Kresse kennt jeder. Dass auch die Keimlinge von Rotkohl oder Cantaloupe-Melonen essbar sind, darüber staunen viele Kunden des Start Ups Leuchtenburger Microgreens. „Unsere Kunden kennen unsere Produkte nicht, aber wenn sie sie probiert haben, nehmen sie immer etwas mit“, versichert Geschäftsführer Onur Kartal. Sein Unternehmen hat sich auf die Anzucht von Keimlingen spezialisiert. Es verkauft sie im eigenen Hofladen, auf Grünmärkten und beliefert Sterneköche.
Ansässig ist die neue Firma kurz hinter der Bremer Landesgrenze, im ländlichen Leuchtenburg. Dass in einem Bauernhausensemble mit Reetdach „Vertical farming“ betrieben wird, ist von außen nicht zu vermuten. Nur ein kleines Schild weist auf den Hofladen hin. Wer durch die Tür tritt, findet sich in einem Meer aus leuchtend bunten Sprösslingen wieder. Die Keimlinge, die hier auf kompostierbaren Hanfmatten in Metallregalen gezüchtet werden, sind nicht alle grün.
Renner auf dem Domshof
Roter Amaranth gedeiht im künstlichen Licht gleich neben Rotkohl- und Möhren-Keimlingen. Brokkoli und Erbsen gibt es hier ebenfalls in Kleinstform. „Viele glauben erst gar nicht, dass die Keimlinge von diesen Pflanzen essbar sind“, schildert Vanessa Schmidt, die sich seit Februar um den Hofladen kümmert. Immer lässt sie Neukunden probieren, etwa die Keimlinge der Sonnenblumensamen, die leicht nussig schmecken. Andere sind würzig-scharf wie der Schnittlauch-Knoblauch. „Der ist der Renner auf dem Domshof, um halb zwölf war der am ersten Tag ausverkauft, obwohl wir 20 Schalen mit hatten.“
Inzwischen seien viele Nachbarn Stammkunden. Denn die Keimlinge seien vielseitig einsetzbar, wirbt Vanessa Schmidt. „Man kann sie wie Kresse auf Brot essen oder über die Suppe streuen. Oder für leckere Dips verwenden.“ Und gesund sind Keimlinge, die sogenannten Microgreens, offenbar auch. Sie stecken laut Vertreiber voller Vitamine, Mineralstoffe und Proteine. „Sie enthalten mehr gesunde Nährstoffe als ausgewachsene Gemüse- und Kräuterpflanzen“, erläutert Kartal. Er betont, dass die Firma ausschließlich zertifizierte Bio-Keimsaat aus kontrolliertem Anbau verwendet.
Anfragen von Restaurants
Sieben bis 14 Tage gedeihen die Microgreens, bis sie verzehrfertig geerntet werden. Das heißt, geschnitten werden sie nicht: „Soweit wir wissen, sind wir in Deutschland das einzige Unternehmen, das die Keimlinge ungeschnitten vertreibt. Die meisten schneiden sie und packen sie dann ab“, berichtet Kartal.
Hauptberuflich sind die Schwaneweder Geschäftspartner Onur Kartal und Rickard Adolfsson in der internationalen Schifffahrt tätig. Wie sind sie auf Keimlinge gekommen? Durch Zufall, sagt Kartal. Sein Kollege Adolfsson habe als Hobby-Koch privat mit Keimlingen herumprobiert und sei begeistert von den Ergebnissen gewesen. „Wir haben dann in der Garage angefangen, Samen zu züchten“, ergänzt Vanessa Schmidt, die ebenfalls in Leuchtenburg wohnt. Damals arbeitete die Mutter von zwei Kindern noch in einem Café. Zu der Zeit war ihr nicht klar, dass sie bald Produktionsleiterin einer Firma sein würde. Das war vor etwa sechs Monaten.
Das Interesse an den neuen Keimlingen ist so groß, dass Microgreens weiterwachsen will. Onur Kartal und seine Frau Banu sowie Rickard Adolfsson planen, neue Kollegen einzustellen, um mehr Märkte beliefern zu können. Und weil Touristen aus Berlin nachgefragt haben, hat das Team ein Heimaufzucht-Kit entwickelt – ein Baustein zur Selbstversorgung. Auch Bestellungen von Restaurants gebe es, weshalb das Haus ausgebaut werden soll. Neben dem Samenlager sind weitere Anzuchträume vorgesehen. Kartal: „Wir können dann bis 500 Anzuchtschalen pro Woche produzieren.“