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Demokratie leben Einladung zum Mitmachen

Der Kreis Osterholz will mithilfe des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ eine Koordinationsstelle für Jugendbeteiligung schaffen. Mit praktischen Projekten vor Ort soll die Zivilgesellschaft gefördert werden.
20.04.2021, 05:00 Uhr
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Einladung zum Mitmachen
Von Bernhard Komesker

Landkreis Osterholz. „Demokratie leben!“ ist der programmatische Titel eines Bundesförderprogramms, an dem sich nun auch der Landkreis Osterholz beteiligen wird. Zusammen mit den Mitgliedskommunen sowie den haupt- und ehrenamtlichen Kinder- und Jugendbetreuern können damit Beteiligungsprojekte vor Ort entwickelt und umgesetzt werden, bei denen junge Menschen das Sagen haben. Durch die stärkere Einbindung der jungen Menschen erhoffen sich Kreispolitik und -verwaltung eine stärkere Identifizierung mit dem Gemeinwesen. Denn das sind die Hintergedanken von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey: „Demokratie fördern, Vielfalt gestalten, Extremismus vorbeugen“.

Einstimmig empfahl der Jugendhilfeausschuss des Kreistags den Einstieg in das Programm, das bis Ende 2024 laufen soll. Wenn der Kreisausschuss am 27. April zustimmt, schultert der Kreis einen jährlichen Eigenanteil von bis zu 20.000 Euro, während der Bund eine Halbtagskraft finanziert. Sie soll demnächst in der kreiseigenen Bildungsstätte Bredbeck angestellt werden und die sogenannten Mikroprojekte in den Kommunen begleiten und koordinieren. Kreisjugendpflegerin Katrin Sander, die fürs Jugendamt mit von der Partie ist, sagte: „Wir müssen Kindern und Jugendlichen zeigen und erklären, wie Demokratie funktioniert: dass man sich einbringen und beteiligen kann.“

Das Bundesprojekt hilft dabei, die Strukturen zu schaffen, etwa Gremien auf Orts- und Landkreis-Ebene zu installieren und Jugend-Workshops in Bredbeck anzubieten. Die Inhalte aber sind dabei nicht vorgegeben, sondern die Impulse sollen von denjenigen ausgehen können, die bei der gemeindlichen Entwicklung etwas bewegen wollen, sei es in Kunst und Kultur, Spiel und Sport oder für Natur und Umwelt, Bildung und Freizeit. Die Sozialarbeiter und Jugendbetreuer vor Ort könnten Geburtshilfe leisten, hieß es: Angebote machen, am Ball bleiben.

Neuland und Erfahrung

Amtsleiterin Hanna Ahrens sagte, mit den „lokalen Partnerschaften für Demokratie“ erweitere der Landkreis zweifelsohne sein Handlungsfeld. Sie sehe aber auch eine Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe darin, einen Beitrag zu leisten „zur Verwirklichung des Rechts junger Menschen auf individuelle und soziale Entwicklung hin zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“.

So hatte sich das Jugendamt in der Sitzungsvorlage ausgedrückt, weshalb es die CDU-Abgeordnete Monica Röhr gerne etwas konkreter gehabt hätte. Sie fühle sich erinnert an das frühere Jugendparlament der Gemeinde Lilienthal, so Röhr. Das sei ja leider aufgelöst worden, nachdem anfänglicher Elan in wachsende Ungeduld gekippt sei. Sie habe gelernt: „Es ist gar nicht so einfach, junge Menschen zu erreichen und die Motivation hoch zu halten.“

Was für die eine Gemeinde passt, sei für die andere womöglich ungeeignet, erwiderte Sozialdezernentin Heike Schumacher. Das lasse sich nicht verallgemeinern. In Grasberg funktioniere das Jugendparlament ganz offensichtlich. Das Stärke des neuen Förderprogramms sei seine Offenheit. „Die Welt ist divers und die Interessen der Jugendlichen wandeln sich schnell“, betonte die Dezernentin. „Es kann sein, dass sich Jugendparlamente entwickeln, aber das Programm ist nicht erfolglos, wenn es nicht dazu kommt.“

Christina Klene von den Grünen sagte, dass solche Vorgaben fehlen, sei verständlich und vernünftig. Darum lasse sich nun eben vorab noch „kein Projekt XY“ konkret benennen. Mizgin Ciftci (Linkspartei) unterstrich, auch er erwarte nicht gleich messbare Ergebnisse. „Wir müssen doch feststellen, dass die institutionellen Akteure an Zulauf verlieren: Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, Sozialverbände.“ Zugleich bewegten sich junge Menschen zwischen Fridays for Future einerseits und Extremismus-Gefahren andererseits. Vor diesem Hintergrund, so Ciftci, sei jedes Angebot willkommen, welches die Demokratie schützen und stärken kann.

