Häufig wurde in den vergangenen Jahren eine zu geringe Anzahl weiblicher Bühnenprotagonisten auf Musikfestivals im öffentlichen Diskurs problematisiert. Genres wie Blues und Rock gelten ohnehin als Männerdomäne. Bereits der eröffnende Freitag der neunten Auflage des Gut Sandbeck Open Air zeigte, dass es auch Ausnahmen gibt.
Dies lag nicht nur an der kroatischen Rocklady Vanja Sky, die mit ihrer Band den krönenden Abschluss des Eröffnungstages bildete. Bereits der aus Bremen stammende Opener Mel Rock um die aus South Dakota stammende Frontfrau Mel K brachte die allmählich auf dem einstigen Rittergut eintreffenden Besucher mit schmissig servierten Rockklassikern á la „Rosalie“ und „Can the Can“ energetisch und lautstark in Festivalstimmung und sorgte für eine weithin hörbare Eröffnung der neunten Auflage des von einem aus Überzeugungstätern und Musikliebhabern bestehenden Trägerverein organisierten Festivals.
Wie die Blues Brothers
Im Direktvergleich ließ es die ebenfalls aus Bremen stammenden sowie in Person von Anja Dammasch ebenfalls mit einer Dame am Mikro aufwartende Black Mojo Crew musikalisch zwar etwas gediegener angehen, hielt die Stimmung der Festivalbesucher mit einer an die Blues Brothers gemahnenden Bühnenoptik und einer Mischung aus Eigenkompositionen sowie eher selten gecoverten Songs von Künstlerinnen wie Beth Hart und Joanne Shaw Taylor dennoch auf hohem Level, bevor den eigens aus Rostock angereisten Dear Robin eine echte Überraschung gelang.

Dear Robin aus Rostock sorgten auf Gut Sandbeck für eine musikalische Überraschung.
Obwohl der Großteil der mittlerweile mehreren Hundert Besuchern mit dem ausschließlich aus eigener Feder stammenden Songmaterial der Newcomer wenig bis gar nicht vertraut gewesen sein dürfte, gelang es dem Quintett um Frontlady Pia Rademann, mit seiner betont retro-lastigen Melange aus einschmeichelnden Popmelodien, schmissigen Hammondorgelklängen und gekonnten Harmoniegesängen, das Festivalpublikum mitzureißen und konnte augenscheinlich viele neue Fans hinzugewinnen.
Mit der Bremer Sunhouse Blues Band spielte anschließend sowohl der einzige reine „Herrenklub“ als auch die in puncto Songauswahl mit Abstand traditionellste Band des Eröffnungstags auf. Mit ausladender Instrumentierung inklusive Orgel, Saxofon und Mundharmonika sowie zig bewährten Standards wie „Call me the Breeze“ und „Hoochie Coochie Man“ sorgten die Herren sogar für Tanzfreude unter den Festivalbesuchern, bevor mit Vanja Sky und Band schließlich der finale Höhepunkt des Eröffnungstages folgte.
Sängerin im Publikum
Diese hörte sich zuvor die Beiträge der überwiegend regionalen Kollegen wohlwollend an, mischte sie sich gemeinsam mit ihren Bandkollegen doch selbst bereits seit den ersten Klängen des Tages unter das Festivalvolk. „Ich wohne seit drei Jahren in Neuruppin; meine Band kommt allerdings aus Hamburg, sodass ich normalerweise immer erst dorthin fahre, bevor es dann gemeinsam auf Tour geht“, erklärt die kroatische Sängerin und Gitarristin, die sich als ausgesprochen umgänglicher Mensch erweist und somit auch nichts gegen einen kleinen Presseplausch vor ihrem Auftritt einzuwenden hatte.
„Dementsprechend treffen wir erst meist kurz vor unserem eigenen Auftritt ein und müssen schnell aufbauen, uns umziehen und loslegen. Heute mussten wir aber nicht ganz so weit fahren und können auch selbst mal ein bisschen Festivalatmosphäre genießen“, erklärt sie und lacht – und lobt explizit das Ambiente des selbst ernannten „Festival mit Flair“ auf dem einstigen Rittergut.

Das Duo ”Tanni und Tüddel” sorgen für das passende Merchandise-Angebot.
Auf der Bühne sorgt die Bluesrocklady, die sich selbst sowohl musikalisch als auch optisch jedoch näher an der Tradition beispielsweise einer Joan Jett statt eines John Lee Hookers wähnt, später nicht nur selbst mit einem ebenso charismatischen wie energetischen Auftritt für abschließende Rockladypower, sondern beschwört diese auch textlich mit Songtiteln wie „Devil Woman“ oder „Voodoo Mama“.
Plus an Frauenpower
Das Plus an Frauenpower auf den zwei abwechselnd bespielten Bühnen ist auch dem ersten Vereinsvorsitzenden Georg Mikschl bewusst: „Das war allerdings tatsächlich nicht bewusst geplant: Wir haben uns bei der Bandauswahl rein an musikalischen Kriterien orientiert“, offenbart Mikschl, der sich mit dem Eröffnungstag mehr als zufrieden zeigt. „Offizielle Zahlen erfassen wir generell erst nach Abschluss des Festivals; mein Bauchgefühl sagt mir aber, dass wir heute wohl um die fünfhundert Besucher hier haben, die bei bestem Wetter in friedlicher Atmosphäre großartige Musik feiern. Das ist für den Eröffnungstag ein guter Schnitt."