Sinkende Fallzahlen und eine steigende Aufklärungsquote, die mit 64,4 Prozent weiter über dem Landesdurchschnitt liegt: Mit der Entwicklung der Kriminalstatistik 2024 für den Landkreis Osterholz ist die leitende Polizeidirektorin Antje Schlichtmann zufrieden: "Die Richtung stimmt", sagt die Chefin der Polizeiinspektion (PI) Verden/Osterholz. Und PI-Kripochef Andreas Lohmann betont, die geringere Kriminalitätsbelastung erstrecke sich auf nahezu alle Bereiche, inklusive Diebstähle und Gewaltstraftaten. Gleichwohl bleibt angesichts von 4601 registrierten Straftaten (2023: 4868) nach Überzeugung der Ordnungshüter genug zu tun, zumal die Daten lediglich Auskunft über das sogenannte Hellfeld gäben.

Kriminalstatistik 2024 für den Landkreis Osterholz
Gewaltkriminalität wird in der Fachsprache subsumiert unter "Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit". Dazu zählen unter anderem Raub, Körperverletzung, räuberische Erpressung, Bedrohung, Nachstellung, Nötigung, Menschenhandel. Die Osterholzer Polizeistatistik verzeichnet hier gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang von 967 auf 903 Fälle – bei einer Aufklärungsquote von 89 Prozent. Vor allem Körperverletzungsdelikte (560) wurden im Vergleich zu 2023 seltener aktenkundig, doch weiterhin war der Täter in mehr als jedem fünften Fall alkoholisiert. Kaum Veränderungen gab es bei den Raubdelikten (49) und Messerangriffen (35).
"Ein klassischer Mord war nicht darunter"
Daneben wurden fünf "Straftaten gegen das Leben" gezählt – nach Angaben des Osterholzer Kriminalhauptkommissars Lars Röben handelte es sich um Tötungsdelikte infolge unterlassener Hilfeleistung, bei denen es teilweise beim Versuch blieb. "Ein klassischer Mord wie im Sonntagskrimi war nicht darunter", sagt Lohmann und betont, jeder Fall tauche erst mit dem Ende der polizeilichen Ermittlungen in der Statistik auf. Bei zwei der fünf Fälle ließen sich die Ursachen letztlich nicht aufklären; so etwas könne im Bereich von Pflege und Medizin vorkommen.
Insofern ist, streng genommen, von mutmaßlichen Tätern zu sprechen; am Ende entscheiden die Gerichte. Unterschieden wird außerdem zwischen Opfern und Geschädigten, also körperlicher Unversehrtheit und materiellem Schaden. Bei nahezu jeder vierten Straftat gab es laut Polizei mindestens ein Opfer: 694 Männer (Tendenz sinkend) und 568 Frauen (beinahe unverändert).
Dunkelziffer bei sexueller Gewalt
Die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gingen gegenüber dem Vorjahr geringfügig zurück: auf 154 Fälle, von denen 89 Prozent aufgeklärt werden konnten. Dazu zählen – neben Vergewaltigung, Missbrauch und sexueller Nötigung / Belästigung – auch 56 Fälle, welche die Verbreitung von Kinder- und Jugendpornografie betreffen. Weil schon die arglose Weiterleitung als strafbar gilt, ist die polizeiliche Prävention gerade auch in den Schulen auf diesem Feld sehr aktiv – und der Rückgang in dem Bereich besonders stark. Bei alledem aber, so Polizeichefin Schlichtmann, dürfe die hohe Aufklärungsquote nicht darüber hinwegtäuschen, dass es gerade bei sexualisierter Gewalt eine enorm große Dunkelziffer gebe.
Das gelte auch für die sogenannte häusliche Gewalt, die seit 2021 umfassender definiert und gesondert erhoben wird. Die Zahlen bündeln unterschiedliche Straftaten, von Beleidigung bis körperlicher Gewalt. Und sie bewegten sich zuletzt kaum: 296 Fälle mit 190 weiblichen und 82 männlichen Opfern stehen für das Jahr 2024 zu Buche. Dabei ging jede zweite Tat vom Partner oder Ex-Partner aus, und in jedem dritten Fall handelte es sich um innerfamiliäre Gewalt – auch dort mit mehrheitlich weiblichen Opfern. Dass die Gefahr für Frauen in den eigenen vier Wänden größer ist als draußen im Dunkeln, findet Schlichtmann ebenso unerträglich wie den Umstand, dass vielfach auch Kinder mitbetroffen sind. "Außerdem gibt es noch immer eine große Scham. Bis sich jemand bei uns meldet, ist meistens schon eine Menge passiert." Die Polizei Verden/Osterholz werde die Arbeit in diesem Bereich weiter ausbauen, kündigt die PI-Leiterin an.
Von Dieben und Vandalen
Die einzige Deliktgruppe mit leicht steigenden Fallzahlen waren im Vorjahr die Vermögens -und Fälschungsdelikte (266), zu denen Betrug und die Erschleichung von Leistungen zählen, sowie die sonstigen Straftatbestände mit 1062 aktenkundigen Fällen. Dazu zählen vor allem Sachbeschädigungen, aber auch Geldwäsche, Hehlerei, Erpressung und Widerstand gegen die Staatsgewalt zählen dazu. Sie machen zusammen mit den Diebstahlsdelikten, die um sieben Prozent auf 1465 Fälle zurückgingen (davon 557 aufgeklärt), den Löwenanteil der Polizeiarbeit aus.
Hingegen sind die Rauschgiftdelikte im Gefolge der Teil-Legalisierung von Cannabis erwartungsgemäß zurückgegangen, und zwar um 17 Prozent. Diese Verstöße werden in der Gruppe der strafrechtlichen Nebengesetze geführt, zu denen Arznei- und Betäubungsmittel sowie Waffen- oder Tierschutzgesetz zählen. Andreas Lohmann findet die Lockerung der Bestimmungen für erwachsene Kiffer "nicht nur positiv". Erstens hapere es noch an legalen Beschaffungswegen, zweitens würden ungewollt auch Minderjährige zum Konsum ermuntert, und drittens sei nun der Einstieg in die Ermittlungen für die Polizei erschwert. Hinzu kommt nach Ansicht des stellvertretenden Kommissariatsleiters Lars Röben, dass manchen Verkehrsteilnehmern offenbar die Erfahrung fehle, was es für die Fahrtüchtigkeit bedeute, sich unter Drogen ans Steuer zu setzen.