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"Nicht zukunftsfähig" Messemacher erläutern Publica-Ende in Osterholz-Scharmbeck

Die Publica OHZ galt mehr als 15 Jahre als größte Verbrauchermesse im Elbe-Weser-Gebiet. Nun ist Schluss mit der Gewerbeschau. Bei der Entscheidung ging es nicht nur ums Geld.
21.10.2023, 05:00 Uhr
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Messemacher erläutern Publica-Ende in Osterholz-Scharmbeck
Von Christian Valek

Osterholz-Scharmbeck. Nach dem Ende der Publica herrscht Stille in der Stadt. Scheinbar niemand stört sich am Aus der einst größten Verbrauchermesse im Elbe-Weser-Dreieck. Das angestaubte Konzept, der Kostendruck und der Personalmangel waren Sargnägel für die einst erfolgreiche Veranstaltung. Das Ende der Publica ist zugleich ein Zeichen, dass sich die Stimmung in der Wirtschaft und mit ihr die Messelandschaft abrupt wandeln – nicht nur in Osterholz-Scharmbeck.

Beim Blick nach Bremen könnte Jens Themsen von der Stadtmarketing-Gesellschaft in Osterholz-Scharmbeck eigentlich neidisch werden. Die Verbrauchermesse Hanselife konnte in diesem September gut 37.000 Besucher in den Bremer Messehallen begrüßen. Etwa 700 Aussteller nutzten die Gelegenheit, sich dem Publikum zu präsentieren und ihre Waren anzubieten.

Das war die Publica

Im Vergleich zum Aufwand der Hanselife können sich die Zahlen der Osterholzer Veranstaltung sehen lassen: Mit weniger als einem Drittel der Aussteller lotsten die Organisatoren um Elvira Kleyboldt und Matthias Renken zuletzt immerhin 30.000 Besucher auf das Stadthallen-Gelände. Die Publica war aber immer ein Zuschussgeschäft, betont Jens Themsen als Stadtmarketing-Geschäftsführer. Das Defizit habe im mittleren fünfstelligen Bereich gelegen. Am Ende seien die Unbekannten in dieser Rechnung aber kaum kalkulierbar gewesen, merkt er an. "Auch deswegen haben wir die Reißleine gezogen."

Die Publica OHZ, die aus der Kreisgewerbeschau hervorgegangen ist, konnte beim Start 2005 – laut Veranstalter – 50.000 Besucher vorweisen. Damals war die Messe mit 150 Ausstellern ausgebucht. Bis 2015 stieg die Zahl der Aussteller auf etwa 230 an. Danach pendelte sich der Wert auf knapp 200 ein. Bei der letzten Publica im Jahr 2022 kamen zusammen mit der AIR-Veranstaltung (Arbeiten in Region) etwa 170 Unternehmen an der Jacob-Frerichs-Straße und geschätzt 30.000 Gäste zusammen.

Das sagt das Stadtmarketing

Vor allem zuletzt sei erheblicher personeller Aufwand nötig gewesen, um Firmen für einen Messeauftritt zu begeistern, erläutert Themsen. Darauf hatte im Frühjahr bereits Publica-Organisatorin Elvira Kleyboldt hingewiesen. Vor allem die Qualität der Anbieter habe sich geändert. "Es ist uns nicht mehr gelungen, an große, spannende Firmen ranzukommen“, sagt Themsen. Zuletzt hatte eine externe Firma die Telefon-Akquise übernommen, um vorhandene Ausstellerlisten abzutelefonieren. Eine Publica mit Qualitätsansage sei nicht mehr realisierbar gewesen.

Auch die Kosten seien gestiegen. Für ein Zelt, in dem 30 Aussteller Platz finden, müssten mittlerweile mehr als 8000 Euro auf den Tisch gelegt werden. Ein weiterer Grund: Besucher und Aussteller entscheiden sich immer später dazu, eine Messe zu besuchen. Auch das war ein Argument, dass im Frühjahr 2023 vom Osterholzer Stadthalle-Team angeführt wurde und im April zur Absage der diesjährigen Messe führte.

Also habe man sich unter Einbeziehung von Aufsichtsrat und Kreisverwaltung die Frage gestellt, inwiefern die Veranstaltung in bekannter Form noch zukunftsträchtig sein kann, sagt Themsen. „Die Entscheidung, die Messe einzustellen, fiel uns allen unendlich schwer.“

Das sagt der Messeverband in Berlin

Die Messelandschaft in Deutschland kommt nach der Corona-Pause unterschiedlich schnell in Schwung. „Die Rahmenbedingungen haben sich sehr schnell verändert“, erläutert Steffen Schulze vom Verband der deutschen Messewirtschaft (Auma) in Berlin. Die Menschen würden aufgrund von Inflation und Rezession das Geld zusammenhalten, Unternehmen würden weniger Investitionen tätigen.

„Es gibt keine einfache Antwort“, sagt Steffen Schulze. Während viele sogenannte Fachbesuchermessen nach der Corona-Pause einen „Raketenstart“ hingelegt hätten, dauere die Erholung bei Endverbrauchermessen länger. Der Sprecher der Auma (Ausstellungs- und Messe-Ausschuss) geht davon aus, dass sich die Lage bei  Verbrauchermessen bis 2025 stabilisieren wird.

Die unterschiedliche Betrachtung sei nötig, weil sich Fachmessen am Innovationszyklus der Wirtschaft orientierten. Bei Endverbrauchermessen wie der Publica hingegen, auf denen beispielsweise zum wiederholten Mal ein patentierter Gemüsehobel angeboten werde, fehle dieser Impuls. Diese Messen müssten sich immer wieder neu erfinden, um für das Publikum interessant zu bleiben.

Auf die Frage, ob Messen noch zeitgemäß sind, hat Steffen Schulze eine klare Antwort. „Der Messeplatz Deutschland ist Platz eins in der Welt.“ Deutschland biete vier der zehn weltgrößten Messegelände, etliche Veranstalter gehörten zu den Top Ten der Welt. „Messen sind Spiegel der Wirtschaft und Spiegel des täglichen Lebens“, sagt er. Und wenn die Konsumenten mehr im Internet einkaufen würden, dann zeige sich das eben auch im Messebereich.

Das sagt die Stadthalle Bremen

Kerstin Renken, Bereichsleiterin Publikumsmessen in der Bremer Stadthalle, bedauert das Ende der Publica. Im Gespräch mit der Redaktion weist sie darauf hin, dass die Publica – anders als die Hanselife – eine  regional geprägte Messe gewesen sei. Was aber beide Veranstaltungen verbinde, sei die Aufgabe. "Wir betreiben Wirtschaftsförderung."

Jens Themsen schließt nicht aus, dass es irgendwann eine Nachfolgeveranstaltung geben könne. Diese aber müsse ein überzeugendes zukunftsfähiges Konzept haben. Möglicherweise könnten auch bestehende Veranstaltungen erweitert werden. Und daraus könnte irgendwann eine neue große Verbrauchermesse entstehen.

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