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Kommunen auf Wohnungssuche Flüchtlingszahlen steigen an

Nach der aktuellen Zuweisungsquote des Landes müssen die Kommunen im Landkreis Osterholz bis voraussichtlich August 2022 etwa 270 Geflüchtete aufnehmen und unterbringen. Die Stadt intensiviert ihre Bemühungen.
05.10.2021, 20:00 Uhr
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Flüchtlingszahlen steigen an
Von Bernhard Komesker

Landkreis Osterholz. Land und Landkreis rechnen damit, dass wieder mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Nach Jahren mit sinkenden Asylbewerber-Zahlen hat sich der Trend umgekehrt: In den niedersächsischen Auffanglagern, den sogenannten Ankunftzentren, treffen mehr Menschen ein, als in die vorübergehenden Wohnorte weiter vermittelt werden können. Das hat nicht nur etwas mit den Krisen in der Welt zu tun, sondern auch mit dem Wohnungsmarkt im Lande: "Wohnraum ist knapp und Wohnraum ist teuer", erklärt Bettina Preißner, Stadtdezernentin für Soziales. Sie sei glücklich, dass zum Beispiel vorige Woche einem syrischen Ehepaar mit zwei kleinen Kindern gleich geholfen werden konnte, das neu nach Osterholz-Scharmbeck gekommen war.

Zum August hat das Innenministerium in Hannover die Aufnahmequoten für die Kreise und kreisfreien Städte erhöht. Weil Niedersachsen nach dem Königssteiner Schlüssel gut 9,4 Prozent der Geflüchteten aufnimmt, die nach Deutschland kommen, verteilen auch der Landkreis und die Kommunen die Unterbringung nach den Schlüssel-Kriterien Einwohnerzahl und Steuerkraft. "Die resultierenden Aufnahmeverpflichtungen und Wohnraumbedarfe in den Kommunen sind unterschiedlich", sagt Landkreis-Sprecherin Jana Lindemann. Große Orte haben mehr zu leisten als kleine. Eine Rolle spiele auch, inwieweit die Aufnahmeverpflichtungen, die bis August galten, womöglich schon übererfüllt waren.

Lindemann rechnet damit, dass bis August kommenden Jahres nun noch Platz für rund 270 Asylsuchende im Kreisgebiet gefunden werden muss. So sieht es zumindest die Quote vor, die damit ungefähr doppelt so hoch ist wie die vorigen beiden; für deren Erfüllung war seit 15. September 2018 und 15. Februar 2020 jeweils mehr Zeit geblieben. Ob dem Kreis und seinen Kommunen tatsächlich bis zum nächsten Sommer Zeit bleibt oder nicht, "hängt von den europäischen und weltweiten politischen Entwicklungen ab", so die Sprecherin weiter. Bisher gibt es keine Hinweise auf eine beschleunigte Neufestsetzung der Quote.

Für das anziehende Tempo sorgt aktuell auch eher das Coronavirus: Das Land Niedersachsen verteilt Lindemann zufolge nun wieder mehr Menschen aus den Erstaufnahme-Einrichtungen, die während der Pandemie zunächst dort verblieben waren und die mittlerweile schon recht lange auf eine Wohnort-Zuweisung warten.

Verpflichtung und Zuversicht

"Wir schaffen das, und zwar alle zusammen", ist Bettina Preißner überzeugt. Auf die Kreisstadt entfielen nach der neuen Quote 95 Personen, die unterzubringen sind; aber weil bis zum August bereits 43 Menschen mehr aufgenommen wurden, als es die Vorjahresquote vorsah, seien nun in nächster Zeit nur noch 52 Menschen unterzubringen. "Das ist unsere Verpflichtung", betont die Verwaltungsvizechefin und will das nicht rein bürokratisch verstanden wissen. Schließlich habe sich die Stadt per Solidaritätserklärung auch dem Bündnis Sichere Häfen angeschlossen (www.seebruecke.org).

