Frau Schumacher-Reichert, seit mehr als zwei Jahren ist die Corona-Pandemie fester Bestandteil unseres Lebens. Wie hart hat die Pandemie Worpswede getroffen?
Imke Schumacher-Reichert: Für das Künstlerdorf Worpswede hat der Tourismus natürlich eine besondere Bedeutung. Durch die Pandemie war Tourismus, wie wir ihn bis 2019 kannten, aber nicht mehr möglich. Großartige Projekte und Ausstellungen wie 100 Jahre Haus im Schluh oder „Frauenorte“ konnten nur reduziert stattfinden. Für unsere Gäste, die Touristen, blieben Hotels und Ferienwohnungen genauso wie die Gastronomie für eine lange Zeit geschlossen, die Touristen durften nicht anreisen. Das hatte natürlich erheblichen Einfluss auf alle: die Kunstschaffenden, die touristischen Dienstleister und unsere Gäste.
Wie ist der Zusammenhalt in der Gemeinde seit Ausbruch der Pandemie?
Sehr groß. Worpswede ist ein kleiner Ort, die Wege sind also kurz und man unterstützt sich gegenseitig. Augenscheinlich zeugen neue Geschäfte und neue Gastronomen davon, dass Worpswede durch die Pandemie nichts von seiner Kreativität und seiner Zuversicht eingebüßt hat. Die Skulpturen in der Bergstraße ohne Maske entstanden, als wir alle überall Maske tragen mussten.
Ist es also als positiver Aspekt zu bewerten, dass sich einige während der vergangenen zwei Jahre kreativ austoben konnten?
Wir, viele im Ort, sind in der Zeit auf eine neue Weise zusammengerückt.
Was meinen Sie genau?
Zum Beispiel haben die Worpsweder Gastronomen in der Bergstraße eine Genussmeile ins Leben gerufen. So konnten die Besucher vor jedem Restaurant und Café etwas zu essen oder zu trinken kaufen. Dies wäre vielleicht vor der Pandemie nicht so gewesen. Der Ort hat sich in einigen Bereichen neu sortiert.
Wie sah die Arbeit in der Tourist-Info gerade zu Beginn der Pandemie aus?
Wir mussten natürlich auch schließen, haben uns aber schnell den Gegebenheiten angepasst. Gerade zu Beginn haben wir uns als Service- und Informationsstelle für alle touristischen Anbieter des Ortes gesehen. Telefonieren und Mails schreiben war ja nach wie vor möglich. Über einen Newsletter haben wir zusätzlich über Aktuelles im Ort informiert. Nebenbei haben wir intern noch einige Programme umgestellt und die Konzepte von Übernachtungen und Gästeführungen überarbeitet.
Wurden in dieser Zeit auch einige Projekte geplant?
Ja, denn Kunst darf keinen Stillstand kennen, davon waren wir alle überzeugt. Unsere Präsenz in den Sozialen Medien war lebendiges Schaufenster in einer Zeit, in der alles stillstand. Sogar einige Einheimische haben bei uns angefragt, ob man in der Region noch etwas entdecken kann, was sie bisher noch nicht kannten. Die Planung für das aktuelle große Jubiläumsjahr 100 Jahre Heinrich Vogeler erfolgte, obwohl es keinerlei Planungssicherheit gab.
Wie ist aktuell der Zusammenhalt in der Tourismus-Branche?
Sehr gut, man unterstützt sich gegenseitig, würde ich behaupten. So liegen zum Beispiel im Landkreis Osterholz, in Bremen oder auch Bremerhaven Flyer zu Veranstaltungen in Worpswede aus. Aber auch wir informieren Touristen darüber, was man beispielsweise in Bremen gesehen haben muss. Auch der mit Bremen gemeinsam erstellte „Stadt, Land, Kunst Radweg“, also der beschilderte Rundradweg von Bremen bis Worpswede, ist bei den Touristen nach wie vor beliebt.
Welche langfristigen Auswirkungen wird die Pandemie auf den Tourismus in Worpswede haben?
Viele Menschen werden sich vielleicht dafür entscheiden, ihren Urlaub in Deutschland zu verbringen oder ihre Heimatregion etwas näher zu erkunden. Worpswede und sein vielfältiges touristisches Angebot profitieren davon. Neben der Kunst ist es ja zum Beispiel auch der Radtourismus, der boomt. Gegenüber der Vorcoronazeit fällt auf, dass unsere Gäste einen längeren Aufenthalt in den Ferienwohnungen und Hotels buchen. Unter dem Stichwort „Kontaktarmes Reisen“ machen viele tagsüber Ausflüge und kehren am Abend nach Worpswede zurück, um weitere Tage zu bleiben.
Derzeit kommt der Tourismus langsam aber sicher wieder ins Rollen. Wie sind die Buchungszahlen für Worpswede?
Aktuell gut, wenn auch noch nicht auf dem Niveau von Vor-Corona-Zeiten. Es ist aber schön zu sehen, dass wieder Leben in der Bergstraße zu erkennen ist und viele Touristen den Weg nach Worpswede finden. Viele Gruppen reisen interessanterweise an, die sich untereinander bereits kennen, Worpswede spricht sich herum. Außerdem wird oftmals kurzfristiger gebucht.
Welche Attraktion ist in Worpswede aktuell am gefragtesten bei Touristen?
Aktuell ganz klar die Heinrich Vogeler-Ausstellung. Viele kommen in die Tourist-Info und fragen direkt nach der Ausstellung in den Museen des Ortes. Dazu der Naturtourismus. Das Teufelsmoor, die weite Landschaft – die Kombination aus Kunst und Kultur liegt bei den Touristen sehr hoch im Trend. Dass bestätigt zudem eine aktuelle Studie. In beiden Bereichen ist Worpswede gut aufgestellt und so denke ich, dass Worpswede mit seinem kontinuierlichen Angebot in Kunst und Freizeit, dem neuen Zusammenhalt und den neuen touristischen Vorlieben in gewissem Maße von den zwei Jahren Corona auch profitieren kann.