Wer mehr über den Jugendstilkünstler Heinrich Vogeler erfahren möchte, der wird im Haus im Schluh fündig. Die aktuelle Kabinettausstellung, die unter dem Titel „Farbklang Holz“ steht, erlaubt Interessierten zudem, etwas tiefer in die Vogeler-Familiengeschichte einzutauchen. Denn im Fokus der Schau steht der Kunsttischler und Architekt Hans Georg Müller. Als Sohn der Weberin Bettina Müller-Vogeler und des Architekten Walter Müller, Enkelsohn von Heinrich Vogeler und seiner Frau Martha, die das Haus im Schluh begründete, waren Hans Georg Müller besondere Voraussetzungen gegeben, Kunst und Leben miteinander zu verknüpfen. Einen Einblick in sein Lebenswerk geben derzeit die beiden Kuratorinnen Berit Müller und Kristina Lohse inmitten seiner alten Wirkungsstätte.
Für Berit Müller und Kristina Lohse ist es immer wieder eine emotionale Angelegenheit, wenn sie die Ausstellungen im Haus im Schluh kuratieren und sich dafür sowohl im museumseigenen Depot als auch in ihren privaten Beständen auf Schatzsuche begeben. Die Vorbereitungen auf die derzeitige Ausstellung waren für beide aber noch mal ein Stück besonderer. Denn der 2018 im Alter von 94 Jahren verstorbene Hans Georg Müller war ihr Vater. „Ich sehe es vor mir, wie er an seinem Schreibtisch sitzt und dort die Entwürfe für seine Intarsien anfertigt. Das ist tatsächlich eine emotionale Sache für uns, weil wir den Schaffungsprozess der Werke über die vielen Jahre direkt miterlebt haben“, sagt Berit Müller.

Hans Georg Müller, hier auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2021, hat sich mit seinen Intarsienarbeiten einen Namen gemacht.
Seinen Töchtern zufolge prägte ihn das künstlerische Umfeld rund um das Haus im Schluh schon in jungen Jahren. Das Herz von Hans Georg Müller, der im vergangenen Jahr 100 Jahre alt geworden wäre, schlug für die angewandte Kunst. Er absolvierte eine Tischlerlehre und studierte einige Semester Architektur. 1950, im Jahr der Meisterprüfung, erfolgt die Betriebsgründung der Tischlerei auf dem Grundstück des Schluh-Ensembles. In dieser Zeit entstehen auch die ersten Intarsien für private und öffentliche Auftraggeber oder exotische Kunden wie das Scheichtum Kuwait.
Meterhohe Intarsienwände mit unterschiedlichen Motivwelten von Landschaften, Städteansichten, Wappen, Weltkarten wie auch Rückgriffe auf verschiedene Motive aus der Bildenden Kunst verweisen auf die Spannbreite seines kreativen Schaffens. Seine Auftragsarbeiten sind noch heute in öffentlichen Gebäuden zu sehen. „Diese Technik ist schon etwas Besonderes, man sieht das wirklich nicht oft“, sagt Kristina Lohse.
Nach der Jahrtausendwende entstehen vermehrt kleinere, freie Arbeiten, die teils extreme Raumperspektiven wiedergeben und sich mit der Beziehung Mensch und Umwelt beschäftigen. Etwa setzt er sich mit Einsteins Relativitätstheorie intensiv auseinander. Die bildlich aufgefassten Holzeinlegearbeiten sind nur ein Teil seines gesamten Schaffens und Wirkens. Als Möbeltischler entwirft er Wohnungseinrichtungen, später mit der Wiederentdeckung des Jugendstils sind es Möbel nach Entwürfen seines Großvaters Heinrich Vogeler, die in seiner Tischlerei gefertigt werden. „Unser Vater hat sehr viel mit Holz gearbeitet. Deswegen kannten auch wir als Kinder schon alle Baumarten in der Umgebung“, sagt Kristina Lohse mit einem Lachen.

Die aufwendig gestalteten Werke schmücken noch heute die Räume im Schluh in Worpswede.