Nichts geht mehr auf der Inselbrücke. Das Bauwerk über dem Rechten Nebenarm der Weser zur Insel Harriersand ist für den Verkehr an diesem Vormittag voll gesperrt. Dafür tut sich unter der Brücke umso mehr. Auf einem mobilen Metallsteg, der von einem Spezialfahrzeug auf der Überführung bewegt wird, stehen zwei Männer. Der eine klopft mit einem Hammer gegen den Beton. Ganze Stücke platzen ab und fallen in den Schlick des Flussarmes, in dem gerade Ebbe ist. "Das sieht nicht gut aus", entfährt es Ulrike Becker. Die Schwaneweder Bauamtsleiterin beobachtet vom Ufer aus die Arbeiten unter der Brücke.
Das Bauwerk wird an diesem Tag von Mitarbeitern der Bremer Ingenieurgruppe pb+ im Rahmen einer Hauptprüfung unter die Lupe genommen. Die ist für Brücken alle sechs Jahre vorgeschrieben. Der Zustand des Betons, der Stützen Fugen, des Fahrbahnbelags, des Geländers – alles wird untersucht. Stück für Stück bewegt sich die Arbeitsplattform mit den zwei Männern unter der Brücke voran, Zentimeter für Zentimeter kontrollieren die Fachleute den Beton auf schadhafte Stellen. Wo sie Abplatzungen entdecken, kommt der Hammer zum Einsatz. "Es wird geprüft, ob der Beton sich von der Bewehrung löst", erklärt Ulrike Becker. Die Bewehrung, das ist das, was im Beton liegt: eine Stahlkonstruktion, die die Tragwirkung des Betons verstärkt. "Der Stahl muss durch den Beton geschützt sein", erläutert die Bauamtsleiterin. Abplatzer und Risse im Beton sind deshalb ein Alarmsignal. Solche Schäden werden näher untersucht. Die Prüfer verfahren dabei immer nach dem gleich Schema: Beton abklopfen, Schadstelle vermessen und fotografieren. Alles wird dokumentiert.
An diesem Tag kommen Hammer, Zollstock und Kamera öfter zum Einsatz. "Die Brücke ist 1965 erbaut worden. Da ist nicht mehr alles in Ordnung", weiß die Bauamtsleiterin. Die Mängel sind seit 2017, der letzten Hauptprüfung, bekannt. Damals erhielt die Brücke die Note 3,4. Eine Bewertung von 3,0 bis 3,4 heißt bei Brückenbauwerken: nicht ausreichend. Neben Schäden am Geländer und am Asphalt der Fahrbahn wurden seinerzeit schon Risse im Beton und Abplatzungen mit freiliegender Bewehrung festgestellt. Seitdem ist es noch schlimmer geworden. "Das war da noch nicht so großflächig, wie es sich jetzt darstellt", sagt Ulrike Becker.
Schadhafte Fugen
Neben den Betonschäden gibt es ein weiteres Problem: Die Fugen machen Sorgen. "Die Brücke hat zwei Bewegungsfugen, die seit Längerem schadhaft sind", erklärt Ulrike Becker. Diese Fugen sollen als Zwischenraum die Bewegungen der Betonplatten der Brücke, die durch Temperaturschwankungen oder auch Verkehrsbelastung entstehen, ausgleichen. "Bei modernen Brücken liegen die Betonplatten auf einer Gleitschicht oder Rollenlagern. Bei der Inselbrücke nicht. Hier reibt Beton auf Beton", erklärt Ulrike Becker. "Der Prüfer hat uns dringend geraten, die Fugen zeitnah zu sanieren."
Die Tragfähigkeit der 4,60 breiten und zwischen den Widerlagern rund 72,6 Meter langen Brücke sei durch die Probleme aber nicht stark eingeschränkt, betont die Bauamtsleiterin. 1996 sei das Bauwerk mit zusätzlichen Stahlbetonpfeilern nachgerüstet worden: Vier stützen seitdem im Flussbett die Mittelplatte der Brücke, weitere Pfeiler sind im Uferbereich gesetzt worden. Ausgelegt ist die Brücke für eine Höchstbelastung von 24 Tonnen. "Wir haben sie aber nur bis 20 Tonnen freigegeben", erklärt Becker. Auch wegen der Mängel.
Die Fahrbahn selbst sieht aus wie ein Schweizer Käse: Beschichtung und Belag sind löchrig, darunter ist der nackte Beton sichtbar. Die Gefahr: "Wenn Risse entstehen, kann Wasser eindringen und die Bewehrung der Brücke angreifen." Die Stahlkonstruktion kann korrodieren.
Auch wenn die Ergebnisse der Hauptuntersuchung erst noch ausgewertet werden müssen – ein Fazit kann die Bauamtsleiterin jetzt schon ziehen: "Der Zustand der Brücke hat sich verschlechtert." In einem weiteren Schritt soll ein Sanierungskonzept erstellt werden. Für eine Ertüchtigung des Bauwerkes steht im Haushalt 2022/23 bereits Geld zur Verfügung: 500.000 Euro.