Leuchtenburg. Wenn Karl-Gerd Brand aus seinem Wohnzimmerfenster schaut, fällt sein Blick auf eine alte Mühle. Einer seiner Vorfahren hat sie vor über 200 Jahren erbaut. "1935 schlug ein Blitz ein", erzählt der Leuchtenburger. Da war die Mühle schon viele Jahre stillgelegt. Der obere Teil des Bauwerks brannte ab, nur das Mauerwerk des Sockels blieb stehen. Heute sind dort Pferde untergestellt.
Nach der Mühle ist die Straße benannt, an der Karl-Gerd Brand wohnt. In seinem Elternhaus, das seit 1868 am Mühlenweg in Leuchtenburg steht und in dem der heute 80-Jährige seit seiner Geburt zu Hause ist. Tradition spielt in seinem Leben eine große Rolle, nicht nur in der Familie, sondern auch in seinem Wirken als Kommunalpolitiker. Seit 45 Jahren ist Karl-Gerd Brand Ortsbürgermeister von Leuchtenburg und damit der dienstälteste in der Gemeinde Schwanewede.
"Ich habe mich früh für dörfliche Politik interessiert", sagt er. Auslöser sei Anfang der 1970er-Jahre eine geplante Autobahntrasse durch Leuchtenburg gewesen. Karl-Gerd Brand ging mit anderen dagegen auf die Barrikaden. Der Widerstand war erfolgreich. Einige Trassengegner gründeten daraufhin im Mai 1975 die Aktionsgemeinschaft Bremer Schweiz. Brand gehörte dazu.
"Mein Credo ist: Wer möchte, dass die Allgemeinheit tätig wird, muss auch selber etwas dafür tun", sagt er. Deshalb kandidierte der gelernte Landwirt und Fleischer 1974 erstmals für den Ortsrat Leuchtenburg und wurde gewählt. Leuchtenburg war gerade durch die Gebietsreform ein Teil der neuen Großgemeinde Schwanewede geworden. Brand zog für die CDU in den Ortsrat ein. "Den Ortsverein Leuchtenburg hatten wir kurz vor der Gebietsreform gegründet", erzählt er. Mit Brand an der Spitze sind die Christdemokraten seither stärkste politische Kraft im Ort.
Leuchtenburg war 1976, als er Ortsbürgermeister wurde, noch ein Dorf, in dem laut Brand "die Infrastruktur zu wünschen übrig ließ". Straßen- und Kanalbau waren angesagt. Die Erneuerung von Straßen liegt Karl-Gerd Brand bis heute am Herzen. Da kann er sehr beharrlich sein. Beispiel Privatweg. Seit Jahren kämpft er mit dem Ortsrat um die Sanierung der Straße. "Da bleibe ich dran. Ich möchte erleben, dass der Weg in einen vernünftigen Zustand versetzt wird."
Schulpolitik war ein großes Thema
Ein großes Thema sei in den 1980er- und 1990er-Jahren in Leuchtenburg die Schulpolitik gewesen, erinnert sich Karl-Gerd Brand, der von 1976 bis 2011 auch dem Gemeinderat Schwanewede angehörte. Leuchtenburg hatte keine eigene Grundschule, die Kinder gingen nach Bremen. Als der Gastvertrag mit Bremen auslief, sei es um die Frage gegangen: Wo sollen die Leuchtenburger Grundschüler künftig unterrichtet werden? Dass sie heute den kürzeren Weg zur Wiesenschule in Beckedorf nehmen können, statt den weiteren nach Schwanewede, dazu hat Brand beigetragen. Bei der Abstimmung seinerzeit im Gemeinderat bewies der Leuchtenburger Ortsbürgermeister, dass er taktieren kann: "Ich wusste, dass wir bei offener Abstimmung die Schüler nicht nach Beckedorf bekommen hätten. Als CDU-Fraktionsvorsitzender beantragte ich deshalb geheime Abstimmung." Die Entscheidung sei schließlich für Beckedorf gefallen. Dort wurde am 25. Oktober 1996 die Wiesenschule für Kinder aus Leuchtenburg, Löhnhorst und Beckedorf eingeweiht.
Pläne der Gemeindeverwaltung für ein behütetes Dorf für Behinderte in einem Waldstück bei Forsteck sorgten laut Brand in den 1970er-Jahren für Aufruhr in Leuchtenburg. "Da sollte massiv gebaut werden, mit Mehrgeschossbauten. Dagegen gab es erheblichen Widerstand im Ort." Auch er als Ortsbürgermeister habe das Projekt abgelehnt. "Ich habe damals gesagt: Hochbauten haben in einem Wald nichts zu suchen." Am Ende wurde nicht gebaut.
Auf Konsens bedacht
Kontroverse Debatten in den öffentlichen Ortsratssitzungen habe er immer versucht, zu vermeiden, sagt Karl-Gerd Brand. "Wenn es Dinge gab, über die wir uns nicht einig waren, habe ich vorher die Fraktionen zu einem gemeinsamen Gespräch gebeten. Wir haben es immer hinbekommen, einen Konsens zu finden." Brand ist überzeugt: "Wenn wir in unserer kleinen Ortschaft nicht mit einer Stimme sprechen, können wir uns in der Gemeinde nicht durchsetzen."
Ein Dauerthema im Ortsrat war der Bebauungsplan Leuchtenburg-Mitte. Mehrfach gab es Anträge, hier zusätzliche Baugrundstücke auszuweisen. Der Ortsbürgermeister und der Ortsrat lehnten hartnäckig ab. "Wir wollen in Leuchtenburg weiträumig bleiben und nicht so viel nachverdichten. Nachbarn sollen sich hier nicht gegenseitig auf die Terrasse gucken", sagt Karl-Gerd Brand. Er selbst genießt von seinem Hof den weiten Blick über Wiesen und Felder der Bremer Schweiz.
Auch die Unterstützung der Freiwilligen Feuerwehr im Ort ist dem Ortsbürgermeister wichtig, der selbst seit 1959 Mitglied dort ist und 23 Jahre Ortsbrandmeister war. Als er noch Landwirt, Abgeordneter im Kreistag Osterholz, Ratsherr in Schwanewede und Ortsbürgermeister in Leuchtenburg war, habe er sich "drei Mal am Tag im Galopp umgezogen", erzählt Brand, der für sein Engagement 2010 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde.
Heute kann er es ruhiger angehen lassen. Die eigene Landwirtschaft mit Milchvieh hat er vor Jahren aufgegeben, die Ländereien verpachtet. Bis vor zwei Jahren betrieb er ein landwirtschaftliches Lohnunternehmen. Einige Geräte stehen noch in der Maschinenhalle auf dem Hof. Hier schweißt und schleift Karl-Gerd Brand, wenn ihn nicht gerade eine Ortsratssitzung oder andere Verpflichtungen als Ortsbürgermeister wie die Organisation der alljährlichen Dorfputz- und Pflanzaktion fordern. Kommunalpolitisch ist er auch kürzer getreten, vor fünf Jahren aus dem Kreistag ausgeschieden, in diesem Jahr aus dem Gemeinderat. Aus Altersgründen, sagt Brand, der in jungen Jahren mit seiner Frau Käte leidenschaftlich Rock'n'Roll tanzte. In zwei Jahren kann das Paar, das zwei Söhne hat, Diamantene Hochzeit feiern. In fünf Jahren steht die nächste Kommunalwahl an. Karl-Gerd Brand wäre dann 50 Jahre als Ortsbürgermeister im Amt. Ob er noch mal kandidiert? "Schau'n wir mal", sagt Brand.