Worpswede. Es kommt eher selten vor, dass die Besucher der Music Hall Pogo tanzen – was weitgehend der Programmgestaltung des Worpsweder Clubs geschuldet ist. Wenn es aber eine so unwiderstehliche Einladung zur Eskalation gibt wie nun bei Phillip Boa And The Voodooclub, dann lässt sich auch das hiesige Publikum nicht lange bitten. Obendrein hat der stets eigenwillige Musiker zu einer für seine Verhältnisse fast schon nostalgischen "Best of"-Rückschau geladen, in deren Mittelpunkt das vor 30 Jahren erschienene Album "Boaphenia" steht.
Das Album markierte 1993 den Durchmarsch des vielleicht einzigen deutschen Indie-Stars in den Mainstream. Er schaffte damit das Kunststück, auch größeren kommerziellen Erfolg zu haben, ohne seine markanten Ecken und Kanten vollends abzuschleifen. Die Songs – unter anderem von Bowie-Produzent Tony Visconti in Szene gesetzt – wurden zwar eingängiger, die absoluten musikalischen Alleinstellungsmerkmale aber büßten sie nicht ein. Danach verlor sich das ehemalige Enfant terrible der deutschen Musikszene mehr und mehr in musikalischen Belanglosigkeiten, ehe Boa in den vergangenen Jahren ein erstaunliches Comeback hinlegte und sowohl an die Stärken seines bahnbrechenden Frühwerks wie auch an die Erfolge Mitte der 1990er-Jahre wieder anknüpfen konnte.
Von Altersmilde weit entfernt
Der Voodooclub, mehrfach unbesetzt, genießt unter Fans bis heute eine kultische Verehrung, auch das Konzert in Worpswede ist seit Wochen ausverkauft. Es markiert den Tourstart und bietet bei allem Bekannten auch zwei Live-Premieren von Stücken, die zum 30. "Boaphenia"-Geburtstag erstmals veröffentlicht wurden. So gibt es zwischen all den bekannten Hits auch ein wenig Neuland zu entdecken, was mit Abstrichen auch für die fulminante letzte Zugabe "Sirens from hell" gilt – ein Stück, das bislang im Gesamtwerk eher unterging.
Der Weg bis dahin führt über das Vorprogramm, das Voodooclub-Sängerin Vanessa Anne Redd solo gestaltet. Das Publikum zeigt sich gnädig dieser recht gewöhnungsbedürftigen Präsentation gegenüber, es spart sich die Euphorie für später. Dort findet sie in dem ausführlichen Hauptprogramm mit 25 Stücken reichlich Platz zur Entfaltung. Das Werk Boas mit seinen mannigfaltigen Einflüssen aus Alternative, Folk, Metal, Pop und New Wave wirkt mittlerweile fast schon zeitlos. Phillip Boa selber tigert dazu noch immer ruhelos über die Bühne, die frühere Arroganz und Aggressivität hat er weitgehend abgelegt, aber von Altersmilde scheint der 60-Jährige weit entfernt. Und das weiß sein Publikum zu honorieren.