Warum stehen viele Windräder auch bei günstigem Wind still? Welche Auswirkungen haben die Anlagen auf Flora und Fauna in der Umgebung? Und welche Belastungen gehen schon mit ihrer Errichtung einher? Das waren nicht die einzigen Fragen, die am Montag in der Campus-Mensa den Mitarbeitern der Landkreis-Verwaltung gestellt wurden. Sie wurden aber in der Bürgerversammlung, zu der die Behörde eingeladen hatte, um erste Pläne für künftige Windkraft-Vorranggebiete zu präsentieren, besonders ausführlich und kontrovers besprochen. Kreisdezernent Dominik Vinbruck hatte die Besucher eingangs auch dazu ermuntert, sich mit den Entwürfen kritisch auseinanderzusetzen. Er bekam daraufhin etliche Anregungen mit auf den Heimweg, unter anderem solche, die auf den Lärmschutz zielten. So wurde auch ein Unterstützungsfonds für Betroffene vorgeschlagen, die unter den Emissionen leiden.
Obwohl die Planungen zum Teilprogramm Windenergie im laufenden Verfahren des regionalen Raumordnungsprogramms sich noch in einem sehr frühen Stadium befinden, stieß die Präsentation, zu der der Landkreis Osterholz eingeladen hatte, auf reges Interesse. In der Campus-Mensa blieben nur wenige Stühle unbesetzt. Es wurde – eher grundsätzlich – über Windkraft-Themen wie Naturschutz, Repowering und Schattenwurf diskutiert. Einem der Anwesenden war aufgefallen, dass ein großer Teil des knapp 22 Quadratkilometer umfassenden Flächenreservoirs nahe der Kreisgrenzen mit vergleichsweise geringem Abstand zur Besiedlung vorgesehen ist. Ob denn die Anwohner dort tiefer schlafen würden, wurde ein wenig ketzerisch nachgefragt. Vinbruck erklärte daraufhin, dass die dünne Besiedlung in den angesprochenen Bereichen historische Ursachen habe und der Gesetzgeber "störende Nutzungen", zum Beispiel landwirtschaftliche Emissionen, eher in den Außenbereichen zulässt, um sie in Wohngebieten zu vermeiden. Dabei seien die Menschen dort keineswegs schutzlos, doch seien die von den Windkraftanlagen zu den Siedlungen einzuhaltenden Abstände eben geringer.

Unter anderem Dominik Vinbruck vom Landkreis Osterholz informierte über die Windenergieplanungen.
Davon einmal abgesehen, nahm in der Veranstaltung die Diskussion um die Auswahl der Standorte selbst relativ wenig Platz ein. Dabei hat sie an anderer Stelle schon Fahrt aufgenommen. So hat es Kritik aus mehreren Ortsteilen Osterholz-Scharmbecks gegeben, unter anderem aus Garlstedt und Heilshorn, wo man das Waldgebiet Schmidts Kiefern schützen will. Von bereits bestehenden Anlagen ausgehend, ist im Entwurf des Landkreises dort eine erhebliche Erweiterung westlich und östlich der Autobahn vorgesehen. Ganz anders die Gemeinde Ritterhude, die wiederum sogar reges Interesse daran zeigt, dass das westliche Sankt-Jürgensland als Potenzialfläche ausgewiesen wird. Der Landkreis hat das bereits ausgeschlossen, was unter anderem auch von der Biologischen Station Osterholz (Bios) und Umweltverbänden befürwortet wird. Das weite, teils feuchte Grünland sei in seiner ökologischen Funktion, aber auch in seiner Ästhetik in Zusammenhang mit der denkmalgeschützten Kirchwarft St. Jürgen nicht zu ersetzen, argumentiert die Bios.
Geringe Spielräume
Beim Thema Windkraft tue sich die Gesellschaft noch schwer, zu einem Konsens zu finden, zog Vinbruck nach zwei Stunden Bilanz. Doch nicht erst seit der Flutkatastrophe in Spanien sei klar, "dass wir eine Welt ohne fossile Energien brauchen". Der Landkreis sei per Gesetz ("Windenergieflächenbedarfsgesetz") beauftragt worden, Vorranggebiete für Windkraftanlagen auszuweisen, und seine Planer hätten dafür von Bund und Land ein enges Vorgaben-Korsett verpasst bekommen. "Wir wollen aber die verbliebenen geringen Spielräume nutzen, um die Auswirkungen für Mensch und Umwelt möglichst gering zu halten."
Auch aus diesem Grund will der Landkreis die Bürger an der Planung intensiv teilhaben lassen. In der Campus-Mensa informierte eine mehrteilige Ausstellung mit entsprechendem Kartenmaterial über den Konzeptentwurf, sorgte für Transparenz hinsichtlich der Abwägungsschritte und klärte über Abstandsregeln und Ausschlusskriterien auf. Friederike Piechotta, Leiterin des Planungs- und Naturschutzamts beim Landkreis Osterholz, ging in ihrem Vortrag ausführlich auf die einzelnen Abläufe des Genehmigungsverfahrens ein, auf die gesetzlichen Grundlagen, die Methodik der Planung ("umgekehrtes Puzzle") und beschrieb die Potenzialflächen, die besonders die Stadt Osterholz-Scharmbeck und die Gemeinde Hambergen tangieren. Schließlich trug sie die Ergebnisse der Planung vor. Bis Ende 2027 muss der Landkreis Osterholz 0,92 Prozent seiner Fläche für Windenergie bereitstellen, bis Ende 2032 schließlich 1,18 Prozent. Dieses Ziel ist der Planung nach erreicht. Wenn man es verfehlen würde, wäre der Landkreis auch damit gescheitert, durch die Projektlenkung zum Beispiel eine "Verspargelung" der Landschaft zu verhindern.
Das Ende des Genehmigungsverfahrens wird für Dezember 2027 erwartet. Die öffentliche Auslegung der Planunterlagen hat am 2. August begonnen und endet am 15. November. Damit läuft die Frist ab, in der Bürger, Behörden und Betriebe Stellungnahmen zu den vom Landkreis geplanten neuen Standorten für Windenergieanlagen abgeben können. Sie endet am 29. November. Ähnliche Veranstaltungen wie in Osterholz-Scharmbeck hat der Landkreis für Montag, 11. November, im Hamme-Forum, Riesstraße 11 in Ritterhude, und am Mittwoch, 13. November, in der Schwaneweder Schützenhalle, Voßhall 1, geplant. Die Kreisverwaltung bittet aus organisatorischen Gründen um eine Anmeldung übers Internet (www.landkreis-osterholz.de/wind-info).