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Corona-Schutzimpfungen Impfangebot mit Hemmschwelle

Die Impfzentren sind zu. Seit 1. Oktober sind die niedergelassenen Ärzte zuständig für Corona-Impfungen. Eine Scharmbecker Medizinerin moniert, dass ihre Standeskollegen nur selten praxisfremde Menschen impfen.
08.10.2021, 18:00 Uhr
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Impfangebot mit Hemmschwelle
Von Bernhard Komesker

Landkreis Osterholz. Anne Nohns ist beunruhigt. Seit der Schließung des Impfzentrums in der Stadthalle ist die Hautärztin aus der Scharmbecker Innenstadt die einzige Medizinerin in der ganzen Stadt, die auch praxisfremde Menschen impft. Das jedenfalls geht aus den aktuellen Daten hervor, die von der Kassenärztlichen Vereinigung sowie der Ärztekammer Niedersachsen veröffentlicht werden. Demnach gibt es in der Kreisstadt keinen Hausarzt, der offiziell über den eigenen Patientenstamm hinaus Corona-Schutzimpfungen anbietet. Auch in Ritterhude, Grasberg und Hambergen sind keine Haus- oder Fachärzte registriert, die uneingeschränkt impfen. Gleichzeitig ist eine nachlassende Impfbereitschaft in der Bevölkerung zu beobachten. "Wenn alle nur ihr eigenes Klientel bedienen, wie wollen wir dann die Impfquote noch steigern?", fragt Nohns sorgenvoll.

Über die Zahl derer, die unbürokratisch auch ohne Kartei-Eintrag durchaus in einer Arztpraxis versorgt werden, kann zwar nur spekuliert werden. Anne Nohns behauptet aber, dass manche Anfragen wegen überlasteter Praxen auch offen abgelehnt würden. Vor allem, sagt sie, sei davon auszugehen, dass viele Menschen gar keinen Hausarzt haben und folglich nun keinen Weg zu einer Corona-Impfung finden. Auch sei es nur wenig bekannt, dass seit April nicht nur die Allgemeinmediziner die Schutzimpfungen vornehmen, sondern auch die niedergelassenen Fachärzte. Die Dermatologin von der Marktstraße sagt, sie wisse, wovon sie spreche: Sie beteilige sich seit dem ersten Tag an der Impfkampagne und an den Bürgertestungen ebenfalls.

Schwer zu finden

Leider sei ihr Angebot für Praxisfremde alles andere als leicht zu finden, so Nohns weiter. Das sei ihr wiederholt von neuen Gesichtern im Wartezimmer bestätigt worden. Manche waren durch Versuch und Irrtum auf sie gestoßen, andere durch das Internetportal www.arztauskunft-niedersachsen.de, das aber auch so seine Tücken habe. In der dortigen Suchmaske muss nämlich zunächst im Feld "Besonderheiten" der Menüpunkt "Corona-Impfung" ausgewählt werden, anschließend dann der eigene Wohnort. Einziger Treffer im zehn Kilometer Umkreis der Postleitzahl 27711 ist Anne Nohns. Verdoppelt man den Radius auf 20 Kilometer, tauchen ärztliche Anbieter in Lilienthal, Worpswede, Schwanewede, Hagen und Bokel auf.

Vorsorglich weist Nohns darauf hin, dass ihre Praxis während der Herbstferien geschlossen sei. Sie hofft darauf, dass bei einigen Standeskollegen noch ein Umdenken stattfindet. Die Kassenärztliche Vereinigung fragt in unregelmäßigen Abständen ab, welche Mediziner bereit sind, auch praxisfremde Menschen zu impfen. Das bisherige Zögern der meisten Hausärzte erklärt sich die Hautärztin nicht zuletzt mit dem höheren, schwer kalkulierbaren Aufwand: "Ich muss Impfstoff bestellen und Termine frei schaufeln." Mit Blick auf die Erkältungssaison schwant Nohns nichts Gutes. Und bis zu einer Herdenimmunität fehlten wohl noch immer Impfungen für rund 25 Prozent aller Menschen ab zwölf Jahren.