Vernetzung in Foren

Die Kreisjugendpflegerin skizzierte dann allerdings doch eine mögliche Beteiligungsform: Denkbar wäre etwa auf Kreisebene die Schaffung eines Begleitausschusses aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, einberufen vom Jugendamt und zuständig für Mittelvergabe und übergeordnete Themen. Die Akteure vor Ort indes finden sich in Foren zusammen, die sich eigenständig der praktischen Arbeit in den Mikroprojekten widmen; sie entsenden junge Vertreter mit Sitz und Stimme in den kreisweiten Begleitausschuss. Verwaltungsseitig könnten Berlin- und Brüssel-Fahrten organisiert werden – oder Qualifizierungen für Projektteilnehmer, wenn die zum Beispiel einen Spielplatz umgestalten wollen.

Brunhilde Rühl (CDU) sagte, falls die Arbeit in dieser Form ins Laufen kommen sollte, dann wünsche sie sich neben regelmäßigen Berichten auch gegenseitige Besuche von Kreispolitik und Begleitausschuss: Heike Schumacher sagte das zu: „Es ist auch ein Zeichen der Wertschätzung.“

Angelika Meurer-Schaffenberg, die dem Ausschuss als Vertreterin der Wohlfahrtsverbände und freien Jugendhilfeträger angehört, lobte die Handlungsorientierung im Ansatz von „Demokratie leben!“. Die Praxis lehre nämlich, dass „die Erfahrung von Selbstwirksamkeit“ gleichsam der Dreh- und Angelpunkt sei: „Es braucht Raum und Zeit, Geld und Personal, damit sich das entfalten kann.“ Schlüsselerlebnisse, die Menschen in jungen Jahren auf Feldern wie Selbstbestimmung, sozialem Engagement und Mitverantwortung machen, wirkten oft ganz besonders nachhaltig.

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Geld für die Demokratieförderung

„Der freiheitliche, säkularisierte Rechtsstaat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Dieses sogenannte Böckenförde-Diktum verweist darauf, wie eng Demokratie und Gemeinsinn zusammenhängen. Immerhin: Trotz oder wegen dieser fehlenden Garantie regt der Staat auf vielfältige Weise zu sozialem Engagement und gesellschaftlicher Mitverantwortung von mündigen Bürgern an, unter anderem auch mit dem Programm „Demokratie leben!“

Für staatliche und nichtstaatliche Initiativen stehen in diesem Jahr bundesweit 150,5 Millionen Euro bereit - ein neuer Rekordwert, der auch mit den Anschlägen von Halle und Hanau zu tun hat. Dennoch wird auf beiden Seiten des politischen Spektrums über die Extremismus-Prävention des Programms immer wieder mal kontrovers diskutiert. Der Begriff „Sozialarbeit zur Demokratieförderung“ erweist sich im Parteienstreit als dehnbar, vor allem dann, wenn die Bundesförderung an Verbände und Vereine fließt.

Hingegen dürfte der Landkreis Osterholz als Projektträger im Handlungsbereich Kommune mit weniger Argwohn konfrontiert sein. Für die Förderung von lokalen „Demokratie-Partnerschaften“ im Kreisgebiet sollen in den kommenden dreieinhalb Jahren gut 500.000 Euro bereit stehen. Nach den Schätzungen der Kreisverwaltung bietet das Bundesprogramm bis Ende 2024 Aussicht auf insgesamt gut 453.000 Euro an Fördermitteln für Personal- und Sachkosten. Als Eigenanteil des Landkreises kämen fast 51.000 Euro hinzu, höchstens aber 20.000 Euro pro Jahr. Zielgruppe: Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.

Näheres zum Programm ist im Internet unter www.demokratie-leben.de zu finden.

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