Preißner stützt ihre Zuversicht auf politische und gesellschaftliche Unterstützung, auf vorhandene Konzepte und Strukturen. So sieht das städtische Integrationskonzept zunächst einmal eine dezentrale Unterbringung vor, um eine Art Ghettobildung zu vermeiden. Die Notunterkünfte sollen dabei tatsächlich auch nur ein Notbehelf sein, betont die Sozialdezernentin. Der Standort Pennigbütteler Straße sei belegt; für die dortige Großfamilie fand sich bisher keine andere Lösung. Die Mobilbauten von der Rudolf-Diesel-Straße indes sind wegen einer neuen Grundstücksnutzung momentan nicht mehr verfügbar: sie sollen in den nächsten Wochen nach Westerbeck verlegt und wieder hergerichtet werden.

Reaktivierung des Hilfeportals

Ziel der Stadt sei es weiterhin, möglichst zunächst eine Wohnung zu haben und sich erst dann mit einem Abruf bei der Landesaufnahmebehörde zu melden. "Das klappt nicht immer, je nachdem wie groß der Druck ist", räumt Preißner ein. Vorteilhaft sei es aber allemal, weshalb sich die Bürgermeister im Landkreis auch untereinander bei den Anforderungen abstimmen. Es soll da keinen interkommunalen Wettbewerb geben. Die sogenannte HVB-Runde der Rathaus-Spitzen hatte das Thema erst am vergangenen Montag wieder mal auf der Tagesordnung.

Die Stadverwaltung hält ihrerseits seit 2015/16 Kontakt zu Bürgern, die mit Einrichtungsgegenständen, Patenschaften oder bei der Wohnungssuche helfen möchten. "Es gab in der Stadt immer viel Hilfsbereitschaft und Engagement", so die Dezernentin. Diese Freiwilligen wolle man demnächst mal wieder einladen, und auch das Portal www.ohz-hilft.de soll wiederbelebt werden. In Sachen Prävention tagt zudem regelmäßig ein Runder Tisch, und über das Haus der Kulturen soll auch das neue Quartierskonzept mit Leben gefüllt werden. Ob eingesessen oder zugezogen - Preißner sagt: "Wir wollen mehr ins Quartier gehen, die Menschen ansprechen, vor allem auch junge Erwachsene." Es gehe darum, allen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe ermöglichen.

Zur Sache

Hauptherkunftsland Syrien

Die neue Zuweisungsquote für den Landkreis und seine Kommunen basiert auf der Annahme, dass von August 2021 bis August 2022 bundesweit etwa 250.000 Geflüchtete aufzunehmen sein werden, teilt Verwaltungssprecherin Jana Lindemann mit. Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamts wurden deutschlandweit von Januar bis August 2021 bisher 111.788 Asylanträge registriert. Zum Vergleich: Im Jahr 2016, als von einer Welle die Rede war und rund 1450 Asylbewerber im Landkreis Osterholz gezählt wurden, lagen den Behörde bundesweit 745.545 Anträge vor.

Nach Angaben des Mediendienstes Integration gab es im vergangenen Jahr 122.170 Asylanträge in Deutschland, darunter 19.590 Folgeanträge von bereits Eingereisten und 26.520 für in Deutschland geborene Kinder von Geflüchteten. Die Anerkennungsquote der 145.000 Verfahren, die im Jahr 2020 abgeschlossen wurden, lag bei durchschnittlich 43,1 Prozent; sie variierte aber stark je nach Herkunftsland: Syrische Antragsteller wurden in neun von zehn Fällen angenommen, Iraker hingegen nur zu gut einem Drittel.

Flüchtlinge aus Afghanistan, die nun seit der Rückkehr der Taliban um Asyl bitten, können unterdessen nicht automatisch darauf hoffen, schneller aus den Aufnahmeeinrichtungen weiter vermittelt zu werden. Das hat das Innenministerium kürzlich auf Anfrage von Flüchtlingshelfern durchblicken lassen. Wie viele Afghanen demnächst überhaupt zu erwarten sind, ist seriös kaum zu prognostizieren. Zuletzt war stets Syrien das Herkunftsland mit den meisten Erstanträgen auf Asyl, mit einigem Abstand gefolgt vom Irak und Afghanistan.

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