffen sich nun die Mitglieder der Bürgerfraktion/FDP-Gruppe an der Straße Klemperhagen und damit quasi an der Rückseite des künftigen Gewerbegebietes mit Anwohnern und Ihlpohlern. Im Gepäck haben sie den Vorentwurf für die Gewerbefläche, mit dem die Gemeinde in die frühzeitige Beteiligung gehen will.
Ohne Pandemie wäre solch ein Vorentwurf zunächst dem zuständigen und öffentlich tagenden Fachausschuss vorgestellt worden, bevor sich der Verwaltungsausschuss mit ihm befasst hätte. Coronabedingt fanden bis Anfang Juli allerdings keine öffentlichen Sitzungen in Ritterhude statt. Daher kam der Verwaltungsausschuss direkt zum Zug.
Mit der frühzeitigen Beteiligung stünden sie aber erst ganz am Anfang des Verfahrens, weist Dagmar Rennecke vom beauftragten Planungsbüro Instara hin. Normalerweise werde solch ein Entwurf im Laufe des Verfahrens drei Mal in öffentlichen Sitzungen vorgestellt. Auch gebe es nicht nur die frühzeitige Beteiligung, der Entwurf werde zu einem späteren Zeitpunkt noch öffentlich ausgelegt. Für Bürger gebe es also mehrmals die Gelegenheit, Anregungen und Bedenken einzubringen, versichert die Diplom-Ingenieurin.
„Im VA hatte ich Fragen zu diesem Gewerbegebiet gestellt“, berichtet Jürgen Ahlers beim Ortstreffen. „Die konnte die Verwaltung mir nicht beantworten.“ Die Gruppe gibt sich damit nicht zufrieden. Sie hat einen Fragenkatalog zusammengestellt, der schriftlich an die Verwaltung gehen werde, teilt Ahlers mit. „Wir haben hier den zweiten vor dem ersten Schritt gemacht“, kritisiert Waldemar Orthmann. Zunächst hätten die Politiker doch darüber informiert werden müssen, was das Vorhaben die Gemeinde kosten wird. So wüssten sie gar nicht, ob Ritterhude sich das leisten könne. „Die Zuwegung wird teuer“, mutmaßt Orthmann und fürchtet, dass sich das Vorhaben für die Gemeinde am Ende eben doch nicht rechnet. Auch die Frage, wie viel Fläche für eine Bebauung und Nutzung durch Gewerbe übrigbleibe, sei ebenfalls wichtig. Fest stehe derzeit aber nur, dass die Gesamtfläche gut 4,5 Hektar misst. Brutto.
Der Blick auf den Vorentwurf verrät, dass das Plangebiet vom Heidkamp aus durch eine zentral verlaufende Straße mit Wendehammer erschlossen werden soll. Ein zehn Meter breiter, bepflanzter Wall, auf dessen Krone eine zwei Meter hohe Schallschutzwand errichtet wird, soll die westlich angrenzende Wohnbebauung vor Emissionen aus dem Gewerbegebiet schützen. Im Norden stößt dieser Wall auf eine ebenfalls zehn Meter breite, neu anzupflanzende Hecke aus Bäumen und Sträuchern – hinter der die Autobahn verläuft. Bis zum Heidkamp soll dieser lebendige Schutzwall im Osten das Gewerbegebiet eingrünen. Im Entwurf schmiegt sich ein grauer Streifen innerhalb des Plangebietes an die Hecke. Dadurch vergrößert sich der Abstand zur Autobahn auf gut 40 Meter: die Bauverbotszone. Auf dieser grauen Fläche dürfen die künftigen Gewerbetreibenden keine Gebäude errichten. Als Lagerfläche ist sie jedoch nutzbar. Eine ganz im Norden – auch an das letzte Wohnhaus – angrenzende Fläche, soll Ausgleichsfläche und mit Obstbäumen bepflanzt werden.
„Viel bleibt da am Ende wohl nicht für das Gewerbe übrig“, vermutet Ahlers. Geschätzt vielleicht drei Hektar. „Es gibt andere mögliche Gewerbeflächen in Ritterhude, die größer wären“, betont er. Und welches Gewerbe solle am Heidkamp überhaupt angesiedelt werden, wollen Bürgerfratkion und FDP ebenfalls von der Verwaltung erfahren.
Diese Fragen treiben auch die Ihlpohler um, die zu dem spontanen Treffen gekommen sind. „Warum wird denn nicht eine dieser größeren Flächen umgewandelt“, will ein Bürger wissen. Hatte nicht ein vom Landkreis in Auftrag gegebenes Gutachten ergeben, dass Ritterhude für die nächsten 30 Jahre einen Bedarf an etwa 6,2 Hektar für Gewerbeansiedelungen hat? Mit Heidkamp-Nord sei dieser Bedarf jedenfalls nicht zu decken, meldet sich ein weitere Bürger kritisch zu Wort: „Diese kleine Fläche lohnt sich doch gar nicht.“