"Es ist ambivalent, ich stehe für Umwelt- und Klimaschutz, aber ich kann ihn nicht bezahlen", sagt Antje Kappel. Die 47-Jährige lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Osterholz-Scharmbeck. Das 1961 erbaute Haus hat 2012, nachdem es hineinregnete, ein neues Dach bekommen. Mit der Wärmedämmung des Dachs und dem Austausch von Fenstern und Türen hielt ein neues Problem Einzug in ihr Haus: Schimmel. Im Untergeschoss mussten sämtliche Tapeten abgerissen werden. Die Kappels strichen stattdessen Silikatfarbe an ihre Wände. Neben der gesundheitlichen Belastung für die Familie ist Antje Kappel unglücklich über die kalte, ungemütliche Atmosphäre, die seit den Sanierungsarbeiten in ihrem Haus herrscht.
Um den Schimmel loszuwerden, informierte sich das Ehepaar Kappel über Möglichkeiten der Dämmung. Das Haus ist vollverklinkert und die Hohlschicht zwischen Klinker und Mauerwerk zu klein für eine Einblasdämmung, erklärt Antje Kappel. Deshalb bleibt den Kappels nur die Maßnahme, den Klinker vollständig entfernen zu lassen und im Anschluss zu dämmen, was teuer ist. Oder die Dämmung auf den Klinker aufzubringen. Auch eine Sanierung der Heizanlage ist nötig. Antje Kappel beschreibt die Situation als klassisch: 21 Jahren hat die Gastherme bereits ihren Dienst getan. Wie lange sie noch durchhält, ist fraglich. Kappel und ihr Mann stellen sich die Frage: Steigen wir auf eine Wärmepumpe um? Damit diese effektiv arbeiten kann, muss auch das Haus gedämmt sein. "Ansonsten ist die Wärmepumpe ein teurer Stromfresser", so Kappel.
Hohe Kosten trotz staatlicher Förderung
Einen Wärmepumpeneinbau können sich Hauseigentümer zwar über die staatliche Förderbank KFW fördern lassen, allerdings beträgt die maximale Fördersumme für Einfamilienhäuser 70 Prozent bei einer Obergrenze von 30.000 Euro, also höchstens 21.000 Euro. Vorausgesetzt, die Antragstellenden erfüllen alle Kriterien. Der Wärmepumpeneinbau bei den Kappels kostet samt Demontage der alten Heizung und Rohrleitungen sowie Installation neuer Steigleitungen insgesamt rund 50.000 Euro. Immer wieder tauchen neue Posten auf. Wie beispielsweise der Umbau der elektrischen Schaltanlage, der im Anschluss an den Einbau der Wärmepumpe nötig ist. "Die Kosten für die Dämmung des Hauses sind hierbei aber noch nicht eingerechnet", so Kappel. Unter dem Strich ergibt sich eine Summe, bei der die Kappels nicht wissen, wie sie sie stemmen sollen. Zumal sie ihre zwei Kinder, die 16 und 19 Jahre alt sind, finanziell bis zum Abschluss der Ausbildung unterstützen. Ihre Situation schilderte die Kreisstädterin kürzlich im Rathaus.
Dort wurde Mitte August das Klimaschutzkonzept der Stadt öffentlich vorgestellt. Seit Oktober 2023 erarbeitete Klimaschutzmanagerin Jessica Hügen in Kooperation mit Politik und Verwaltung diesen Leitfaden, der Osterholz-Scharmbeck in Sachen Treibhausgasneutralität in die Zukunft führen soll. Auch mit den Menschen, die in Osterholz-Scharmbeck leben, war Hügen in den letzten zwei Jahren regelmäßig in Kontakt. Bei der öffentlichen Präsentation des Klimaschutzkonzepts im Rathaus verwiesen sowohl Hügen als auch Baudezernent Manuel Reichel auf die Bedeutung des Beitrags, den die Privathaushalte in Sachen Emissionseinsparungen leisten müssen, damit das Ziel der Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2040, spätestens aber bis 2045, möglich wird.
Jessica Hügen sagt: "Ich kann die Bedenken und Sorgen der Menschen sehr gut nachvollziehen und nehme sie sehr ernst. Letztendlich sind die Herausforderungen gerade enorm und ich weiß darum, dass es für die Bürgerinnen und Bürger ein Kraftakt ist sich mit all dem auseinanderzusetzen." Kleine Sanierungsmaßnahmen seien in der Bilanz oft sehr wirksam – es müsse nicht immer eine Vollsanierung sein. Bei der Veranstaltung im Rathaus waren Fördermöglichkeiten Thema, beispielsweise Zuschüsse für die Erstellung eines Sanierungsfahrplans.
Auch die Kappels haben einen Sanierungsfahrplan erstellen lassen. Die Förderung sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, letztlich handele es sich hier aber nicht um große finanzielle Entlastungen – gemessen an den Kosten, so Kappel. Die Gelder seien, wie der Name schon sagt, lediglich ein Zuschuss. "Das Budget für eine energetische Sanierung muss man übrig haben", sagt sie. Kappel und ihr Mann arbeiten beide, trotzdem stellen sie die hohen Kosten vor große Herausforderungen. Antje Kappel sagt, sie wisse nicht, wie eine energetische Sanierung von Alleinstehenden und Rentner gestemmt werden soll.
Der Diplom-Geografin ist Umweltschutz und Energieeffizienz sehr wichtig. Deshalb ist sie auch ins Rathaus gekommen. Kappel findet: "Klimaschutz geht uns alle an, nicht immer nur die Jugend." Auch die älteren Erwachsenen müssen mehr Verantwortung übernehmen. "Wir können mehr bewegen."
Was nun am besten zu tun ist, sei allerdings für die Familie Kappel eine schwierige Entscheidung. Und so ziehe sich diese bereits über Jahre hin, beschreibt Kappel ihr Dilemma. "Mich verunsichert vor allem, wenn Politiker öffentlich bekannt geben, dass die Förderung für die Wärmepumpe abgeschafft werden soll", so Kappel. Erst vor wenigen Tagen hatte CSU-Generalsekretär Martin Huber zum Stopfen der milliardenschweren Bundeshaushaltslöcher deutliche Kürzungen bei der Wärmepumpenförderung gefordert. Kappel fragt sich, wie so eine Klimawende funktionieren kann. Und vor allem, wie Bürgerinnen und Bürgern die von der Politik geforderte Mitarbeit der Privathaushalte leisten können.