"Ich bin Christin. Das ist politisch. Für mich lässt sich das nicht trennen", sagt Lotta Kohlmann. Ihr ist es wichtig, Stellung zu beziehen. Kohlmann kommt aus der sozialen Arbeit und für die schlägt ihr Herz. Seit Anfang Juni leitet die 39-Jährige die Arbeit des Diakonischen Werks in Osterholz-Scharmbeck – als dessen Geschäftsführerin. Zuvor war sie als Sozialarbeiterin für den evangelisch-lutherischen Kirchenkreis Osterholz-Scharmbeck tätig.
Armut, Spaltung der Gesellschaft, die Bedrohung der Demokratie, Klimawandel, Stigmatisierung von psychisch kranken Menschen, die Sorge vor einer Abschiebung aus Deutschland – die Vielfalt der Themen, mit denen sich die Gesellschaft trägt, ist groß. Für Kohlmann gibt es daher keine wichtigere Arbeit zu tun. Sie weiß um die Hürden – seien es Sprachbarrieren oder Scham –, das Hilfsangebot der Diakonie überhaupt in Anspruch zu nehmen. Dass sie lange in Beratungsstellen gearbeitet hat, kommt Kohlmann nun zugute, davon ist sie überzeugt.
Ihr Weg an die Spitze des Diakonischen Werks ist lang und lehrreich gewesen. Kohlmann wächst in Osterholz-Scharmbeck auf und wird in der evangelischen Jugend sozialisiert. Ihre Ferien verbringt sie in Zeltlagern, leitet bald selbst kirchliche Familien- und Kinderfreizeiten. Nach dem Schulabschluss studiert sie in Hannover soziale Arbeit und Religionspädagogik.
Im ersten Anerkennungsjahr arbeitet sie in der Migrationsberatung und findet Gefallen an der Arbeit mit Erwachsenen. "Menschen haben Rechte. Das wissen sie oft nicht. Ich möchte dazu beitragen, dass sie zu ihrem Recht kommen." Empowerment ist ein großes Wort. Kohlmann nimmt es bereitwillig in den Mund. "Wir starten nicht alle mit den gleichen Voraussetzungen", sagt sie. Umso wichtiger sei es, dass Menschen sich solidarisch unterstützen.
Während des Studiums lernt Kohlmann ihren späteren Mann Daniel kennen. Mit ihm zieht sie nach der Geburt des ersten Sohnes nach Bremen. Dort arbeitet sie im Mütter- und Familienzentrum Huchting. Dieser Job sei unglaublich vielfältig gewesen, das Umfeld international. Sie bleibt acht Jahre, bekommt zwei weitere Söhne. Nach der Geburt des dritten Kindes entschließt sich die Familie zum Umzug nach Osterholz-Scharmbeck. Die Nähe zu Kohlmanns Mutter sei nicht nur für ihre Kinder toll. Kohlmann leitet zwei Jahre lang einen Kindergarten in Lesum.
Dann wird die Stelle der Kirchenkreis-Sozialarbeiterin in Osterholz-Scharmbeck neu ausgeschrieben. Kohlmann bekommt den Job und ist fortan in der Schwangerschaftskonfliktberatung und der allgemeinen Sozialberatung tätig. Dort lernt sie das umfangreiche Angebot der Diakonie kennen und schätzen. Dass sie in der Kreisstadt aufgewachsen ist und viele Menschen sie kennen, sei ebenso hilfreich für ihre Arbeit wie der nötige Abstand durch die 18 Jahre, die sie außerhalb ihrer Geburtsstadt verbracht hat. Diverse Netzwerke und die Vielfalt von Kooperationsstrukturen kennenzulernen – Kohlmann sagt, sie sei dankbar für diese Erfahrungen, die sie nun in ihre Arbeit beim Diakonischen Werk einbringen möchte.
Kirchenmitgliedschaft als Akt der Solidarität
Die Kirche hat Kohlmann stets als sehr inklusive Einrichtung erlebt. In der Schwangerschaftskonfliktberatung bei einem kirchlichen Träger arbeiten zu können, habe sie darin bestärkt, dort richtig zu sein, sagt sie. Dass Menschen für sich selbst entscheiden und nicht einfach alles passieren lassen, sei für sie der richtige Ansatz. Kohlmann ist begeistert von ihrem Team und genießt die Zusammenarbeit. Alle seien motiviert und identifizierten sich stark mit ihren Aufgaben. Das sei ein großer Schatz, eine wertvolle Ressource. In der Diakonie werde außerdem eine sehr gute Fehlerkultur gepflegt, auch das sei wichtig.
Welche Sorgen und Nöte die Menschen umtreiben – das weiß Kohlmann sehr gut aus ihrer Zeit in Beratungsstellen. Ihr Ziel ist es, ein niedrigschwelliges diakonisches Angebot zu entwickeln und die Menschen dort zu erreichen, wo sie es brauchen. Mitglied in der Kirche zu bleiben, sei ein Akt der Solidarität, findet Lotta Kohlmann. "Jeder Mensch kann in die Situation kommen, in der er Hilfe braucht. Denn manchmal passiert einem einfach ja: das Leben."
Kohlmann ist klar und eindeutig in ihren Vorstellungen. Sie bringt ohne Umschweife auf den Punkt, was ihr am Herzen liegt. Für eine zentrale Institution tätig zu sein, sei ein klarer Vorteil. "Ein großer Träger lässt sich nicht überhören. Hier ist es möglich, sehr laut Stellung zu beziehen."
Aus den "Leitungsschuhen" könne man nie wieder so ganz heraustreten, so Kohlmann. Das möchte sie auch gar nicht – sie ist gerade erst wieder voll hineingeschlüpft. Das Bewerbungsverfahren der offenen Ausschreibung für die Stelle der Geschäftsführerin sei anspruchsvoll gewesen, so Kohlmann weiter. Superintendentin Jutta Rühlemann ist sich sicher, mit Kohlmann eine ausgezeichnete Wahl getroffen zu haben. "Wir haben uns sehr über ihre Bewerbung gefreut. Lotta Kohlmann hat nicht nur die nötige Expertise, sie hat auch ein sehr großes Netzwerk." Das sei enorm wichtig für die Arbeit als Geschäftsführerin. So, wie eine gute Zusammenarbeit von Diakonie und Kirchenkreis.
Im Kirchenkreis arbeiten viele Ehrenamtliche, so Rühlemann. Diese könnten den Bedarf an Hilfestellung unmöglich alleine auffangen. Umso wichtiger sei das professionelle Hilfsangebot der Diakonie. Beides sind kirchliche Einrichtungen, das Angebot richtet sich jedoch an alle Menschen – unabhängig von Konfession oder Herkunft. Die Arbeit sei kräftezehrend und benötige viel Energie, betont Rühlemann. Lotta Kohlmann schreckt das nicht ab, im Gegenteil: Ihre Augen strahlen. Kohlmann liebt ihren Job. Sie macht ihn aus voller Überzeugung. "Die Vielfalt macht den Reiz aus", sagt Kohlmann. Dass das Angebot an die Bedürfnisse der Menschen angepasst bleibt, darauf liege ihr Fokus.
Lotta Kohlmann hat viel vor. Sie denkt groß und hat die Hoffnung auf eine bessere Welt noch nicht aufgegeben. Was sie sich für die Zukunft wünscht? "Dass wir zugewandt und in Kontakt in diesem Geiste weitermachen und für die Menschen arbeiten – auf Augenhöhe."