Osterholz. Die Inhaberin des Möbelhauses Meyerhoff Inge Küster ist tot. Seit 1952 hatte sie das Familienunternehmen zu einem der namhaftesten Einrichtungszentren Norddeutschlands ausgebaut. "Noch vergangene Woche" habe sie der Geschäftsführung ihre Vorstellungen zur bevorstehenden Erweiterung des neuen Meyerhoff-Centers erläutert - die von ihr gegründete Meyerhoff-Stiftung werde das Unternehmen in diesem Sinne fortführen, versicherte Geschäftsführer Wolfgang Röll. "Wir sind zutiefst bestürzt. Sie war das Oberhaupt der Firmenfamilie und eine großartige Frau und Freundin."
Es spreche für den unternehmerischen Weitblick Inge Küsters, dass sie ihm zwei Tage vor ihrem Tod weitere Instruktionen hinsichtlich der Zukunftsausrichtung des Möbelhauses gegeben habe, ergänzte Röll auf Nachfrage. Und wie immer habe die "Grande Dame" des Unternehmens Humor walten lassen, als sie ihm angekündigt habe, sie werde 105 Jahre alt, um ihrem Geschäftsführer zu zeigen, wo's lang geht. Der Tod hatte andere Pläne mit ihr. Inge Küster wird am Mittwoch auf dem Scharmbecker Friedhof neben dem Grab ihrer Mutter beigesetzt.
"Der Landkreis und die Stadt verlieren eine beeindruckende und verdiente Unternehmerpersönlichkeit", äußerte sich auch Landrat Dr. Jörg Mielke zum Tod Inge Küsters. Ihr Wirken sei um so mehr hervorzuheben, als sie sich als Frau in einer von Männern dominierten Wirtschaftswelt Respekt verschafft habe. "Respekt gebührt ihrem Lebenswerk auch deshalb, weil sie es stets mit einem hohen Maß an sozialem Engagement verknüpfte - vor allem im Bereich Sport und Sportförderung für Frauen", ergänzte Mielke. Inge Küster hatte sich besonders als Mäzenin in den Sportsparten Handball und Fußball einen Namen gemacht, dort unter anderem beim VSK Osterholz-Scharmbeck und bei Werder Bremen. Sie galt einmal als beste Fünfkämpferin der Hansestadt, stand im Handball in der Nationalauswahl. Mielke: "Als Unternehmerin stand sie in der guten alten Tradition, die Region, in der sie lebt, am eigenen Erfolg teilhaben zu lassen."
"Sie hat unsere Stadt geprägt"
Bürgermeister Martin Wagener wurde während einer Dienstreise von der Todesnachricht überrascht: "Ich bin tief betroffen. Osterholz-Scharmbeck verliert eine herausragende Persönlichkeit. Ihre grenzenlose Bereitschaft zur Unterstützung von Vereinen des Sports und der Kultur sowie ihr soziales Engagement haben unsere Stadt stark geprägt. Ihrer unternehmerischen Weitsicht verdanken wir die 'Marke' Meyerhoff, die weder aus den Wohnzimmern noch aus dem Bewusstsein der Menschen wegzudenken ist."
Die Marke Meyerhoff: Die Auftritte in den Werbeblocks von Funk und Fernsehen, mit denen Inge Küster ihr Unternehmen in Buschhausen einst bewarb, sind legendär: "Als Chefin des Möbelhauses Meyerhoff in Osterholz-Scharmbeck teile ich Ihnen, verehrte Kundschaft, mit, dass meine Mitarbeiter das ganze Jahr gut gearbeitet haben. Dafür haben sie Weihnachten und Silvester frei." Die Aussage blieb in kollektiver Erinnerung. Inge Küster in einem Interview mit der Redaktion zum 75. Geburtstag: "Die wollten das erst gar nicht senden. Und dann war's ein Riesenerfolg."
Das Gespräch damals ist Wolfgang Röll bis heute in guter Erinnerung; es dokumentiere ihren Humor in besonderer Weise, sagt er. Auf ihren "verdienten Ruhestand" angesprochen, hatte die Unternehmenschefin damals geantwortet, das könne manchen so passen. Sie gönne es sich allerdings, jeden Tag nur noch von neun bis viertel vor sechs im Büro zu sein. Als Röll neben ihr humorig hinzufügte, er leide darunter, bemerkte seine Chefin trocken: "Na und? Sie werden immer noch jeden Tag satt."
Jeden Tag von neun bis viertel vor sechs zu arbeiten, war ein Luxus, den sich Inge Küster viele Jahre nicht leisten konnte. Und sie hatte erlebt, was Hunger bedeutet. Die Tochter des Polstermeisters Wilhelm Meyerhoff und seiner Ehefrau Käthe musste 1952 das Erbe der Eltern vor der Zeit antreten; der Vater war im Krieg gefallen, die Mutter gerade gestorben. Sie war 22 damals, gelernte Sattlerin, und mit dem kleinen Polsterladen in der Neuen Straße herangewachsen während der Trümmerjahre. Die Züge der Reichsbahn brachten damals Tausende Flüchtlinge nach Osterholz-Scharmbeck; Inge Küster zählte zu denen, die die Heimatlosen im großen Saal der früheren Reiswerke "mit einem Schlag fetter Nudelbrühe" versorgten. Als die Wirtschaftswunderjahre begannen, wurden die früheren Flüchtlinge zu festen Kunden. Viele guckten sich bei Meyerhoff nach einem komfortableren Zuhause um. Wer konnte, legte sich außer Stilmöbeln Lebensstil zu: moderne Elektrogeräte für den Haushaltsalltag und für abends neuzeitliche Fernsehgeräte.
Umsatz: 50 Millionen Euro
Niemand ahnte zu der Zeit, dass der Aufstieg des Möbelgeschäfts zu einem Unternehmen mit heute 30 000 Quadratmetern Fläche in Buschhausen, sechs Filialen in der Region und 280 Mitarbeitern begonnen hatte. Inge Küster belud anfangs mit ihrem Mann Herbert selbst den Handwagen oder stieg auf den Traktor, um die Ware zu den Kunden zu bringen. Die Buchhaltung wurde in der Nacht erledigt; der Schlaf überkam sie am Schreibtisch. Vergangenes Jahr erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz von zirka 50 Millionen Euro. In den Ausbau zum Meyerhoff-Center werden die Investoren ab Herbst dieses Jahres zirka 40 Millionen Euro verbauen.