Landkreis Osterholz. Von einem Brandbrief wollte im Nachhinein niemand mehr reden, obwohl das vierseitige Schreiben der Berufsbildenden Schulen (BBS) an den Landkreis Osterholz Mitte März einen durchaus eindringlichen Ton angeschlagen hatte. Das BBS-Netzwerk Junge Geflüchtete warnte darin, viele Abgänger mit Fluchthintergrund stünden im Sommer vor unlösbaren Problemen beim Übergang von der Schule in Ausbildung, Beschäftigung oder Beruf. Bei vielen jungen Erwachsenen ende die Schulpflicht bereits nach einem Jahr, sodass die Sprachkenntnisse für einen Abschluss kaum ausreichten, schrieben zwei Sprachlehrkräfte und ein Schulsozialarbeiter. Es brauche eine zentrale Anlaufstelle und eine individuelle Begleitung, die den Einstieg in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt herstellt und fördert; andernfalls drohe die Integration zu scheitern.
Jugendamtsleiterin Hanna Ahrens gab sich entspannt. „Der Brief ist zu einer Zeit entstanden, als Vieles unklar war.“ Seither habe sich hinter den Kulissen schon einiges getan, wie Markus Stöckl vom Amt für Bildung bestätigte. Da ist zunächst die Jugendberufsagentur, die nach langer Vorbereitung ab August endlich ihre Türen öffnen soll. Der Übergang aus der Schule, so Hanna Ahrens, sei schließlich mit oder ohne Fluchterfahrung „eine herausfordernde Entwicklungsaufgabe, bei der bisweilen eine Unterstützung von Erwachsenen nötig“ sei. Markus Stöckl wertete das Mahnschreiben denn auch als Impuls und fügte hinzu, eine Begleitung durch die Jugendberufsagentur habe spätestens in der sogenannten Vor-Abgangsklasse zu beginnen. Für die Abgänger dieses Sommers bleibt die Lage prekär.
Markus Stöckl zufolge sind mindestens 23 der 48 Abgänger mit Fluchthintergrund, die nun bald die Produktionsklassen verlassen werden, zurzeit noch unversorgt, weitere 19 werden weiter eine Schule besuchen, je drei wechseln in Reha-Maßnahmen oder Ausbildung.
Hinzu komme eine unbekannte Anzahl an junge Geflüchteten, die die Berufsfachschule oder andere weiterführende Schulen ohne Abschluss verlassen. „Wir werden ein Bündel an Maßnahmen schnüren“, kündigte Markus Stöckl an. Der Landkreis Osterholz schaffe unter anderem in seiner Jugendwerkstatt im BBS-Gebäude zehn weitere Plätze; zudem starten das Tagungshaus Bredbeck und die Volkshochschule (VHS) einen Kursus zum Erwerb eines Schulabschlusses. Ein Wechsel zwischen beiden Angeboten soll möglich sein. Politikerin Brunhilde Rühl (CDU) konstatierte: „Wir müssen Verantwortung übernehmen.“ Sie sei den Briefschreibern und der Kreisverwaltung für die Initiative dankbar. Mizgin Ciftci (Linke) sagte, er begrüße es, dass die Jugendberufsagentur in Gang komme, „auf dass niemand aus dem Netz fällt“. An diesem Ziel werde sich die Agentur auch messen lassen müssen. Denn: „Wer draußen ist, findet nämlich nicht schnell wieder rein.“
Ohne Eltern eingereist
Elke Schnakenberg (SPD) nickte: „Was ist mit den Flüchtlingen, die zwischen 18 und 24 Jahre alt sind und damit nicht mehr schulpflichtig? Wie erreichen wird die?“ Um diese Altersgruppe mache sie sich beinahe noch größere Sorgen, gestand Elke Schnakenberg. Etliche seien als Volljährige ohne Eltern eingereist. „Die brauchen auch eine Perspektive.“ Während Markus Stöckl vom Amt für Bildung um Geduld bat und hinzufügte, die Jugendberufsagentur werde sich nicht allein um Geflüchtete zu kümmern haben, bestätigte Hanna Ahrens Elke Schnakenbergs Diagnose: „Da wird es eine sozialpädagogische Nuance geben müssen.“ Der Fokus der Behörde lag von Amts wegen eher auf den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen als auf den jungen Erwachsenen. Freilich seien auch Flüchtlingseltern oft kaum in der Lage, ihre Kinder bei Schullaufbahn und Berufsorientierung zu unterstützen. Den Betroffenen bleibe generell nur wenig Zeit, sich im hiesigen System zurechtzufinden.