Ruf nach mehr Impfaktionen

Darum forderte auch der VdK-Sozialverband vergangene Woche zur Schließung der Impfzentren, die mobilen Teams dieser Zentren müssten weiter dezentrale, niedrigschwellige Impfangebote machen. "Die Impfquote entwickelt sich viel zu langsam", bemängelte anschließend auch der Krisenstabsleiter der niedersächsischen Landesregierung, Heiger Scholz. Dabei sei es unerheblich, dass mit dem fehlenden Reporting aus den Impfzentren nun einige Tage Meldeverzug in der Statistik durchschlagen. Die Landesregierung möchte, dass die mobilen Teams nach den Herbstferien vermehrt auf Schüler und Migranten zugehen.

So oder so sind die Landkreise und kreisfreien Städte gehalten, mit Schließung der Zentren ein mobiles Impfteam pro 70.000 Einwohner vorzuhalten. Dies vor allem auch deshalb, um die nun anstehenden Auffrischungsimpfungen bei den vulnerablen und hochbetagten Menschen vorzunehmen, die zu Beginn der Kampagne Anfang des Jahres zuerst versorgt worden waren. Niedersachsenweit hatten 39 der 45 Landkreise bis zum Dienstag mit der Aufstellung der mobilen Teams zumindest begonnen.

Von Bedarf und Zuständigkeit

Im Osterholzer Kreishaus war die erste Einheit gleich am Montag losgezogen, um die erste von kreisweit 27 Alten- und Pflegeeinrichtungen erneut aufzusuchen, deren Bewohner im Januar/Februar versorgt worden waren. Das Team besteht aus drei Landkreis-Bediensteten, die schon seit einigen Monaten für die Impfkampagne im Einsatz sind: ein Arzt, eine medizinische Fachkraft und eine Verwaltungskraft. Nach Angaben von Landkreis-Sprecherin Jana Lindemann sind damit täglich bis zu 120 Impfungen möglich. An Ausrüstung und Impfstoff fehle es nicht; abgerechnet werde weiter mit dem Land Niedersachsen.

Zwar seien mittelfristig auch niedrigschwellige Vor-Ort-Angebote geplant, doch bevor womöglich wieder ein zweites mobiles Team aufgestellt wird, will die Behörde nun zunächst Angebot und Nachfrage weiter beobachten. "Der Landkreis wird sich bedarfsgerecht aufstellen", versichert Lindemann. So seien mittelfristig auch dezentrale Impfaktionen etwa an Schulen geplant, wenn diese dazu bereit sind. Auch werbe man bei den Bürgern weiter für Schutzimpfungen bei den niedergelassenen Ärzten. Dort sehe die Verwaltung einstweilen die Hauptaufgabe, und man tausche sich darüber auch mit den Praxen aus.

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Von Kindern und Quoten

Aktuell haben 60 Prozent aller Kreisbewohner vollständigen Impfschutz, 2,5 Prozent gelten als genesen. Landkreis-Sprecherin Jana Lindemann glaubt, dass die tatsächliche Impfquote kreisweit höher liegt als es die Zahlen besagen: Durch berufliche Indikation hätten sich etliche Einwohner vermutlich bei Bremer Betriebsärzten impfen lassen.

Für Kinder unter zwölf Jahren gibt es bisher kein Angebot; sie sind daher besonders auf den Schutz durch eine hohe Impfquote bei Erwachsenen und Jugendlichen angewiesen. Lindemann ist sich sicher: "In der Herbst- und Winterzeit wird es vermehrt zu Infektionen an Schulen kommen." Zuletzt waren neben der einen oder anderen Kita auch bereits die KGS Schwanewede und die IGS Lilienthal betroffen, sodass Ende September ein Elternrundbrief an die Schulen in Landkreis-Trägerschaft ging, der über die Corona-Impfungen informierte.

Unterdessen kümmerten sich die beiden mobilen Teams des Impfzentrums bis Ende September vor allem um Bewohner und Beschäftigte im Pflegebereich sowie um das Personal in kreisweit 38 Schulen und 86 Kitas. Seit genügend Impfstoff verfügbar ist, gab es darüber hinaus bisher auch 16 freie Impfaktionen vor Ort. Auf die mobilen Teams entfielen von Januar bis September kreisweit 15.500 Impfungen.

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