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Wertvolle Edelmetalle Warum Diebe am Auspuff sägen

Sechs Katalysatoren wurden in Delmenhorst in den vergangenen Wochen von parkenden Autos gestohlen. Auch in den Landkreisen Verden und Osterholz nimmt das Phänomen zu.
28.06.2021, 05:00 Uhr
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Von uz Tobias Hensel und Undine Mader

Landkreis Osterholz/Delmenhorst. Der Katalysator ist kein besonders großes Bauteil. Aber in letzter Zeit ist er zum heiß begehrten Diebesgut geworden. Allein in Delmenhorst wurden in den vergangenen Wochen sechs Katalysatoren von parkenden Autos abgesägt und gestohlen, berichtet Polizeisprecher Matthias Wittje. Im Bereich der Polizeidirektion Verden/Osterholz waren in 59 Fällen von Fahrzeugteile-Diebstählen im vergangenen Jahr zwölfmal Katalysatoren betroffen – mit Schwerpunkt im Landkreis Verden, so Sprecherin Imke Burhop. Für das laufende Jahr sagt sie: "Das Phänomen ist weiter da, auch mit mehr Fällen im Landkreis Osterholz."

Burhop und ihre Kollegen vermuten als Motiv hinter dem Katalysator-Klau die verbauten Materialien. Und in der Tat: „In Katalysatoren sind einige wertvolle Edelmetalle, wie Platin, Rhodium und Palladium verbaut“, erklärt Nils Linge, Pressesprecher des ADAC-Bezirks Weser-Ems. Der Automobilclub hat eigens ein Informationsblatt herausgegeben, um auf die Problematik hinzuweisen. Doch auch der ADAC weiß keinen Rat, wie man sich vor einem solchen Diebstahl schützen kann. „Eigentlich hilft für effektiven Schutz nur eine Garage“, sagt Linge.

Geschäfte mit Hehlerware

Der Obermeister der Delmenhorster Kraftfahrzeug-Innung, Carsten Budzinski, erklärt, dass es im Internet einige Anbieter für gebrauchte Katalysatoren gibt. „Katalysatoren älterer Opel Omegas oder älterer BMW der 5er-Baureihe kosten auf dem Teilemarkt mehr als 1000 Euro“, sagt Budzinski. Das Ärgerliche sei, dass es die Ankäufer der teuren Ware selten interessiert, woher sie stammt. Der Markt für gebrauchte Autoteile habe einige unbeleuchtete Ecken, in denen mit Hehlerware Geschäfte gemacht werden können.

Katalysatoren sind bedeutend für die Abgasreinigung. Anfang der 1970er-Jahre wurden sie in den Vereinigten Staaten entwickelt und der Einbau ab 1973 verpflichtend. In Europa war die Schweiz 1984 das erste Land, das den Einbau vorschrieb. Deutschland folgte 1985, eine EU-weite Vorschrift gibt es aber erst seit 1993. Katalysatoren tragen einen bedeutenden Teil dazu bei, dass sich die Luftqualität, insbesondere in den Städten, verbessert hat. Aus Kohlenwasserstoffen, Kohlenstoffmonoxid und Stickoxiden wird Kohlenstoffdioxid, Wasser und Stickstoff. Und für diese Umwandlung braucht es einen Auslöser – oder in chemischer Fachsprache eben den Katalysator.

Bei der Abgasnachbehandlung spielt es auch keine Rolle, ob der Motor mit Benzin oder mit Dieselkraftstoff angefeuert wird. Dieselmotoren stehen im Ruf, weniger effizient zu verbrennen, weshalb seit einigen Jahren Rußpartikelfilter vorgeschrieben sind. Dieselfahrzeuge haben also noch mehr Technik zur Abgasreinigung an Bord. Doch neuere Fahrzeuge haben einen Vorteil. „Modernere Katalysatoren werden nah an den Motor gebaut, da kommt man nur ran, wenn man vorher die Motorhaube öffnet“, erklärt Budzinski. Das mache es den Dieben schwerer.

Bei älteren Fahrzeugen sitzt der Katalysator unter dem Fahrzeug, irgendwo zwischen Motorblock und Auspuff. Die Diebe können dann in dunkler Nacht mit einem kleinen Wagenheber relativ unbemerkt das Fahrzeug anheben und den Katalysator unter dem Wagen mit akkubetriebenen Sägen schnell und relativ einfach abmontieren.

Reparatur lohnt sich nicht immer

Will man dann am Morgen das Fahrzeug nutzen, blinkt mit großer Wahrscheinlichkeit die Motorkontrollleuchte auf, es entsteht ein ziemlicher Lärm, weil die Abgase nicht mehr zum Auspuff gelangen, sondern direkt unter dem Fahrzeug ausgestoßen werden. Ein großer Schreck für die Fahrzeughalter. Der ADAC empfiehlt in einer solchen Situation, umgehend Anzeige bei der Polizei zu erstatten und dann Kontakt zur eigenen Versicherung aufzunehmen.

Häufig ist ein solcher Diebstahl auch durch die Teil-Kasko-Versicherung gedeckt. Allerdings lohnt sich eine Reparatur nicht in jedem Fall. Denn die Ersatzteile sind teuer. Und sollte der Wagen schon alt sein, dann müsse zumindest geprüft werden, ob kein wirtschaftlicher Totalschaden entstanden sei.

Grund zur Panik besteht in den Augen Budzinskis aber nicht. „Irgendetwas wurde immer geklaut“, sagt er. Der Fachmann erinnert daran: „Früher waren Alufelgen sehr beliebtes Diebesgut, aber die hat heute fast jeder Neuwagen.“ Dass im Moment die Katalysatoren bei den Räuberbanden hoch im Kurs stehen, hängt mit der hohen Recyclingquote zusammen. Die Preise für Edelmetalle sind gestiegen, sodass es attraktiv wird, die Edelmetalle aus vermeintlichem Schrott zu gewinnen.

Zur Sache

Teile-Diebstahl vorbeugen

Der Diebstahl von Autoteilen sei ein Feld, in dem es schwierig sei, zu ermitteln, berichtet die Sprecherin der Polizeiinspektion Verden/Osterholz, Imke Burhop. Daher agiere die Polizei großflächig vernetzt in diesem Bereich. Umso wichtiger sei Prävention, so Burhop. Sie empfiehlt, Fahrzeuge nicht an abgeschiedenen Plätzen abzustellen. Sei keine Garage vorhanden, sollten möglichst bewachte Parkplätze genutzt werden. Gibt es auch diese nicht, dann rät Burhop, das Auto wenigsten an einer beleuchteten Stelle zu parken, "wo der Täter ins Licht treten muss, um zu agieren".

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