Herr von Lien, zum Jahreswechsel sollen böse Geister mit Böllern verscheucht werden, so heißt es. Ihr Team liegt nach zwölf Spieltagen sieben Punkte hinter einem Aufstiegsplatz: Welche bösen Geister müssen Sie verscheuchen, damit es bei Ihrem Team bis zum Saisonende besser läuft?
Tizian von Lien: Ich würde nichts „verscheuchen“ wollen. Allerdings hoffe ich, dass meine Spieler gesund werden, beziehungsweise bleiben, und wir gemeinsam in ein erfolgreiches Jahr starten.
Haben Sie die Qualität in der Verbandsliga unterschätzt?
Das würde ich nicht sagen. Uns war bewusst, dass sich die Liga über die Jahre entwickelt hat und gut ist. Ich habe aber auch eine junge Mannschaft, die ihre Erfahrungen erst allmählich sammeln musste. Leider kam dann noch hinzu, dass wir zum Saisonstart auf etablierte Spieler wie Marco Wilhelms, Niklas Mechau und John Westermeier verzichten mussten. Alle drei haben in der Folge gezeigt, dass sie die Mannschaft besser machen.
Halten Sie weiter am Saisonziel Wiederaufstieg in die Oberliga fest?
Wir haben im Team aktuell einen hohen Krankenstand, sodass wir nicht darüber sprechen konnten. Für mich persönlich bleibt das Aufstiegsziel bestehen. Den Sieben-Punkte-Rückstand aufzuholen, ist eine große Aufgabe und bedeutet sehr harte Arbeit, da darf nicht viel schiefgehen. Aber ich halte nichts davon, als Ziel den vierten Platz auszugeben. Ausrutscher dürfen wir uns jedoch kaum erlauben.
Wo sehen Sie die größere Baustelle: Im Angriff oder in der Abwehr?
Zuletzt war beides gut. Die Abwehr und ihr Zusammenspiel mit den Torhütern genauso wie der Angriff. Die Abwehr ist für mich sehr wichtig, weil wir damit die Geschicke selbst in die Hand nehmen. Denn wenn wir hinten gut stehen, dann kommen wir auch zu unserem Tempospiel. Das hilft uns, da wir nicht über die Rückraum-Shooter verfügen.
Ihre Mannschaft hat in den 16 verbleibenden Spielen lediglich sieben Mal Heimrecht. Das macht die Aufholjagd nicht gerade leichter.
Natürlich ist es angenehmer, zu Hause vor den eigenen Fans zu spielen. Bei unserem nächsten Gegner Schüttorf und im März in Daverden stehen wir aufgrund des Backeverbots in deren Hallen auch vor Herausforderungen. Das ändert jedoch nichts daran, dass wir den Abstand zu den Aufstiegsplätzen möglichst minimieren wollen. Dazu müssen wir gewinnen, egal ob zu Hause oder auswärts.
Welcher Spieler hat Sie am meisten überrascht?
Das ist schwierig zu beantworten. Ich habe mich sehr über die guten Leistungen von Dominik Koppenstein im Tor gefreut. Cedric Scharnke ist im Rückraum deutlich stabiler und zu einer festen Größe geworden. Er übernimmt mehr Verantwortung, ist gut im Eins-gegen-eins und er liefert gute Anspiele. An der Härte fehlt es ihm noch etwas. Kevin Ritter hat sich von Anfang an wunderbar eingefunden und gleich Verantwortung übernommen.
Bei wem gibt es noch Luft nach oben?
Auf der Linksaußenposition, auf der Marcel Behlmer und Torben Pilger nicht 100-prozentig mit ihrer Wurfquote zufrieden sind. Marco Wilhelms kommt nach seiner Handverletzung immer mehr in die Spur und spielt sich den Kopf frei. In Jonas Keller schlummert mehr als wir bislang von ihm gesehen haben. Er verfügt über die nötige Athletik, Sprungkraft, Schnelligkeit und Wurfhärte. Moritz Voskamp hatte einige Zeit Knieprobleme und konnte beruflich bedingt nicht in der vollen Intensität bei uns trainieren. Das hatte er uns im Vorfeld aber klar kommuniziert. Ich bin gespannt, wie er sich entwickelt, wenn er jetzt intensiver bei uns mittrainieren kann.
Mit Henning Schomann ist Ihr Vorgänger seit dieser Saison Ihr Co-Trainer und Sportlicher Leiter. Wie läuft da die Zusammenarbeit?
Sie könnte kaum besser sein. Ich bin sehr dankbar für all das, was er um mich und um die Mannschaft herum macht. Zudem ist er das perfekte Bindeglied zu den Torhütern und hat im Spiel die Stimmung auf der Bank im Blick. Durch ihn und seine statistischen Auswertungen habe ich noch mehr Überblick. In der Halbzeitpause nutzen wir zunächst fünf der 15 Minuten zu einem gemeinsamen Abgleich unserer Gedanken, bevor es zur Mannschaft in die Kabine geht.
Wie hat Ihre Mannschaft die Weihnachtspause überstanden?
Es hätte besser sein können. Wir haben zwar individuelle Pläne verteilt, Minimum die Hälfte der Spieler war jedoch in der Zeit krank. Jetzt wollen wir schnellstmöglich wieder in den Tritt kommen. Marco Wilhelms, Kevin Ritter, Jonas Keller und Torben Pilger haben zum Teil mehr gemacht als vorgegeben und befinden sich in einer sehr guten Verfassung.
Zu Beginn des neuen Jahres werden oft die Kaderplanungen vorangetrieben. Wie sieht es damit bei Ihrer Mannschaft aus?
Die Gespräche sind mit meinen Spielern größtenteils vor Weihnachten gelaufen. Alle fühlen sich wohl, auch der Trend stimmt mit zuletzt zwei Siegen in Folge. Es gibt auch schon einige Zusagen, über die Henning Schomann als Sportlicher Leiter zu gegebener Zeit informieren wird.
Wie sieht es mit der Akquise von Neuzugängen aus? Der Tabellenstand ist dafür ja nicht gerade optimal, da die Ligazugehörigkeit durchaus auch ein Entscheidungsfaktor ist.
Sicherlich sind Gespräche leichter zu führen, wenn man in der Tabelle ganz oben steht. Den Verein macht aber vieles andere attraktiv, nicht nur die Liga. Wir haben ein gutes Umfeld, viele Zuschauer, einen Athletiktrainer, eine Physiotherapeutin, einen kurzen Draht zur ärztlichen Behandlung, Hallensprecher und einen Fotografen. Das bietet nicht jeder. Für die kommende Saison möchten wir einen Kader zusammenstellen, der den Anforderungen der Oberliga entspricht. Daran arbeiten wir.
Auf welchen Positionen suchen Sie schwerpunktmäßig nach neuen Spielern?
Bedarf besteht auf den Linkshänder-Positionen, auch wenn Tim Paltinat nach seiner Kreuzbandverletzung hoffentlich noch in dieser Saison zurückkehren wird. Klar ist allerdings auch, dass wir den Kader zukünftig auf allen Feldpositionen noch breiter aufstellen wollen, um mehr Konkurrenz zu schaffen.
Und Sie, bleiben Sie der HSG Schwanewede/Neuenkirchen in der kommenden Saison als Trainer erhalten?
Da mein Referendariat im Sommer endet, muss ich schauen, wie es bei mir beruflich aussehen wird. In diesem Monat habe ich ein Gespräch, dann dürfte sich vieles klären.