Landkreise Osterholz/Rotenburg. „Auf eine Zusage kommen – gefühlt – fünf Absagen“, beschreibt Erika Bargmann die derzeitigen Vorbereitungen der Samtgemeinde Tarmstedt für die vorgezogenen Landtagswahlen am 15. Oktober. „Es ist schwierig“, fasst sie in Worte, was auch ihre Kollegen in den Nachbargemeinden Worpswede, Grasberg und Lilienthal beschäftigt. Sie alle müssen ehrenamtliche Wahlhelfer mobilisieren. Bei einer Wahl ist das kein Problem. Die Gemeinden können oftmals auf einen festen Stamm von Wahlhelfern zurückgreifen. Für die Bundestagswahl am 24. September klaffen darum kaum noch Lücken in den Listen. In Lilienthal fehlt noch „eine Handvoll“, oder Bargmann hätte gerne noch „ein, zwei oder drei in petto“. Doch die Menschen für einen weiteren Wahlsonntag zu gewinnen, nur drei Wochen später, das stellt die Rathausmitarbeiter vor Herausforderungen.
Jeder Wahlberechtigte ist verpflichtet
Die Grasberger Rathausmitarbeiter begegnen ihr kreativ mit einem Werbetext auf Plattdeutsch. In Worpswede appelliert Thomas Kyntschl an das Demokratieverständnis der Bürger, und in Lilienthal prüft Rüdiger Reinicke jede Ablehnung genau. Zwar ist Wahlhelfer sein ein Ehrenamt. Aber, so steht es im Bundeswahlgesetz: „Zur Übernahme dieses Ehrenamtes ist jeder Wahlberechtigte verpflichtet.“ Wer es grundlos nicht antritt, könnte sich ein Bußgeld bis zu 500 Euro einhandeln, so Rüdiger Reinicke. Bei dem Gedanken an Zwang holt Thomas Kyntschl hörbar tief Luft. Das will er in Worpswede nicht und hofft: „Bis jetzt hat es immer geklappt.“ Erika Bargmann betont für die Samtgemeinde Tarmstedt: „Im Moment vermeiden wir es noch.“ Auch Stefan Ritthaler von der Gemeinde Grasberg setzt auf Freiwilligkeit.
Aber wie sieht es derzeit aus? In Lilienthal gibt es 14 Wahlbezirke. Jedes Wahllokal soll mit acht Helfern besetzt sein, das macht 112 Ehrenamtliche für die Landtagswahlen. Reinicke sagt: „Es sind rund 60, die wir noch brauchen.“ Als erstes hatte er die Wahlhelfer angeschrieben, die auch bei der Bundestagswahl dabei sind. Etwa 40 davon sagten sofort zu. „Aber alles andere ist schwierig“, räumt er ein. Lilienthal sucht darum auch Einwohner aus dem Wählerverzeichnis aus und schreibt sie an. Die Reaktion: „Es gibt viele Ablehnungen.“ Gesundheit, Familie, Beruf gelten vor dem Gesetz, und die Lilienthaler Rathausmitarbeiter lassen sich die Ablehnungsgründe genau erklären, so Reinicke. Auch wenn er ebenfalls auf Freiwillige setzt, weiß er eben auch, dieses Ehrenamt ist „bußgeldbewährt“. Die Höhe liege im Ermessensspielraum und Lilienthal wende es nur an, wenn ein angeschriebener Lilienthaler „eine nachhaltig ablehnende Haltung“ zeige.
Rüdiger Reinicke guckt weniger durch die Brille des Zwangs. Er betont vielmehr, dass dieses Ehrenamt als „ein hohes Gut der Demokratie“ zu verstehen sei. Aus dem Wahlrecht resultiere eben auch die Pflicht, sich als Wahlhelfer an diesem demokratischen Prozess zu beteiligen. Das sei garantiert besser als in jenen Staaten, in denen Machthaber ihren Wahlsieg selber auszählen lassen.
Von der „Kontrollfunktion der Bürger“ spricht auch Thomas Kyntschl aus dem Worpsweder Rathaus. In der Gemeinde sind für die beiden Wahlen je zwölf Wahlbezirke zu besetzen, à acht Helfer macht das 96 Wahlhelfer je Wahltag, rechnet Kyntschl vor. Etwas über 80 Prozent haben für die Bundestagswahl im September zugesagt. Für die Landtagswahl seien die potenziellen Helfer ebenfalls schon angeschrieben worden. „Der Rücklauf der Antworten läuft noch“, so Kyntschl. Zugesagt haben bisher knapp 30 Prozent und damit ist auch für Worpswede klar: „Auf jeden Fall brauchen wir noch Freiwillige.“
Acht Helfer pro Wahllokal erlaubt in allen Kommunen, dass der Tag in eine Vormittags- und eine Nachmittagsschicht eingeteilt werden kann. Erst nach 18 Uhr beim Auszählen sitzen alle Helfer gemeinsam in ihrem Wahllokal. Bei der Landtagswahl gebe es anders als bei einer Kommunalwahl nur einen Stimmzettel, sagt Reinicke. Da gehe das Zählen in der Regel „relativ flott“ und „um 20 Uhr ist das Ergebnis drin“. Ganz umsonst braucht auch keiner diesen Sonntag dem Gemeinwohl zu spenden. Wahlhelfer erhalten 25 Euro Aufwandsentschädigung, Wahlvorsteher 35 Euro.
Wie die Kollegen aus den Nachbargemeinden bemängelt Stefan Ritthaler den Termin der Landtagswahl. Sie findet nicht nur kurz nach der Bundestagswahl statt, sondern am letzten Tag der niedersächsischen Herbstferien. Für die zwölf Grasberger Wahllokale mit je acht Helfern hat bisher „nicht mal die Hälfte von der Bundestagswahl für die Landtagswahl zugesagt“, so Ritthaler.
Den letzten Ferientag als Wahltermin hält auch Erika Bargmann für einen Grund, warum die Suche so schwierig ist. In der Samtgemeinde Tarmstedt müssen sie und Katrin Alpers 144 Ehrenamtliche für 16 Wahllokale gewinnen, plus ein paar mehr für kurzfristige Ausfälle. Bargmann erzählt: „Die Leute, die wir für den 24. September berufen, haben sich mit ihrem Urlaub drauf eingestellt.“ Hinzu komme, dass sich nicht jeder das Ehrenamt eines Wahlvorstehers zutraue. „Darin liegt die Crux“, seufzt Bargmann. Trotzdem wolle die Samtgemeinde auf Zwang verzichten. Jedoch könne es sein, „wenn es schlecht läuft“, dass beispielsweise alle Samtgemeinde-Angestellten am Wahltag als Wahlhelfer in den Wahllokalen sitzen müssen. Noch ist es nicht so weit.
Die Grasberger fragen bei Dorfgemeinschaften an und vielleicht hilft da auch der Werbeflyer mit einer Seite auf Plattdeutsch. Die Tarmstedter werben in persönlichen Gesprächen und Bargmann sagt über die Chance, Wahlhelfer zu finden: „Wir sind da auf Hören, Sehen und Sagen angewiesen.“