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Debatte um neue Gülleverordnung Den Bauern stinkt es

Geht es nach der EU, sollen in der Landwirtschaft die Vorgaben für die Düngung auf Grünland und Äckern weiter verschärft werden. Landwirte wie Ralf Schröder aus Heudorf sehen noch viele Ungereimtheiten.
14.04.2019, 18:33 Uhr
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Von Lutz Rode

Die Ferien an der landwirtschaftlichen Fachschule kommen Ralf Schröder gerade recht. Der Landwirt freut sich, dass sein Sohn Leon jetzt Zeit hat, auf dem elterlichen Hof in Heudorf mit anzupacken. Derzeit ist jede Hilfe willkommen: Wie überall in den Betrieben ist auf den Äckern Güllefahren angesagt. Schröder senior weiß, dass die Landwirte dabei kritisch beäugt werden. Sie sollen dafür verantwortlich sein, dass sich vielerorts zu viel Nitrat im Grundwasser befindet, weil deutlich mehr Dünger im Boden landet, als von den Pflanzen aufgenommen werden kann. Landwirt Schröder schließt nicht aus, dass in der Praxis Fehler passieren und es auch Kollegen gibt, „die wirklich Mist bauen“, wie er sagt. Doch das Bild vom Bauern, der Gülle gedanken- und gewissenlos in der Erde versickern lässt, lässt er nicht gelten. „Ich nehme für mich in Anspruch, dass ich einen guten Job mache“, sagt der 47-Jährige.

Aktuell geht es in der Agrarpolitik wieder einmal hoch her: Bund, Länder und die EU ringen darum, die Düngevorgaben für die Landwirte weiter zu verschärfen. Die Europäische Union macht Druck, nachdem Brüssel die Meldungen vom Bund erreicht haben, wie schlecht es um den Zustand des Grundwassers steht. Neue Vorgaben müssen her, sonst drohen saftige Strafzahlungen in Millionenhöhe. Die Düngeverordnung ist zwar erst vor zwei Jahren erneuert worden, doch die darin enthaltenden Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers sind der EU zu lasch.

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Die Landwirte und ihre Interessenvertreter sind angesichts der Vorgaben, die auf sie zukommen, alarmiert. Protestaktionen werden organisiert, so wie am vergangenen Montag, als in Berlin auf Einladung von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner der „Gülle-Gipfel“ stattfand, auf dem nach Lösungen gesucht werden sollte. Am Ende gingen die Beteiligten ohne greifbares Ergebnis auseinander. Niedersachsens Landvolk-Präsident Albert Schulte to Brinke betonte anlässlich des Treffens, dass die Landwirte Verbesserungsvorschlägen offen gegenüber stehen würden, doch dass das, was jetzt an weiteren Verschärfungen diskutiert werde, nicht akzeptabel sei.

Landvolk möchte bestehende Vorgaben weiter wirken lassen

Statt innerhalb kürzester Zeit die Düngeverordnung erneut zu ändern, möchte das Landvolk die 2017 beschlossenen Vorgaben am liebsten weiter wirken lassen und verweist auf erste positive Effekte. Die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast fordert, dass die Landwirte die bereits beschlossenen Maßnahmen konsequenter umsetzen müssten. Den Umweltverbänden gehen die Vorgaben indes nicht weit genug. Zu viele Ausnahmen und Schlupflöcher, kritisieren sie, würden den Landwirten eingeräumt. „Wichtigster Hebel zur Reduzierung von Stickstoffüberschüssen ist eine deutliche Reduktion der Tierbestände – vor allem in den Regionen, die bereits zu hohe Nitratwerte im Grundwasser und Viehbesatzdichten aufweisen“, heißt es in einem Eckpunktepapier.

