"Das kann keiner verstehen", sagt Mario Kuhn. Der 41-Jährige hat eineinhalb Jahre als Produktionsleiter bei der Firma Dual-Lift in Pennigbüttel gearbeitet und war auch davor schon bei der Firma tätig. Am Donnerstag kam die Hiobsbotschaft für die Belegschaft: Kündigung. "Wir sind erst einmal freigestellt unter der Abgeltung von Urlaub und Überstunden." Danach greife je nach Betriebszugehörigkeit eine ein- oder zweimonatige Kündigungsfrist für die rund 30 Angestellten des Unternehmens. Die Nachricht sei aus heiterem Himmel gekommen, meint Kuhn. "Das wurde vorher in keiner Weise mit uns kommuniziert."
Dual-Lift gehört zum US-Konzern Safeworks LLC mit Sitz in Seattle und stellt seit 2008 Spezialwinden und "Lösungen für hängenden Zugang und Sicherheit in einer Vielzahl von Branchen" her, wie auf der Internetseite des Unternehmens zu lesen ist. Zu den Branchen zählt die Firma Energie, Bau, Restaurierung oder auch Aufzugsfirmen. Gleichzeitig gehört Dual-Lift auch zum Unternehmen Powerclimber, dessen Europasitz in der Nähe von Antwerpen in Belgien liegt. Insgesamt bilden vier Unternehmen, die allesamt auf Winden und Abseiltechnik spezialisiert sind, den Safeworks-Konzern.
Laut Kuhn seien Kollegen aus Belgien und ein Kollege aus den Vereinigten Staaten in dieser Woche nach Osterholz-Scharmbeck gekommen, um die Kündigungen auszusprechen. Bereits kurz nach der Verkündung sei ein Team angerückt, dass damit begonnen habe, die Computer abzubauen, erzählt Kuhn.
Warum der Standort in der Kreisstadt geschlossen wird, darüber kann der Produktionsleiter nur Vermutungen anstellen: "Vielleicht, weil es der belgischen Firma nicht ganz so gut geht, muss nun Dual-Lift geopfert werden." Er vermutet, dass die Produktion von Osterholz-Scharmbeck nach Belgien verlagert wird. "Anfang des Jahres waren schon Leute aus Belgien da, die Videos von unseren Winden gemacht haben – unter dem Motto, wir wollen die Performance verbessern." Das sei ihm im Rückblick komisch vorgekommen, weil er sich gewundert habe, dass für so ein zeitaufwendiges Unterfangen Ressourcen bei den belgischen Kollegen frei waren.
Dennoch seien die Kündigungen für die Mitarbeiter ein Schock gewesen, er habe gestandene Männer mit Tränen in den Augen gesehen, berichtet Kuhn. "Wir haben immer gute Arbeit geleistet, auch aus den USA kamen immer positive Nachrichten." Man hätte Liefertermine trotz Corona und Krieg in der Ukraine einhalten können, und die Zahlen hätten auch immer gestimmt. Zuletzt habe der Umsatz des Unternehmens bei gut zehn Millionen Euro gelegen. Eine "miese Nummer" nennt er das Vorgehen der Konzernleitung.
Kein Sozialplan oder Abfindungen
Einen Sozialplan oder Abfindungen für die Belegschaft gibt es laut Mario Kuhn nicht. "Man ist scheinbar nicht daran interessiert, dass die Leute auf menschliche Art und Weise wieder in Lohn und Brot kommen", meint er. "Wenn man eine Schließung plant, kann man sich trotzdem sozial verhalten, um den Menschen den Übergang so leicht wie möglich zu machen. So ist das keine Art und Weise!"
Bereits am Mittwochvormittag hat ein Post eines weiteren Mitarbeiters, der die Kündigungen zum Thema hatte, in lokalen Facebook-Gruppen die Runde gemacht. Auch Nachfrage der Redaktion hieß es zu diesem Zeitpunkt aus Belgien lediglich knapp, dass da nichts dran sei und der Standort in Osterholz-Scharmbeck nicht geschlossen werde. Auf weitere schriftliche Nachfragen reagierte das Unternehmen in dieser Woche bislang nicht. Auch die Dual-Lift in Osterholz-Scharmbeck selbst war am Donnerstag bis Redaktionsschluss telefonisch nicht mehr zu erreichen.
Die Dual-Lift GmbH wurde 2008 von den beiden Gründungsgesellschaftern Jörg Blasek und Siegfried Pilz gegründet und stieg seitdem durch Qualität und Innovation „made in Osterholz-Scharmbeck“ zu einem Marktführer für Seilwinden und Zubehör auf – mit Kunden in der ganzen Welt. 2014 wurde das Unternehmen für den niedersächsischen Außenwirtschaftspreis nominiert als eines der fünf besten Unternehmen des Bundeslandes.