Landkreis Osterholz. Die Zahl der polizeilich erfassten Straftaten im Landkreis Osterholz ist im vergangenen Jahr gegen den Landestrend zurückgegangen. Das geht aus der Kriminalstatistik hervor, die am Donnerstagvormittag von der Polizeiinspektion (PI) Verden/Osterholz veröffentlicht wurde. Im Osterholzer Kreisgebiet war die Polizei nach Angaben des Verdener Kripo-Chefs Andreas Lohmann mit 4868 Fällen befasst; das sind 316 Delikte weniger als im Vorjahr und 1339 weniger als 2015, dem Spitzenwert im Zehnjahresvergleich. Die Aufklärungsquote stieg leicht auf 62,74 Prozent an; sie liegt damit geringfügig über dem Landesdurchschnitt von 62,51 Prozent.
"Der Corona-Knick ist spürbar gewesen", sagt Lohmann mit Blick auf die Zahlen. "Es gab in der Pandemie-Zeit weniger Tatgelegenheitsstrukturen." Umso erfreulicher sei es, dass die Gesamtkriminalität nach 2022 vorerst nicht weiter zugenommen habe. "Im Landkreis Osterholz lässt es sich, so gesehen, schon sehr sicher leben", sagt der Leiter des Zentralen Kriminaldienstes. Aus Gründen der Vergleichbarkeit nennen die Polizei-Statistiker bei den Fallzahlen stets das sogenannte Ausgangsdatum, also den Abschluss ihrer Ermittlungen in einem Fall.
Mehr Rohheitsdelikte
Die PI-Leiterin Antje Schlichtmann, setzt hinzu, dass unterdessen die Fallzahlen im Bereich der sogenannten Rohheitsdelikte sowie der Straftaten gegen die persönliche Freiheit weiter ansteigen – auch im Landkreis Osterholz. Mit 967 Straftaten fiel für das Osterholzer Kommissariat zuletzt fast jeder fünfte Fall in diese Kategorie. Dazu zählen unter anderem Körperverletzungen (von 580 auf 631 Fälle) und Raubtaten (von 38 auf 52). "Die Zündschnur der Menschen wird anscheinend immer kürzer", so der Befund der Polizeidirektorin. Sie verweist auf wirtschaftlichen Druck und gesellschaftliche Spannungen. Fast jede vierte Körperverletzung wurde überdies im alkoholisierten Zustand verübt, so Schlichtmann weiter.
Sie betont: Mit den Fallzahlen steige auch die Zahl der Menschen an, die Opfer von Gewalttaten werden: 723 Männer und 572 Frauen waren es im vergangenen Jahr. Bei der Gewaltkriminalität – die einfache Körperverletzung zählt nicht dazu – ist die Aufklärungsquote naturgemäß hoch, denn häufig kennen Opfer und Täter einander. Zuletzt stieg der Wert nochmals an: auf 87,6 Prozent. Gesondert ausgewiesen werden in der Polizeistatistik sogenannte Straftaten gegen das Leben. Im Berichtsjahr fallen sechs Delikte darunter, vor allem sogenannte Versuchstaten oder Fälle von fahrlässiger Tötung. Mord und Totschlag, sagt Schlichtmann, seien eher was für Fernsehkrimis.
Kinderpornografie im Visier
Eher schon beschäftigen sich die Osterholzer Ermittler mit Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Dazu zählen nicht nur Missbrauch, Vergewaltigung, Nötigung und sexuelle Belästigung, sondern auch die Verbreitung von (Kinder- und Jugend-)Pornografie fällt darunter. Allein dieser Umstand ist nach Angaben von Kriminaloberrat Lohmann dafür verantwortlich, dass die Zahlen auf mittlerweile 160 Fälle gestiegen sind. "Das Thema ist in den Fokus der Öffentlichkeit und der Ermittler gelangt", sagt der Kripobeamte. Es gebe mehr Anzeigen unter anderem durch Internetprovider und eine hohe Aufklärungsquote. Bei Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung von Kinder- und Jugendpornografie seien 87 der 89 Fälle aufgeklärt worden.

Kommissariatsleiter Patrick Hublitz (von links), Polizeidirektorin Antje Schlichtmann und Kripo-Chef Andreas Lohmann stellten die Kriminalstatistik 2023 für den Landkreis Osterholz vor.
Seit zwei Jahren ist eine ständige Ermittlungsgruppe bei der PI damit befasst, die wachsenden Datenmengen zu sichten. Eine mühsame und belastende Arbeit, wie Schlichtmann betont. Die Mitwirkung der Kollegen ist freiwillig und befristet; es gibt Supervision und Sonderurlaub. Neben der Verbreitung von pornografischem Material – bei Kinderpornografie ist schon der Besitz strafbar – geht es auch darum, anhaltenden oder bevorstehenden Missbrauch aufzuklären. Bei der Feststellung des Tatorts könne Künstliche Intelligenz helfen: "Da muss und wird viel passieren", ist die Polizeichefin überzeugt. Wird das Dunkelfeld aufgehellt, steigen die Fallzahlen
Einbruchsdiebstahl nimmt leicht zu
Ein Hauptaufgabenfeld für die Osterholzer Ermittler bleibt der Bereich Diebstahl. Große und kleine Fälle sind unter den insgesamt 1577 Delikten zusammengefasst: Ladendiebe, Taschendiebe, Fahrrad- und Autodiebe ebenso wie Einbruchdiebstahl in Wohnungen oder Gewerbebetriebe. Insgesamt haben die Fallzahlen noch längst nicht wieder das Vor-Pandemie-Niveau erreicht. Überdies hat die Mannschaft um den kommissarischen Leiter des Kommissariats Patrick Hublitz 578 Fälle aufklären können, was laut Statistik einer Quote von 36,65 Prozent entspricht und zugleich einen Rekord der vergangenen zehn Jahre bedeutet.
Nimmt man nur die Wohnungseinbrüche heraus, die für das Sicherheitsgefühl der Menschen besonders wichtig sind, ergibt sich unterdessen ein gemischtes Bild, wie PI-Chefin Antje Schlichtmann darlegt. Die Fallzahlen stiegen leicht an – kreisweit wurden im Berichtsjahr 144 Wohnungseinbrüche angezeigt, sechs mehr als 2022 – die Aufklärungsquote indes blieb trotz eines Anstiegs von 9,4 auf 16,7 Prozent auf dem zweitniedrigsten Wert seit 2014. Fünf von sechs solcher Straftaten bleiben unaufgeklärt, was gesellschaftlich und psychologisch folgenreich sei, wie Antje Schlichtmann darlegt. Schließlich bedeute jeder Fall eine Verletzung der Privatsphäre. Mit Prävention zum besseren Eigentumsschutz steuern die Beamten dagegen. So blieb es in knapp 40 Prozent der Fälle letztlich beim Versuch.
Allein 1123 Straftaten fallen in der Osterholzer Kriminalstatistik unter Sonstiges. Das sind immerhin 23 Prozent der Delikte, mit denen die Ordnungshüter übers Jahr befasst sind. Dahinter stecken Beleidigung, Sachbeschädigung, Geldwäsche und Erpressung. Weitere 306 Delikte betreffen Nebengesetze im strafrechtlichen Sinne, also Verstöße etwa gegen Betäubungsmittelgesetz, Naturschutz-, Arzneimittel- oder Kunst- und Urhebergesetz. Und 719 Fälle wurden als Vermögens- und Fälschungsdelikte klassifiziert. Über einzelne Täter- oder Opfergruppen werden wir noch berichten.