Jan Tholen verließ das Tor. 38 Sekunden waren in der Handball-Verbandsliga noch zu spielen, die HSG Schwanewede/Neuenkirchen führte hauchzart mit 29:28 (15:9) und der MTV Eyendorf machte sich für den fälligen Siebenmeter bereit. Das sind die Duelle, in denen Torhüter zum Helden werden können. Ausgerechnet da ließ Jan Tholen das i-Tüpfelchen auf seine gute Vorstellung sausen. Er ging zur Schwaneweder Reservebank und wechselte sich gegen Jannis Nowitzki aus.
„Natürlich hätte ich den Siebenmeter gerne genommen. Da Jannis aber vorher schon einige entschärft hat, habe ich mein Ego hinten angestellt“, klärte Tholen das Geschehen auf – und lag mit seiner Entscheidung goldrichtig. Denn Jannis Nowitzki parierte tatsächlich auch diesen Strafwurf und fand sich kurze Zeit später in einer Jubeltraube wieder. Mit diesem Erfolg arbeitet sich der Oberliga-Absteiger in der Tabelle mit 6:8 Zählern ins Mittelfeld vor.
„Die Punkte sind da, das Selbstvertrauen meiner Spieler wird größer“, zeigte sich HSG-Trainer Tizian von Lien nach dem zweiten Sieg in Folge rundum erleichtert. Endgültig im Sack haben die „Schwäne“ die Zähler aber noch nicht, da die Gäste unmittelbar nach dem Abpfiff vorsorglich einen doppelten Einspruch gegen die Wertung einlegten. Sie bemängelten, dass sich die Unparteiischen bei der Hinausstellung eines MTV-Spielers für den falschen entschieden hätten. Der Hinausgestellte hätte sich nicht annähernd in „Tatortnähe“ aufgehalten, trotz der Intervention der MTV-Bank, und dem Geständnis des Foulverursachers wären die Schiedsrichter bei ihrer Entscheidung geblieben. Für gewöhnlich handelt es sich hierbei um eine Tatsachenentscheidung der Referees.
Der zweite Einspruch zielt auf eine Szene ab, in der Cedric Scharnke nach einem Treffer auf den Solarplexus auf dem Spielfeld behandelt werden und sich im Anschluss in der Kabine kräftig übergeben musste. Laut Gäste-Wahrnehmung soll der Schwaneweder Tim Paltinat während dieser Unterbrechung das Spielfeld betreten haben, weshalb sie auf einen strafbaren Wechselfehler pochen.
Die „Schwäne“ bestreiten, dass dieses so stattgefunden hat. Unmittelbar protestiert hatten die Gäste während der beanstandeten Situation nicht. Jetzt müssen sie zunächst einmal kurzfristig entscheiden, ob sie den angekündigten Einspruch auch tatsächlich kostenpflichtig schriftlich einreichen werden. Erst danach wird das Verfahren auch wirklich in Gang gesetzt. „Ich glaube nicht, dass einer der angeführten Gründe zählen wird“, sagt Tizian von Lien.
Das Spiel selbst war auch so nicht ohne Brisanz, da der MTV Eyendorf Anfang der Woche über eine Spielverlegung nachgedacht hatte. Fünf seiner Spieler seien attestiert ausgefallen, war HSG-Teammanager Henning Schomann mitgeteilt worden. Da die Gäste jedoch innerhalb der vierwöchigen Nachholfrist keine Chance gesehen hatten, in Schwanewede anzutreten, war es beim angesetzten Termin geblieben. „Deren Leistungsträger waren an Bord, da war kaum ein Aderlass zu sehen“, meinte Tizian von Lien.
Die Hausherren erwischten einen Auftakt nach Maß und setzten sich innerhalb von 20 Minuten auf 12:4 ab. Alles deutete darauf hin, dass sie ihrem Rückraumspieler Kevin Ritter an dessen Geburtstag problemlos das ausdrücklich gewünschte Geschenk in Form von zwei Punkten überreichen würden. „Unsere 6:0-Deckung war die ersten 25 Minuten sehr stark, dazu haben wir vorne gut getroffen“, war Tizian von Lien mit der ersten Hälfte „sehr zufrieden“.
Im zweiten Durchgang wurde die Gästeabwehr aggressiver, womit sie den Schwaneweder Spielfluss ins Stocken brachte. Dadurch zog der Tabellenvierte beim 24:24 (52.) erstmals seit dem 2:2 wieder mit der HSG Schwanewede/Neuenkirchen gleich. Nach dem Match in Hatten-Sandkrug gingen die „Schwäne“ auch aus dieser Chrunchtime als Sieger hervor. „Wir haben in der hitzigen Situation einen kühlen Kopf bewahrt“, lobte Tizian von Lien. Mehr noch: Der Linkshänder Tim Paltinat preschte 57 Sekunden vor Ultimo durch die MTV-Abwehr und traf zur alles entscheidenden 29:28-Führung.
„Genauso, wie ich es mehrfach gepredigt habe“, strahlte der HSG-Trainer. Im Feld war für ihn jedoch Lars Winkel mit einem starken Zweikampfverhalten am Kreis, einigen herausgeholten Strafwürfen und einer überragenden Verteidigung der Mann des Tages. Das Zusammenspiel der Schwaneweder Torhüter machte den Abend in der Heidehalle dann richtig perfekt.