Ralf Schröder gehört nicht zu der Generation von Landwirten, die sich nach dem Motto „Das haben wir ja noch nie so gemacht“ Veränderungen verschließen. Im Gegenteil. Doch was zu weit geht, geht auch ihm zu weit. Das gilt zum Beispiel für den Vorschlag, dass in belasteten Gebieten die Pflanzen nur noch 20 Prozent unter dem errechneten Bedarf gedüngt werden dürfen, ihnen also weniger Nährstoffe zugeführt werden sollen, als sie für das Wachstum benötigen. Das bringt Ertrags- und auch Qualitätseinbußen mit sich. „Es ist ein Teufelskreis, der da in Gang gesetzt wird“, warnt Schröder. Denn jede Ernte, die kleiner ausfällt, hat Folgen für den Düngebedarf im Folgejahr, von dem dann pauschal wieder 20 Prozent abgezogen werden müssen. Auch für die Böden sei die permanente Unterdüngung nicht gut. „Wenn wir am Stickstoff sparen, führt das zu einem Humusabbau im Boden. Dann passiert genau das Gegenteil von dem, was wir eigentlich wollen. Durch die Unterdüngung betreiben wir Raubbau an unseren Böden“, warnt der Heudorfer.

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Schröder sieht zu, dass er klar kommt. 480 Kühe stehen bei ihm im erst vor vier Jahren neu gebauten Stall, hinzukommen 110 Kälber. Und die brauchen viel Futter: 165 Hektar Ackerfläche bewirtschaftet er und baut dort vorwiegend Mais an. Hinzu kommen 110 Hektar Grünland. Aktuell wird Gülle auf die Äcker gebracht, auf denen Mais wachsen soll. Lohnunternehmer hat Schröder damit beauftragt, doch auch eigenes Gerät kommt zum Einsatz. So wie auf dem Feld, auf dem Sohn Leon unterwegs ist: Die Gülle aus dem 17 000-Liter-Fass fließt über kleine grüne Schläuche bis zu den Kufen, die über den Boden gezogen werden. So ist garantiert, dass die braune Brühe wohl dosiert und gleichmäßig da ankommt, wo sie hin soll. Im Fahrerhaus ist mit einem Blick auf den Bildschirm zu sehen, wo das Gespann schon unterwegs war. Die Zeiten, in denen die Gülle unkontrolliert auf den Feldern versprüht wurde, sind lange vorbei.

Landwirte müssen mit Bürokratie klarkommen

Ein anderes Thema ist die Bürokratie, mit der die Landwirte klar kommen müssen. Ralf Schröder legt die Nachweise vor, die er für die Düngung seiner Flächen schon heute erstellen muss: Alle drei Jahre lässt er Bodenproben nehmen, deren Untersuchungen Auskunft geben über die Nährstoffvorräte und ph-Werte. Auch den Düngebedarf für seine Flächen lässt der Heudorfer Landwirt ermitteln, was seit der Novellierung 2017 auch so vorgeschrieben ist. Hinzukommt die Nährstoffbilanz. Und Nachweise müssen auch erbracht werden, wenn Schröder Gülle an andere Landwirte abgibt. Selbst beim Transport darf eine Deklaration nicht fehlen. „Das kommt mir dann so vor, als ob ich Gefahrgut fahre“, sagt Schröder.

Für Kreislandwirt Stephan Warnken ist klar: Sollte es ab Mai 2020 zu einer Verschärfung der Dünge-Regeln kommen, steht die Existenz vieler Höfe auf dem Spiel. Um die Gülle loswerden zu können, würden die Landwirte größere Flächen benötigen. Weil diese nicht verfügbar seien, wäre die Reduzierung des Tierbestandes auf vielen Höfen die Konsequenz. „Wenn jemand einen Stall für 100 Kühe gebaut und auf dieser Grundlage seine Investition kalkuliert hat, er aber nur noch 80 halten kann, funktioniert das natürlich nicht mehr“, sagt Warnken. Er zweifelt auch am Verfahren selbst: Die Zahl der Grundwasser-Messstellen sei viel zu gering, und alles auf die Landwirtschaft zu schieben, zu einfach. Pauschale Ansätze zur Lösung des Problems lehnt er ab.

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